Massive Anti-Bargeld-Propaganda aus Anlass eines bargeldfreundlichen Bundesbank-Berichts

von Norbert Haering

Es sind nicht nur die öffentlich-rechtlichen Sender, die oft dreiste Anti-Bargeld-Propaganda machen. Ein leider gar nicht so selten schlimmes Beispiel gab es am Montagnachmittag in der Telebörse, der Wirtschaftsendung des Senders ntv, der zu RTL gehört. Mit Unwissenheit lässt sich nicht erklären, was in dieser Sendung präsentiert wurde, aus mindestens zwei Gründen.

Die Telebörse hat einen Moderator namens Raimund Brichta, der ein gutes Buch über Geld geschrieben hat und für das Recht, seine Steuern bar zu bezahlen, (erfolglos) vor Gericht ging. Brichta war aber nicht dran. Sein Kollege Marcel Wagner moderierte aus Anlass einer Umfrage und Analyse der Bundesbank zur Bargeldaufbewahrung  einen Themenblock zum Bargeld. 1.364 Euro hätten Deutsche im Durchschnitt zu Hause.

Gleich zu Anfang ließ er uns wissen, wie dumm das sei, es gebe viel bessere Möglichkeiten. Von “unserem Finanzexperten”, dem Finanzberater Philip Kretschmer, erfuhr man, dass Geld auf der Bank so sicher ist, wie es nur sein kann. Die Fachhochschulprofessorin Katharina Lochner ließ uns wissen, dass die Deutschen in Sachen Bargeldnutzung und -haltung eine Sonderrolle einnehmen und dies daran liegt, dass sie kein hinreichendes Vertrauen zum Aktienmarkt haben und ihnen andere Finanzprodukte zu kompliziert sind. Sie vertraue aber darauf, dass auch die Deutschen irgendwann lernen und sich von ihrer Bargeldfixierung verabschieden.

Eine Off-Sprecherin berichtete die Ergebnisse der Bundesbank-Studie indem sie ausschließlich die negativ besetzten Begriffe horten, bunkern und hamstern verwendete. Bei Geld auf der Bank kamen derartige abwertende Begriffe nicht vor. Es lag also nicht daran, dass einfach nur ein flapsiger Sprachstil gepflegt werden sollte.

Auf der Habenseite des Bargelds wurde im ganzen Block nur von der Fachhochschulprofessorin kurz erwähnt, dass es in Sachen Datenschutz, der uns (sonderbaren) Deutschen ja so wichtig ist, besser abschneidet. Der Bundesbank-Experte durfte sagen, dass Bargeld praktisch ist. Mehr von dem erkennbar längeren Interview mit ihm wurde nicht gesendet.

Auffällig war auch, dass im Folgebeitrag zu Wirecard Bundesbankpräsident Weidmann ins Bild genommen und aus einem Interview mit der Funke-Mediengruppe zitiert wurde. Er hatte darin auch Positives zum Bargeld gesagt. Das wurde ignoriert.

Falschinformationen

Es war nicht nur die sehr einseitige Intonation und Wortwahl, die in den Beiträgen auffiel. Falsch oder grob verzerrt war an der Darstellung,:

  • dass die Deutschen in Sachen Bargeld eine Sonderrolle einnehmen, “ein deutsches Phänomen”, wie der Moderator paraphrasiert. Das wird dadurch nicht richtig, dass es die Bargeldgegner immer wieder behaupten. Die Bargeldnutzung in Deutschland bewegt sich im Industrieländervergleich im Mittelfeld, weltweit im unteren Bereich;
  • dass Bargeld auf der Bank völlig sicher ist;
  • dass das Vertrauen in den Aktienmarkt und die Komplexität vieler Finanzprodukte viel mit der Bargeldhaltung zu tun hat;
  • dass die Bundesbürger durchschnittlich “1.364 Euro in den eigenen vier Wänden horten”. Die von der Bundesbank ermittelten 1.364 Euro beziehen sich entgegen der durchgehend falschen Darstellung bei der Telebörse auf “zu Hause oder in einem Schließfach”. Vermutlich werden die großen Beträge in Schließfächern aufbewahrt, sodass der erweckte Eindruck, die Deutschen bewahrten typischerweise große Beträge unter der Matratze auf, ein falscher sein dürfte.

Dass die Psychologin Lochner es nicht besser weiß, leuchtet mir ein. Durch Internetrecherche und auf ihrem Lebenslauf habe ich kein Indiz gefunden, dass sie beruflich-wissenschaftlich je etwas mit Bargeld, ja nicht einmal mit Finanzmärkten zu tun hatte. Der Redaktion war offenbar jede Schein-Expertin recht, die bereit war, das aus ihrer Sicht Passende zu sagen.

Was fehlte

Nicht einmal ansatzweise erwähnt wurden die übrigen Vorteile des Bargelds wie die Sicherheit vor Bankenpleiten, und das Vermeiden von Negativzinsen oder die Nutzbarkeit bei Stromausfall, Technikversagen und sonstigen Katastrophen. In der Bundesbankanalyse findet sich das alles. Man wollte es also nicht erwähnen. Auch der Bundesbank-Experte hätte es sicher gerne umfassender gesagt, wenn man ihn gelassen hätte.





