TTIP und Vorläufer

von Gert Flegelskamp (flegel-g)

Einer Umfrage nach soll fast die Hälfte der Deutschen pro TTIP sein, so berichtet der Spiegel.

Amüsiert stelle ich fest, dass ein deutsches Presseorgan schreibt, die Umfrage könne „geschönt“ sein.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Umfrage im Sinne des Auftraggebers verzerrt wurde. Dabei handelt es sich nämlich um die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, die das Abkommen eher kritisch sieht.

Erstmalig wird in der Presse darauf verwiesen (zumindest habe ich das noch nie zuvor gelesen), dass eine Umfrage möglichweise nicht die korrekten Ergebnisse vorweise. Allerdings hatte der Spiegel mit seinem Beitrag CDU rechnet sich TTIP-Prognosen schön auch schon die euphorischen Darstellungen einiger TTIP-Anhänger in der CDU verrissen.

Ich denke, bei Umfragen wird immer gemauschelt, denn diese Umfrage-Institute wollen ja Folgeaufträge und da sollte dann das Ergebnis den Wünschen des Auftraggebers schon entgegenkommen. Bei Umfragen spielt die Art der Fragestellung die entscheidende Rolle für das gewünschte Ergebnis. Und wenn man Leute zu Themen befragt, die nichts darüber wissen, kann man sie leicht mit den Fragen dazu bringen, sich pro oder contra zu verhalten, ganz wie ein Auftraggeber es wünscht.

Was wir haben müssten, ist eine politisch interessierte Gesellschaft, die nicht nur das politische Geschehen beobachtet und analysiert, sondern auch der Politik energisch auf die Finger klopft, wenn sie gegen die Interessen der Bevölkerung arbeitet. Na ja, ich bin eben ein Tagträumer.

TTIP ist nur ein Thema von vielen. Lt. EU hat man bereits CETA abgeschlossen, das ist das Äquivalent zu TTIP mit Kanada und wurde genau so geheim verhandelt, wie das bei TTIP der Fall ist. Danach kommt TISA, wenn nicht bereits jetzt darüber verhandelt wird.

Falls TTIP momentan scheitern sollte, haben die Amis ja noch CETA und spielen dann das Spiel über die Bande. Dazu reichen Briefkastenfirmen, die US-Konzerne in Kanada einrichten. Aber CETA haben wir und vor allem die Presse, völlig aus den Augen verloren. Wirklich? Oder soll der Hype über TTIP derzeit von CETA ablenken, bis man das auch in allen europäischen Staaten verankert hat? Das halte ich für sehr wahrscheinlich, aber ich glaube, darüber kungelt man in der EU mit den Räten und der Kommission und hat bei dieser Kungelei alle Schotten dicht gemacht.

Folglich bleibe ich bei TTIP, obwohl man alles, was man zu TTIP sagen kann, eins zu eins auf CETA übertragen kann. Die Vorteile von TTIP? Die versprochenen Erfolge sind geradezu lächerlich und werden ganz sicher nicht erreicht. Im Gegenteil. Beim NAFTA-Abkommen zwischen Kanada, Mexiko und den USA wurde das absolute Gegenteil der Versprechungen erreicht (einfach mal bei WIKIPEDIA nachlesen).

Mehr Menschen müssten sich für die Wurzeln von TTIP, TISA, CETA usw. interessieren. Die liegen weit in der Vergangenheit. GATT ist die Haupt-Wurzel und kaum ein Mensch weiß, was mit GATT beschlossen wurde. Man tut sich auch schwer, den Vertragstext auf Deutsch zu finden. GATT war ein unmittelbar nach WK II abgeschlossener Vertrag über ein Zollsenkungs- und Handelsabkommen. In seiner Gefolgschaft entstanden der IWF und die Weltbank, die, im Gegensatz zu GATT keinen Vertragscharakter mehr hatten, sondern als supranationale Organisationen ins Leben gerufen wurden. Das bedeutet, sie haben einen völkerrechtlichen Status, ohne Staat zu sein, sind (meine Sicht) also Vorboten einer NWO (Neue Weltordnung). 1995 wurde dann die WTO gegründet und sie wird oft als Nachfolgeorganisation von GATT bezeichnet, was aber nicht stimmt. GATT ist noch immer ein in vollem Umfang gültiger Vertrag. Die WTO hingegen ist auch als supranationales Gebilde aufgestellt und wer sich an den ESM-Vertrag erinnert, sollte noch wissen, dass diese Gebilde ihre eigene Gerichtsbarkeit haben. Das ist der eigentlich Kern solcher supranationalen Einrichtungen. Sie gehören zu keiner Nation, haben aber dank völkerrechtlichem Status eine Art eigenes Rechtssystem, das ISDS (Investor-state dispute settlement). Damit operieren sie außerhalb nationalen Rechts. Das funktioniert in etwa so:

