Führen die neuen US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 zum Ende der Russland-Sanktionen der EU?

von Thomas Röper (anti-spiegel)

Die neuen Sanktionsdrohungen der USA gegen europäische und auch deutsche Firmen, die an den Pipeline-Projekten Nord Stream 2 und Turkish Stream beteiligt sind oder auch nur mit ihnen zusammenarbeiten, waren auch Thema im russischen Fernsehen. Dort waren die Kommentare deutlicher, als in deutschen Medien.

Ich habe die offizielle Erklärung Russlands von letzter Woche auf die neuen Sanktionsdrohungen der USA bereits übersetzt. Der O-Ton in Russland ist Unverständnis über die fehlende Reaktion aus Europa. Man beobachtet in Russland mit Verwunderung, wie die USA inzwischen auch ihre angeblichen engen Verbündeten mit Sanktionen bestrafen, wie sie es sonst mit angeblichen Diktatoren tun. Eigentlich müsste auch der letzte Transatlantiker nun gemerkt haben, dass es den USA nur um ihren eigenen Vorteil geht und dass sie zur Erreichung ihrer Vorteile auch vor Angriffen auf angebliche Verbündete nicht zurückschrecken. Und wer braucht ernsthaft solche „Verbündeten“?

Die USA versuchen indessen in der Manier einer Kolonialmacht, Widerspenstige durch Druck auf Linie zu bringen, ganz so, wie es das britische Empire vor 150 Jahren in Indien mit widerspenstigen Regionalherrschern getan hat.

Aber wer den Bericht des russischen Fernsehens liest, der stellt fest, dass darin auch eine gewisse Hoffnung mitschwingt, denn man kann die Erklärung von Bundesaußenminister Maas auch so verstehen, dass Deutschland für den Fall der Umsetzung der US-Drohungen mit einem Ende der anti-russischen Sanktionen der EU droht. Das halte ich zwar für sehr optimistisch, denn dass der deutsche Bundesaußenkasper Heiko Maas Rückgrat hätte, ist mir bisher nicht aufgefallen. Aber trotzdem habe ich diesen Bericht des russischen Fernsehens von Sonntagabend übersetzt, damit sich jeder Interessierte eine eigene Meinung bilden kann.

Beginn der Übersetzung:

USA vs. EU: Alte Strafen und eine letzte Hoffnung

Ein Beispiel für unfairen Wettbewerb kam vom europäischen Gasmarkt. US-Außenminister Mike Pompeo forderte in einem Ultimatum, dass europäische Unternehmen, die an „Turkish Stream“ und „Nord Stream-2“ beteiligt sind, „aus dem Projekt aussteigen, sonst erwarten sie harte Sanktionen“. Und das, obwohl die Projekte fast fertig gestellt sind und die Unternehmen bereits Milliarden von Euro und Dollar in sie investiert haben. Das ist mehr, als die Standardangriffe auf die wirtschaftlichen Interessen eines potenziellen Gegners, das ist der Versuch, den engsten und langjährigsten Verbündeten in die Suppe zu spucken. Wie haben die Verbündeten geantwortet? (Anm. d. Übers.: Informationen über das in Deutschland recht unbekannte Projekt Turkish Stream finden Sie hier)

Ein Bericht unseres Korrespondenten aus Deutschland.

Die neue, schreckliche Bestrafung, die die USA den Teilnehmern des Nord Stream-2-Projekts und der zweiten Stufe von „Turkish Stream“ androhen, ist gar nicht so neu. Zumindest, wenn man bedenkt, dass es den Artikel 232 des Anti-Amerika-Sanktionsgesetzes schon länger gibt.

Je schlechter die Lage in den Vereinigten Staaten wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass Trump vor dem Hintergrund der Präsidentschaftswahlen einen Sanktionskrieg beginnt. Außenminister Pompeo stellte kürzlich ein Ultimatum: „Versuche, in unsere Demokratie einzugreifen, werden schlimme Folgen haben“, sagte er.

Rückwirkende Sanktionen sind ein neues Wort in der Geschichte der Verwendung dieses Instruments, das beim Schlüsselprinzip des Investitionsschutzes keinen Stein mehr auf dem anderen lässt. Nach Meinung von Experten besteht bei Turkish Stream eine direkte Bedrohung nur für das Joint Venture von Gazprom und Serbiagas, die rund anderthalb Milliarden Euro investiert haben. Die Sanktionen gegen die Teilnehmer von Nord Stream-2 bedrohen 120 europäische Unternehmen. Sie stehen vor der Gefahr, Geld zu verlieren, weil die Amerikaner Russland aus dem europäischen Gasmarkt drängen wollen.