Woran liegt das?

Unwissenheit, vielleicht gepaart mit Voreingenommenheit und Faulheit (Übernahme einer Vorlage) taugen nicht als Erklärung für diese massiven Manipulationen der Zuschauer mit Falschinformationen, Verzerrungen und Auslassungen. Denn, dass die verantwortlichen Redakteure es nicht besser wissen, will mir auch wegen der Rolle des Kollegen Raimund Brichta nicht recht einleuchten. Wichtiger aber: Der Bundesbank-Bericht, der als Anlass genommen wurde, ist sehr bargeldfreundlich gehalten. Der Tenor wurde also zielgerichtet durch Auslassungen und gezielte Auswahl der “Experten” ins Gegenteil der Hauptquelle gedreht.

Auch die Nachrichtenagenturen sind nicht schuld. Reuters etwas berichtete (via Handelsblatt), dass die meisten Deutschen sehr wenig Bargeld “horten” und auch dpa/AFX (via FinanzNachrichten) berichtete viel ausgewogener, wenn man sich dort auch zu der absurden Wortwahl hinreißen ließ, die Deutschen “horten im Schnitt 107 Euro im Geldbeutel”. Geld wird im Geldbeutel in aller Regel nicht aufbewahrt, also gehortet, sondern für Käufe bereit gehalten.(Absatz am 28.7. eingefügt.)

Man muss nur auf die Webseite von ntv gehen, um einen Grund für diese extrem einseitig-manipulative Berichterstattung zu erahnen. Dort ist alles voll mit Finanz- und Anlageempfehlungen. Man befördert seine Beziehungen zur Finanzbranche nicht, wenn man Werbung für das Bargeld macht, an dem diese (und man selbst) nichts verdient. Das gilt natürlich auch für den Finanzberater und das ein oder andere Medium, das sich an der Kampagne gegen das Bargeld beteiligt.

Das beängstigend Bemerkenswerte daran: Ich gehe aus eigener Erfahrung davon aus, dass die weitaus meisten Redakteurinnen und Redakteure, nicht von selbst auf die Idee kommen würden, aus solchen kommerziellen Interessen des Arbeitgebers heraus derart massiv gegen den journalistischen Wahrheitsethos zu verstoßen. Da muss dem Team wohl ziemlich deutlich gesagt worden sein, wie der Beitrag auszusehen hat, den sie verfassen sollten. Das wiederum fände ich ziemlich ungewöhnlich und derb.

Ob noch mehr dahinter steht als kommerzielles Interesse, ob es eine finstere Verbindung zur globalen Kampagne gegen das Bargeld gibt, kann ich nicht sagen

Was die Bundesbank sagt

Es würde hier zu weit führen, den Bundesbank-Bericht zu referieren. Aber das Fazit desselben will ich Ihnen nicht vorenthalten:

Den Ergebnissen der durchgeführten Personenbefragung zufolge bewahrte eine Privatperson in Deutschland im Jahr 2018 durchschnittlich circa 1.364 € Bargeld zu Hause oder in einem Schließfach auf (abseits des Geldbeutels). Die Verteilung der Beträge war sehr ungleich und stark konzentriert. Ältere und besserverdienende Personen hielten tendenziell mehr Bargeld. 12 % der Bargeldhaltenden waren der Meinung, Steuerhinterziehung könnte bei der Aufbewahrung eine Rolle spielen. Eine weiterführende Regressionsanalyse kann diesen Verdacht für die vorliegenden Beobachtungen jedoch nicht bestätigen. Die Studienergebnisse deuten vielmehr darauf hin, dass die deutsche Bevölkerung bei der privaten Aufbewahrung von Bargeld in erster Linie legitime Zwecke verfolgt. Insbesondere scheinen Bedenken bezüglich der Sicherheit und der Zuverlässigkeit technischer Systeme eine Rolle bei der Bargeldaufbewahrung zu spielen.

Betrachtet man die Vermögenssituation der deutschen Bevölkerung insgesamt, spielt Bargeld eine eher geringe Rolle. Das Gesamtgeldvermögen privater Haushalte belief sich im Jahr 2018 auf 6.023 Mrd €, wobei der Anteil von Bargeld bei circa 3,8 % lag. Vergleicht man jedoch die laut Umfrage aufbewahrten Barbeträge mit den zu Transaktionszwecken mitgeführten Bargeldbeständen im Geldbeutel wird deutlich, dass Bargeld für die Bevölkerung nicht nur eine Zahlungsmittelfunktion, sondern auch im hohen Maße eine Wertaufbewahrungsfunktion hat. Aus der Befragung konnten keine konkreten Hinweise auf Steuerhinterziehung als Motiv der Bargeldaufbewahrung abgeleitet werden. Die Tatsache, dass über aufbewahrte Beträge freiwillig Auskunft erteilt wurde und es in den Daten keine Korrelation zwischen der Höhe der Beträge und der Steuermoral gab, sprechen dafür, dass die Befragten Bargeld überwiegend aus legalen Gründen aufbewahrten. Argumentationen, wonach die bisher unerklärten Bargeldhorte in Deutschland als Maß für den Umfang von Steuerhinterziehung und Kriminalität dienen könnten, sind deshalb kritisch zu sehen.

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