Ob CETA, TTIP oder GATS, es sind alles bilaterale Abkommen und alle enthalten ISDS oder gleichartige Regelungen, beschönigend als „Investitionsschutzabkommen“ bezeichnet. Danach müssen Investitionen, die ein Konzern in einem anderen Staat tätigt, unbedingt höchsten Schutz genießen. Das bedeutet, wenn eine Firma in einem Land irgendwelche Privilegien hat, ist das für den Investor ein Handelshemmnis und berechtigt ihn dazu, gegen diesen Staat ein „Streitbeilegungsverfahren“ anzustrengen, mit dem Ziel, in vollem Umfang die gleichen Rechte im Gastgeberland in Anspruch nehmen zu können. Die nationalen Gerichte sind dafür aber nicht zuständig, sondern extra eingerichtete Schiedsgerichte. Infrastruktur und Regeln für solche Verfahren werden vom ICSID (International Centre for Settlement of Investment Disputes) zur Verfügung gestellt, womit wir wieder bei der Weltbank landen, denn ICSID ist ein Unternehmen der Weltbankgruppe.

Erinnern Sie sich an Jean-Claude Juncker und seinen Spruch:
Das einzige Mittel, etwas Demokratisches demokratisch zu stoppen, ist Geschrei und Aufstand! „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Hier haben Sie das praktische Beispiel. Bereits unmittelbar nach dem 2. WK wurden die Weichen zu einer NWO (Neue Weltordnung) gestellt, indem man solche supranationalen Organisationen ins Leben rief, die sich außerhalb nationaler Gerichtsbarkeit bewegen. GATT und Freihandel waren Köder, nach dem die Staaten dieser Welt gierig schnappten. Schließlich hört sich Freihandel ja auch prima an. Inzwischen kommt man dahinter, dass dieser Handel alles andere als frei ist, denn die Investitionsschutzabkommen sichern den multinationalen Konzerne einen Handel bar aller Risiken, aber mit Rechten zu, über die derzeit noch nicht einmal Staaten verfügen. Und mit den genannten Vorhaben wird die Macht von den Staaten Scheibchen für Scheibchen auf Konzerne übertragen.

Bereits die WTO hat kurz nach Ihrer Gründung ein Programm mit Namen GATS (Generalized Agreement on Trade in Services) verabschiedet, einziger Zweck, alle staatlichen Systeme die Dienstleistungen beinhalten, außer den hoheitlichen Aufgaben, zu privatisieren. Hoheitliche Aufgaben sind Polizei und Militär. Schon die Verwaltungen in Bund und Ländern sind Aspiranten für eine Privatisierung, auf die übrigens Bertelsmann intensiv reflektiert. Aber GATS enthält noch Ausstiegsklauseln und ich unterstelle mal, dass diese Klauseln mit TISA ausgehebelt werden, so wie bereits bei TTIP die Forderung im Raum steht, dass eine Privatisierung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Nun herrscht ja in der Bevölkerung der weit verbreitete Irrglaube, die Privaten könnten es besser als der Staat. Vielleicht stimmt das sogar, aber dass sie es besser könnten, bedeutet ja nicht, dass sie es besser machen, weil das mit Kosten verbunden wäre und die Profite schmälern würde.

Würden Bevölkerungen nicht nur nicken oder auch mal den Kopf schütteln und sich stattdessen kümmern, wäre vieles anders. Ein kleines Gedankenspiel sollte Sie dazu animieren, mal zu überlegen, welcher Unterschied wirklich zwischen Staat und Privatwirtschaft besteht.

