Macron will Kritik mit neuen Gesetzen ersticken

Tobias Tscherrig (infosperber)

Die französische Regierung bekämpft den Protest der «Gelbwest»-Bewegung mit Gesetzen und beschneidet dabei Medien und Bürgerrechte.

Zweieinhalb Monate nach Beginn der Demonstrationen gegen die Reform-Politik von Präsident Emmanuel Macron ist in Frankreich noch immer keine Ruhe eingekehrt. Im Gegenteil, die «Gelben Westen» lassen – trotz den Zugeständnissen, die Macron bereits machen musste – nicht locker. So versammeln sich auch 2019 auf den Strassen von ganz Frankreich immer wieder Zehntausende Menschen, um unter anderem für Lohnerhöhungen und niedrigere Studiengebühren zu demonstrieren.

Macron und seine Partei «La République en Marche» (LREM) sind mit ihrem Latein langsam am Ende. Nun reagiert der französische Präsident – entgegen seinen liberalen Positionen, mit denen er 2017 zur Präsidentschaftswahl in Frankreich antrat – zunehmend mit Repression. Das erfahren die Demonstranten auf der Strasse in Form von einem massiven und immer wieder auch brutalen Polizeieinsatz.

Aber die französische Regierung reagiert auch mit neuen Gesetzen. Mit dem «Anti-Randalierer-Gesetz», das Bürgerrechte beschneidet. Und mit Eingriffen in die Medienfreiheit, die von französischen Medien so zusammengefasst werden: «Macron träumt davon, die Presse unter Aufsicht und die Informationen unter Kontrolle zu bringen.»

Gesetz gegen Demonstranten

Mit dem «Anti-Randalierer-Gesetz», das Anfang Februar vom französischen Parlament in erster Lesung gebilligt wurde, sollen Polizei und Behörden mehr Befugnisse erhalten: Ein Instrument, mit welchem die Sicherheitskräfte Demonstrationsverbote gegen Teilnehmer aussprechen können, die eine «besonders schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung» darstellen. Anders als bisher, wäre dazu kein richterlicher Entscheid mehr notwendig.

Wer gegen das Demonstrationsverbot verstösst, muss mit sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe von 7500 Euro rechnen. Weiter könnte auf Grundlage des Gesetztes jedes Objekt in der Hand von Demonstranten zur Waffe werden – noch bevor eine allfällige kriminelle Tat überhaupt stattgefunden hat. Das heisst: Jede Demonstrantin und jeder Demonstrant könnte präventiv mit einem Demonstrationsverbot belegt werden – frei nach dem Ermessen der Sicherheitskräfte. Die so sanktionierten Demonstrationsteilnehmer sollen dann in einer neuen Datenbank erfasst werden.

Damit sollen die Sanktionen gegen mutmasslich gewaltbereite Demonstrantinnen und Demonstranten deutlich verschärft werden. Die neue Gesetzesvorlage würde es ihnen auch verbieten, sich zu vermummen; Vermummungsverbote gibt es auch in einigen Schweizer Kantonen. Wer dagegen verstösst, riskiert in Frankreich eine Haftstrafe von einem Jahr. Ausserdem drohen 15’000 Euro Geldstrafe.

Das Gesetz ist höchst umstritten. Kritiker, darunter Rechtsexperten, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften, fürchten eine massive Einschränkung der Bürgerrechte. Das Gesetz gleiche einem Demonstrationsverbot für Regierungskritiker. Ausserdem drohe die Gefahr von Missbrauch, falls extreme Parteien an die Macht gelangten.

Trotz aller negativen Stimmen, fand das Gesetz in der Nationalversammlung mit 387 zu 92 Stimmen eine breite Mehrheit. Zwar enthielten sich rund fünfzig Politikerinnen und Politiker aus dem linken Flügel von «LREM» der Stimme – wirklicher Widerstand sieht aber anders aus: Kein einziger Abgeordneter der liberalen Regierungspartei sprach sich dagegen aus.

