Der König ist tot, es lebe der …

Von Gert Flegelskamp

Die Überschriften dieser letzten 4 Tage müssten lauten: Nu isser wech! Nu ham mern doch! Nu isser wech bezieht sich auf Wulff, der sich offenbar überschätzt hat. Er hat nicht die Qualitäten eines Helmut Kohl, alles auszusitzen. Als die Staatsanwaltschaft an seiner Immunität zu nagen begann, hat er aufgegeben. Aber er hat ja auch schon vorher falsch reagiert, indem er versucht hat, sich zu rechtfertigen. Warum hat er nicht einfach gesagt, er könne dazu nichts sagen, denn er habe seinen Freunden sein Ehrenwort gegeben?

Nun habe ich in der Presse oft gelesen, Wulff habe dem Amt des Bundespräsidenten schweren Schaden zugefügt. Wenn die Presse das schreibt, verstehe ich das ja noch. Schließlich schreibt sie, was wir denken sollen und zwar sehr erfolgreich, denn auch in den Leserkommentaren habe ich das oft gelesen. Warum, so frage ich mich, fordern wir nicht endlich, wieder einen König zu bekommen? Denn die Beschädigung eines Amtes ist ein Relikt aus den Zeiten des Feudalismus, in der ein Amt Teil der Aura seiner allergnädigsten Majestät war.

In einer Demokratie allerdings sollte jede Form eines Amtes nicht mehr sein, als Bestandteil einer verwaltungstechnischen Einrichtung ähnlich einem Baum. Den Wald schert auch nicht, welches Tier sich an welchem Baum schubbert. Ausgenommen natürlich, das Tier ist ein Mensch mit buntem Helm, Keilen und Kettensäge.

Der arme Wulff. In der Presse (ZEIT) habe ich gelesen, dass der arme Kerl sich von ganz unten hochgearbeitet hat. Während seines Studiums sah man ihn büffeln, während seine Studienkollegen feierten oder sich mit Studienkolleginnen amüsierten. Was muss der Schreiber oder die Schreiberin nur für Finger haben, um sich solche Texte daraus zu saugen? Es hat eher Seltenheitswert, dass Studierende von „ganz unten“ kommen und auf Wulf traf das in keinem Fall zu, denn dessen Vater war Jurist. Halt, das gibt mir zu denken! Wollte der Schreiber- die Schreiberin – damit etwas völlig anderes ausdrücken, so eine Art subtile Gesellschaftskritik? Nein, ich denke nicht. Ich denke, das war eher eine übliche Art schwülstiger und gleichzeitig nichtssagender Kommentar, um die vorgeschriebe Zahl der Wörter oder Zeichen für einen Presseartikel zusammen zu bekommen. Auch das „büffeln“, wenn andere feierten, deutet eher auf eine weniger schnelle Auffassungsgabe hin, denn auf besonderen Fleiß. Man kennt das doch aus anderen Fällen, in denen die Eltern gegenüber ihren Kindern eine Erwartungshaltung an den Tag legen, die diese nicht unbedingt erfüllen können. Der Mediziner, dessen Sohn oder Tochter nun auch Medizin studieren muss, der Jurist, dessen Sohn oder Tochter nun auch Jurist werden muss, ohne Rücksicht darauf, ob das dem Nachwuchs nun gefällt oder nicht und ob dafür überhaupt die Eignung vorhanden ist. Und da würde ich das zusätzliche Büffeln im Vergleich zu Wulffs Studienkollegen eher verorten wollen, denn in meinen Augen war Wulff immer ein blasser Typ. Vermutlich wäre er auch in der Politik nicht nach vorne gekommen, wäre er nicht das Protegé von Kohl gewesen.

Wie auch immer, dank Merkel wurde er Bundespräsident und damit der erste Mann im Staate. Auch so eine schwülstige und unstimmige Formulierung, denn seine Funktion wird dieser Aussage nicht gerecht. Er repräsentiert, was man auch so übersetzen könnte, dass er versucht, seinen ausländischen Gästen ein Bild dieses Landes zu vermitteln, das fernab der Realität ist. Gelegentlich veranstaltet er Partys, auf denen die Leute zusammengebracht werden, die sich gegenseitig „befruchten“, also z. B. Wirtschafts- und Bankmanager mit Politikern und höheren Beamten, mit der das Prinzip der sich gegenseitig waschenden Hände zum Gegenteil einer Reinigung wird. Deshalb war Wulff ja eigentlich der richtige Mann für den Posten, denn darin hatte er schon ein wenig Erfahrung. Doch nu isser wech und deshalb kann man nun sagen: „nu ham mern doch“, nämlich den Gauck, den Bundespräsidenten der Herzen, wie die Presse und vor allem die BILD weiß. Ich scheine kein Herz zu haben, denn trotz eifriger Suche habe ich Gauck dort nicht gefunden. Lt. einer von BILD in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage, wünschten sich 54% der Deutschen Gauck als Bundespräsident. Hätte BILD mich gefragt, wären es vermutlich nur noch 53,5% gewesen, denn bei repräsentativen Umfragen werden in der Regel ca. 1.000 Leute befragt und das Ergebnis durch Hochrechnung auf die ca. 60 Millionen Erwachsenen übertragen. Schummeln geht dabei nicht, denn diese Umfragen sind ja repräsentativ. Wie die Zusammenstellung einer solchen Umfrage ist, weiß ich natürlich nicht. Ich muss also meine Phantasie benützen. Man befragt:

  • 5% Arbeitslose, die regelmäßig BILD lesen
  • 5% Arbeitnehmer mit einem Einkommen unterhalb Hartz IV-Niveau, die regelmäßig BILD lesen
  • 20% sonstige Arbeitnehmer, die regelmäßig BILD lesen
  • 20% Freiberufler (Ärzte, Apotheker, Juristen usw.), die regelmäßig BILD lesen
  • 15% Beamte, die regelmäßig BILD lesen
  • 15% Rentner, die regelmäßig BILD lesen
  • 10% Landespolitiker, die regelmäßig BILD lesen
  • 10% Bundespolitiker, die regelmäßig BILD lesen

Doch wie gesagt, diese Zusammensetzung entspringt nur meiner Phantasie und ist deshalb nicht ganz so repräsentativ. 46% der Deutschen sind offenbar herzlos, denn sonst hätten sie auch für Gauck gestimmt. Allerdings frage ich mich, was wissen wir eigentlich über diesen Mann? Eine Frage, die sich sowohl Befürworter als auch Gegner stellen sollten. Ich kann das nur für mich beantworten: Eigentlich nichts. Ich weiß, dass er Theologe ist und das gibt bei mir Abzüge, weil diese Leute in der Regel predigen und meist Dinge, an die sie sich selbst nicht halten. Allerdings ist diese Fähigkeit für einen Bundespräsidenten wieder von Vorteil, denn wenn er sich einmal im Jahr an das dumme Volk wendet, angesichts des anstehenden Weihnachtsfestes, dann ist das ja auch eine Predigt und wir alle wissen, dass die Hinwendung zu Gott bei den meisten Politikern besonders ausgeprägt ist, vor allem bei unserer mehrheitlich christlichen Regierung. Ansonsten habe ich gelegentlich mal Aussagen von ihm gelesen, über die Dummheit von Demonstranten, über seine Ansichten zum deutschen Militäreinsatz in Afghanistan und über seine Ansichten zu den Solidarsystemen, mit denen ich mein Nein zu seiner Wahl durchaus begründen kann.

Andererseits ist es mir eigentlich egal, denn seine Weihnachtsansprache tue ich mir ohnehin nicht an und ansonsten bewirkt er ohnehin nicht viel. Er tut, was alle anderen vor ihm auch taten. Nämlich seine Unterschrift unter Gesetze setzen, die eigentlich mit einer Demokratie nicht in Einklang zu bringen sind und das dürfte der Hauptgrund sein, warum Angela Merkel dieses Mal seiner Wahl zugestimmt hat. Bei der letzten Wahl war es eine Frage des Machtbeweises, dieses Mal ist es wohl vor allem bereits Wahltaktik. So glaubt der dumme Wähler, dass sie mit ihrer Zustimmung zu Gauck Einsicht zeigt, eine Eigenschaft, die man von Kanzlern nicht kennt. Und was weiß der dumme Wähler schon von Taktik, vor allem dann, wenn man niemanden sonst an der Hand hat, der Zustimmung in der Bevölkerung findet. Was weiß der Wähler schon von der Zusammensetzung der Bundesversammlung und von der inzwischen nur noch hauchdünnen Mehrheit, die Merkel dort hat? Dank Schwenk der FDP hätte sie ohnehin keinen eigenen Kandidaten mehr durchgebracht.

Wenn ich vom dummen Wähler spreche, dann meine ich das auch so, denn damit meine ich die Wähler, die CDU/CSU, FDP, SPD oder Grüne wählen Pispers hat das mal sehr schön zum Ausdruck gebracht. Er hat gesagt, 80% der Deutschen sei für den Mindestlohn, 80% der Deutschen sei gegen den Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan, 80% der Deutschen wollten die schlimmsten Auswirkungen der Hartz-Reform rückgängig machen, aber nur 14% würden die Partei wählen, die all die Themen in dieser Form verlangt. Das war 2008 oder 2009, jetzt wählen gerade noch 6 oder 7% diese Partei. Und Pispers hat recht. Der Rest der Wähler weiß, dass er immer wieder die Parteien wählt, die all das zu verantworten haben. Richtig, da sind ja noch die Nichtwähler, Aber die wählen auch diese Parteien, eben deshalb, weil sie nicht wählen gehen. Denn je mehr Menschen nicht wählen gehen, umso höher fallen die prozentualen Ergebnisse der gewählten Parteien aus.

So gesehen ist mir die Wahl von Gauck zum Bundespräsidenten völlig gleichgültig. Hätte ich im frühen Mittelalter gelebt und eine Schiffstour unternehmen müssen, hätte ich mich von der Seetüchtigkeit des Bootes überzeugt und die am Bug angebrachte Galionsfigur wäre mir dabei völlig gleichgültig gewesen. Und das ist Gauck nun für Deutschland, eine Galionsfigur, die gelegentlich fromme Sprüche ablässt, mehr nicht.

Quelle: http://www.flegel-g.de/2012-02-20-Gauck.html

(Visited 13 times, 1 visits today)
Der König ist tot, es lebe der …
0 Stimmen, 0.00 durchschnittliche Bewertung (0% Ergebnis)