Der Staat hat lt. Amtseid die Aufgabe, dem Volke zu dienen und das Wohl des Volkes zu mehren. Er hält sich nicht daran, weil man ihn gewähren lässt und aufgrund von Wahlversprechen immer wieder die gleichen Leute wählt. Die Verwirklichung der Wahlversprechen, soweit sie überhaupt erfolgt, stellt sich letztendlich ganz anders dar, als der Bürger es sich anhand der Aussagen des Parteiprogramms dachte. Beispiel, die Aussage der SPD vor der Wahl zur Mütterrente. Stand im Parteiprogramm etwas davon, dass dieses Vorhaben die Beitragszahler alleine zahlen werden?

Die Privatwirtschaft hat die Aufgabe, Gewinne für die Eigentümer zu erwirtschaften, egal, ob die Bevölkerung davon einen Nutzen hat. Dank Shareholder Value (das ist die Aufteilung eines Unternehmens in Form von Aktien auf viele Eigentümer) werden AGs von Vorständen geleitet, die ihre Aufgabe in kurzfristig erzielten und möglichst hohen Profiten sehen (davon hängen auch ihre Phantasiegehälter und märchenhaften Bonuszahlungen ab). Langfristige Strategien sind da in der Regel nur hinderlich und im Zweifelsfall wird ein Unternehmen geschlossen oder an eine Heuschrecke verkauft. Die Folgekosten durch Steigerung der Arbeitslosigkeit tragen wir alle und auch die Steuervermeidung, indem man sich die Kosten für Entlassungen durch steuerliche Abschreibungen subventionieren lässt, macht uns zum Zahlmeister.

Die meisten von uns sind auch dumm genug, die Privatisierung staatlicher Unternehmungen gut zu finden, weil unsere Staatsdiener einen Trick anwenden, mit der sie die Privatisierung attraktiv erscheinen lassen. Sie steigern die Bürokratie und sorgen dafür, dass es möglichst viel Kritik an solchen Unternehmen gibt und schon schreit eine Mehrheit nach den Privaten. Das die Presse bei diesen Machenschaften Schützenhilfe leistet, versteht sich von selbst. Schließlich bringt der Ruf der Presse nach der Privatisierung Geld in Form von Werbe-Anzeigen für das jeweilige Blatt. Allerdings frage ich mich, ob die Befürworter von Privatisierung es genau so toll finden, wenn sie selbst eines Tages privatisiert werden und im Ausweis steht: „Eigentum von Unilever“ oder der Name eines anderen aus der Riege der Mammutkonzerne.

Wenn Sie noch ein Beispiel wollen, wie recht Juncker mit seiner Aussage über die Verwirklichung von Politik hat, liefert gerade das Thema Maut ein probates Beispiel. Der Bund hat im Juni 2008 (rot-grün) das ÖPP-Beschleunigungsgesetz geschaffen. ÖPP (englisch PPP) ist die Abkürzung für Öffentlich-Private-Partnerschaft und in der Realität eine Verschuldung in Form einer Art Mietvereinbarung, die den Banken dauerhafte Zahlungen für Kredite garantiert, die zuvor von den beteiligten Unternehmen aufgenommen und danach von der öffentlichen Hand zurückgezahlt werden. Das heißt, die öffentliche Hand erteilt Unternehmen einen Auftrag für irgendein Projekt (häufig die Sanierung von Schulen), die Unternehmen nehmen für diesen Auftrag Kredite auf, verkaufen die Rechte aus dem Vertrag dann an die Banken, über die dann die öffentliche Hand mit der Bank vertraglich die Zahlungen der Raten vereinbart.

2002 hat dann der SPD-Verkehrsminister Bodewig mit TollCollect das erste Mautsystem (LKW-Maut) unterzeichnet. Nun kommt der nächste Schritt, dank CSU-Verkehrsminister Dobrindt, der nun ein neues Mautverfahren installieren will. Vielleicht rennt er dieses Mal noch gegen die Wand, aber kommen wird das in jedem Fall. Ist das Geschrei dann abgeklungen, kommt der nächste Schritt, die Maut für alle Straßen und Autobahnen, zumindest die des Bundes, natürlich mit ellenlangen Zeiträumen der Betreibung dieser Staaten durch die Privaten. Wer beachtet dann noch eine kleine Zeitungsnotiz, die uns informieren soll, dass die eine oder andere Straße oder Autobahn privatisiert wurde, zahlen wir zuvor doch ohnehin schon die Maut seit längerer Zeit.

Ja, Juncker ist ein Intelligenter Mann und aus meiner Sicht auch recht skrupellos. Aber das gilt sicherlich für viele andere führende Politiker, wenn nicht für alle.

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