Abgeordnete verstecken sich hinter Worthülsen

Obwohl das «Anti-Randalierer-Gesetz» in Frankreich kontrovers diskutiert wird, sind sich die Abgeordneten der Regierungspartei nicht zu schade, den repressiven Inhalt zu verteidigen. So zum Beispiel der französische Innenminister und «LREM»-Abgeordnete, Christophe Castaner. Immer wieder erklärte er vor dem Parlament und in den französischen Medien, dass das Gesetz nicht darauf abziele, Demonstrationen zu verhindern, sondern – im Gegenteil – sie zu schützen. Weiter behauptete er während der Diskussion in der Nationalversammlung, es gehe darum, «Freiheiten zu schützen».

In Wahrheit handelt es sich beim «Anti-Randalierer-Gesetz» um die Installierung von polizeilichen und administrativen Präventivmassnahmen und Sanktionen und nicht etwa um den Wunsch, die Demonstrationsfreiheit zu schützen. Und das, obwohl in Frankreich nach den Terroranschlägen bereits viele Massnahmen des Ausnahmezustandes in ordentliches Recht übergingen.

So kritisiert zum Beispiel Patrice Spinosi, Rechtsanwalt beim Staatsrat und beim Kassationsgericht: «Heute nutzen Regierung und Polizei die gleichen Mechanismen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, die sie auch im Hinblick auf Terroristen brauchen. Allerdings sind davon nicht mehr Terroristen betroffen, sondern diejenigen, die stören oder als Störenfriede erscheinen.»





Angriff auf die Freiheit des Internets

Die französische Regierung zielt allerdings nicht nur auf Demonstranten. Auch das Internet und die Medien wurden – oder sollen – gemassregelt werden. So verabschiedete die Nationalversammlung Ende Dezember 2018 ein Gesetz gegen die «Manipulation von Informationen». Das Gesetz kommt drei Monate vor den Wahlen zur Anwendung, damit diese nicht verfälscht werden.

Während dieser Zeit können Kandidaten und Parteien bei der Justiz per Schnellverfahren die Löschungen von Falschmeldungen beantragen. Ausserdem müssen Internetgiganten wie «Facebook» und «Twitter» offenlegen, wer über die jeweiligen Plattformen bezahlte Inhalte verbreitet. Weiter sollen sie Instrumente bereitstellen, um Fehlinformationen anzuzeigen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern.

Zusätzlich erhielt die Medienaufsicht mehr Kompetenzen: Während der heissen Phase des Wahlkampfs kann sie die Verbreitung von ausländisch finanzierten Fernsehsendern unterbinden, die mit falschen Informationen den Wahlausgang beeinflussen könnten. Ein Gerichtsbeschluss ist dazu nicht notwendig.

Macron rechtfertigte diese Massnahmen, weil er die «Demokratie in Gefahr» sieht. Die zahlreichen Kritiker lassen das nicht gelten: Sie befürchten staatliche Eingriffe in die Meinungsäusserungsfreiheit. Das Gesetz sei überflüssig und kontraproduktiv, da bereits das Pressegesetz von 1881 genügend Handhabe biete, um gegen Manipulation in Wahlkämpfen vorzugehen. Die Medienschaffenden von Frankreich anerkannten zwar das Problem der Falschinformationen, das mit den Internetplattformen eine neue Dimension angenommen habe. Sie kritisierten aber, dass es nicht am Staat sei zu entscheiden, was richtig und was falsch sei. Das sei eine journalistische Kernaufgabe.

Macron will auch einheimische Medien regulieren

Die Möglichkeit, den Informationsfluss während drei Monaten vor den Wahlen zu regulieren, scheint Macron nicht zu genügen. Wie verschiedene französische Medien berichten, sprach Macron vor rund zwei Wochen vor ausgewählten Journalisten davon, staatliche Strukturen schaffen zu wollen, um die «Neutralität zu gewährleisten». Das Vertrauen und die «Hierarchie der Wörter» müssten wieder hergestellt werden, so der französische Präsident. Im Gespräch mit den Journalisten stellte sich Macron auf den Standpunkt, dass die Aussagen von Bürgern in Gelben Westen nicht mit denjenigen eines «Bürgermeisters, Abgeordneten oder Ministers» gleichgestellt werden dürfen.