Zu den ersten, die auf die nächste Reihe von Drohungen reagierten, gehörte der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft, in dem deutsche Unternehmer zusammengeschlossen sind, die mit Russland Geschäfte machen: „Die Androhung sofortiger US-Sanktionen gegen europäische Unternehmen, die an Nord Stream-2 teilnehmen, zeigt, auf welch unglaublich niedrigem Niveau die transatlantischen Beziehungen sind: Diese beispiellose amerikanische Intervention in die europäische Energiesouveränität wird zu Versorgungsengpässen und damit zu überhöhten Preisen führen.“

Insgesamt ist Europa sich darüber im Klaren, dass der Tausch von billigem russischen Kraftstoff durch teures Flüssiggas aus den Vereinigten Staaten europäische Unternehmen und Haushalte treffen wird. Es ist noch nicht klar, wie die Co-Investoren von Gazprom, OMV, Engie, Uniper, Wintershall und Shell, die jeder 950 Millionen Euro in Nord Stream 2 investiert haben, die Risiken bewerten, die ihnen niemand erstatten wird, wenn sie das Projekt verlassen sollten. Die Geschäftsführung des gemeinsamen Unternehmens hat sich bisher nicht geäußert.





Aber es gab bereits einen Fall in der Geschichte von Nord Stream 2, bei dem die Erpressung funktioniert hat. Ende letzten Jahres gaben die USA der Schweizer Firma Allseas, deren Schiffe die Pipeline verlegten, eine letzte Warnung. Die Amerikaner drohten, Vermögenswerte zu beschlagnahmen, Konten zu sperren und Visa zu beschränken. Die Schweizer waren bekamen Angst und schwammen davon.

Und dann erschienen die russischen Rohrverlegungs-Schiffe „Akademik Tscherski“ und „Fortuna“ am Horizont, um die fehlenden 130 Kilometer der Gasleitung zu Ende zu bauen. Jetzt liegen sie im deutschen Hafen Mukran und können schon Anfang August aufs Meer hinausfahren. Dänemark hat vor kurzem den beiden Schiffen die technische Genehmigung für den Anker-Betrieb in seinen Hoheitsgewässern erteilt. In der Ostsee wurden einst Fässer mit chemischen Waffen versenkt, solche Unterwasserobjekte stehen der Gaspipeline nicht im Weg. (Anm. d. Über.: Zur Verlegung der Pipeline müssen die Schiffe ihre Position exakt halten können. Die schweizer Schiffe konnten das mit ihrer Schrauben leisten, die russischen Schiffe müssen dazu während der Verlegung mit Ankern auf Position gehalten werden.)

Aber die USA werden zusätzlich zu den extraterritorialen Sanktionen versuchen, weitere Hindernisse aufzubauen. Demnächst reist Pompeo nach Kopenhagen. Natürlich mit subversiven Zielen, obwohl seine Mission schwer zu erfüllen ist. Im vergangenen Jahr hat Dänemark „Nord Stream“ bereits viele Probleme bereitet, als es die Genehmigung zur Verlegung der Rohre in seinen Hoheitsgewässern grundlos verzögert hat.

In Deutschland sorgte das für große Irritationen. Und Dänemark wird sich, wenn es sich entschließt, so etwas zu wiederholen, nicht nur gegenüber Berlin in eine radikale Opposition stellen, sondern dank Merkels Bemühungen jetzt auch gegenüber Brüssel.

Die europäische Reaktion auf Pompeos Drohungen zeigte die Verschärfung in dem Konflikt deutlich. Verklausuliert sagte der deutsche Außenministers Heiko Maas: Amerikanische Sanktionen gegen europäische Unternehmen stellen die Einheit des Westens bei Sanktionen gegen Russland in Frage:

„Die europäische Energiepolitik wird in Europa gemacht, nicht in Washington. Wir lehnen extraterritoriale Sanktionen entschieden ab. Wir halten es für falsch, Sanktionen gegen Partner zu verhängen. Wir brauchen einen gemeinsamen transatlantischen Standpunkt zu den Sanktionen gegen Russland. Die heutige Entscheidung der amerikanischen Regierung erschwert diese Bemühungen zusätzlich“, sagte Maas.

Deutschland spielt nach wie vor eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung der EU-Sanktionspolitik. Sechs Jahre dachte man in Berlin, man stünde auf der Seite der Vereinigten Staaten, aber jetzt eröffnet Trump eine zweite Front gegen sie.

Der EU-Außenbeauftragte Borrell sagte, die EU entwickle Gegenmaßnahmen. Details wurden nicht genannt. Die stärkste europäische Antwort könnte jedoch die teilweise oder sogar vollständige Aufhebung der anti-russischen Sanktionen sein. Das ist jetzt natürlich illusorisch, obwohl bereits einige Veränderungen zu beobachten sind.

Aber die größte Hoffnung Deutschlands und der Europäischen Union ist, dass sie nicht antworten müssen: Dass vor den US-Wahlen keine Sanktionen erlassen werden und dass Trump nicht wiedergewählt wird und dass die Demokraten aufhören, den Europäern ihr Flüssigerdgas aufzuzwingen und sich in ihre Energiepolitik einzumischen, wenn sie an die Macht kommen. Das ist keine sehr starke Position, obwohl eine solche Entwicklung immer noch möglich ist.

Ende der Übersetzung

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Führen die neuen US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 zum Ende der Russland-Sanktionen der EU?
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1 Kommentar

  1. Die Korrupten in  der Politik in der EU und BRD werde natürlich wieder einknicken. Damit ist aber dem letzten Deppen klar, dass EU-Europa wirklich nur ein weiterer Bundesstaat der verbrecherischen USA ist.

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