Der Präsident stört sich an dem Umstand, dass den «Gelben Westen» in den französischen Fernsehsendern viel Platz eingeräumt wurde – und das sie sagen konnten, was sie wollten – ohne dass die Journalisten den Wahrheitsgehalt überprüft und die Aussagen eingeordnet hätten. Informationen seien wichtig für das Gemeinwohl, so Macron. «Und vielleicht ist es das, was der Staat finanzieren muss».

An diesen präsidialen Träumereien gibt es in Frankreich viel Kritik. Kritiker sehen die Freiheit und die Pluralität der Medien in Gefahr. Ausserdem sehen sie auch hier die Gefahr der staatlichen Eingriffe.

Vor allem die kleineren, investigativen und damit die für den Staat unbequemen Medienplattformen, befürchten, dass nur die grossen, «neutralen» und damit bequemen Medienanbieter unterstützt werden sollen. Sie fürchten den medialen Einheitsbrei: Wer dem Staat genehm ist, erhält Subventionen. Wer recherchiert und sich nicht scheut, dem Staat auf die Finger zu schauen, geht leer aus. Die Kritiker sprechen von der Teilverstaatlichung und Bevormundung der Presse – immerhin sprach Macron sogar davon, dass der Staat einige Journalisten in den Redaktionen direkt bezahlen könnte, um damit den Wahrheitsgehalt der Meldungen zu verbessern. Auch damit würde indirekt der Staat bestimmen, was wahr ist und was nicht.

Angriff auf Quellenschutz

Überhaupt scheut sich die Regierung in Frankreich nicht, unbequeme Medien mit Massnahmen zu belegen. Erfahren musste das zum Beispiel das Enthüllungsportal «mediapart», das immer wieder kritisch über die französische Regierung und die Vorkommnisse im Élysée-Palast berichtet und dem beste Verbindungen zum französischen Geheimdienst nachgesagt werden. So beleuchtete «mediapart» auch immer wieder die unwürdige «Affäre Benalla», welche die Regierung von Macron in einem äusserst schlechten Licht erscheinen lässt.

Alexandre Benalla, ein ehemaliger persönlicher Mitarbeiter von Präsident Macron, gegen den unter anderem wegen Gewalt gegen Demonstranten, Anmassung polizeilicher Amtsbefugnisse am Rande einer 1. Mai-Kundgebung und wegen einem merkwürdigen Sicherheitsvertrag mit einem russischen Oligarchen ermittelt wird, hatte gegen «mediapart» eine Klage wegen Verletzung seiner Privatsphäre eingereicht. Dies, weil «mediapart» Tonaufnahmen von Gesprächen zwischen Benalla und dem ebenfalls angeklagten Vincent Crase, einem Ex-Angestellten der Regierungspartei «La République en Marche», veröffentlicht hatte.

Weil ein Verfahren gegen sie läuft, dürften sich die beiden Angeklagten aber nicht treffen – und erst recht nicht gemeinsam über die Vernichtung von Beweismaterialien diskutieren. Das hielt die französische Regierung nicht davon ab, im Rahmen einer Voruntersuchung und ohne richterlichen Beschluss, die Räumlichkeiten von «mediapart» zu durchsuchen – was angesichts der Tatsache, dass gegen Benalla – der bei seinen Angaben vor dem Untersuchungssausschuss des Senats nachweislich gelogen hatte – und nicht gegen «mediapart» ermittelt wird, nur als skandalös bezeichnet werden kann. Wie «mediapart» schreibt, gibt es konkrete Hinweise darauf, dass die Anordnung direkt von der Regierung kam. Das Online-Portal übergab die kompromittierenden Audiodateien schliesslich freiwillig der Justiz.

Der Vorfall steht exemplarisch für den nach wie vor löchrigen Quellenschutz in Frankreich, der von der Politik immer wieder torpediert wird und die Arbeit von Investigativ-Journalisten erschwert.

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Kommt einem das nicht spanisch vor? Aber Hallo! Am 1. Juli 2015 hat der ehemalige spanische Rechtsaußen Mariano Rajoy „ley mordaza“ eingeführt und somit die Demonstrations- und Meinungsfreiheit erheblich eingeschränkt. Mehr dazu finden Sie hier.
Demnächst ist in Frankreich Schluss mit lustig. Und wann in der BRD GmbH?

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