ESM-Aufstockung: Inkompetenz oder heimliche Absichten?

von Niki Vogt

Nicht einmal zwei Wochen ist der Richterspruch aus Karlsruhe her. Obwohl die gesamte Konstruktion des ESM nach Ansicht hochangesehener Juraprofessoren und Staatsrechtler eindeutig verfassungswidrig ist, kam es so, wie eigentlich alle erwartet haben: Ein „Ja, aber-Urteil“ das mit Einschränkungen den ESM-Vertrag billigt. Die Beschränkung der deutschen Einlage und Haftung auf 190 Milliarden Euro hat natürlich die geplante Feuerlöschkanone ESM auf der Stelle in eine Wasserpistole verwandelt, die den Brand im Gebälk der Währungsunion nicht löschen kann.

Und, siehe da, sehr schnell zeigt sich schon, dass uns offensichtlich mit der „harmlosen“ Summe von 190 Milliarden Euro als Beitrag für den Rettungsfonds Sand in die Augen gestreut werden sollte.

Natürlich wurde Druck auf die Richter ausgeübt. Nicht nur in Deutschland, in der ganzen Welt hielt man die Luft an, ob der Richterspruch aus Deutschland das gesamte Rettungskonzept des ESM als verfassungswidrig einstufen und damit einen finanzpolitischen Erdrutsch auslösen würde. Schon vor dem Urteil genierte sich die deutsche Regierung einschließlich Bundespräsident Gauck nicht, öffentlich zu verkünden, das Bundesverfassungsgericht werde sich dem ESM nicht in den Weg stellen. Ein beispielloser Vorgang. Die Verfassungswidrigkeit des ESM steht nach Ansicht maßgeblicher Fachleute außer Zweifel. Der Experte für EU-Recht, Gunnar Beck, wies in der „Welt“ darauf hin, dass der ESM-Vertrag eindeutig rechtswidrig ist: Er begründet nämlich ein System, in dem durch Immunität geschützte ESM-Banken über hohe Summen nationaler Steuergelder verfügen und die Kontrollrechte der nationalen Parlamente umgehen können. Damit und durch die Schuldenvergemeinschaftung verstößt der ESM gegen Grundgesetz wie EU-Verträge.

Die Griechenlandhilfe sowie auch der EFSF, waren eine Art Kredite, von denen man noch zumindest theoretisch behaupten konnte, dass die Empfänger sie zurückzahlen müssen. Der ESM ist in entscheidenden Teilen von vornherein als Einstieg in eine dauerhafte Transferunion angelegt, was im Klartext eine direkte Rekapitalisierung der Banken bedeutet.

Indes, das Urteil kam nicht überraschend. Schon der Eintrag in Wikipedia unterAndreas Voßkuhleist informativ: schneller kann man gar nicht die Karriereleiter hinaufschießen. Aus den dürren Zeilen drängt sich der Verdacht des Protegismus geradezu auf.
Er bekleidet nach einer einem steilen Aufstieg seit 1999 einen Lehrstuhl an der Uni Freiburg, wo er zusammen mit Barroso und Schäuble im Kuratorium der neuen Universitätsstiftung Freiburg sitzt. Voßkuhle wurde 2006 Dekan an der Freiburger Uni und bereits 2007 zum Rektor der Universität gewählt und bereits 2008, im Jahr darauf, ins höchste Richteramt, an das Bundesverfassungsgericht berufen. Das Ganze war eine politische Machtprobe, bei der Frau Merkel ihren Kandidaten durchboxte. Am liebsten hätte sie Voßkuhle als Bundespräsident gesehen, was dieser aber ablehnte.

Der Jurist Voßkuhle hatte sich zwar im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht mit richtungsweisenden wissenschaftlichen Arbeiten hervorgetan, aber er war mit einem Kommentar zum Grundgesetz aufgefallen, in dem er die Abschaffung derVerfassungsbeschwerdebefürwortete. Eine Überzeugung, die ihn zum geeigneten Mitstreiter der Bundeskanzlerin mit ihrer undemokratisch-alternativlosen Europapolitik macht.

Es war auch sicher nicht nachteilig für Professor Voßkuhle, zusammen mit Barroso und Schäuble im Kuratorium der Universitätsstiftung Freiburg zu arbeiten. Man kommt sich so doch beruflich und menschlich näher, was auch das gegenseitige Verständnis für die Erfordernisse der Politik und Machterhaltung vertieft. Und so fragten sich auch Unterstützer des Eilantrages von Peter Gauweiler gegen den ESM „Wenn das nicht den Anfangsverdacht einer Befangenheit unseres Verfassungsrichters Voßkuhle begründet?

Nun haben wir also seit etwa zwei Wochen das „Ja, aber“-Urteil, und siehe da, der Euro ist mitnichten gerettet. Denn nun entpuppt sich die Kriegskasse des ESM von 500 Milliarden als das, was sie schon immer war: Eine vorläufige Anfangsausstattung. Damit war und ist die ganze Sache nicht zu retten, das war von vorneherein klar.

Also darf man zu Recht daraus folgern, dass ebenfalls von Anfang an geplant war, mit dem Werkzeug der „Nachschusspflicht“ die Gelder einzusammeln, die man wirklich braucht, um wenigstens eine Weile Ruhe in Euroland einkehren zu lassen.

Zwei Billionen sollen es sein, mit denen die Brandherde gelöscht werden. Es gibt ja auch genügend: Spanien, Italien, Griechenland, Portugal, Irland und Zypern.

Jetzt gräbt man die alte Idee, die schon beim EFSF nicht funktioniert hat, wieder aus: Eine „Hebelung“ soll das Geld in die Kassen spülen.

Dabei werden private Investoren gewonnen, die sozusagen mit Krediten in den ESM investieren. Da es aber nirgends etwas geschenkt gibt, heißt das, dass auch für diese Summen jemand haften muss. Wer das hauptsächlich sein würde, ist nicht schwer zu errate: Deutschland natürlich.

Nun wiegelt allerdings ausgerechnet Schäuble ab. Die Zahl von zwei Billionen sei in keiner Form nachvollziehbar, meint er. Die Opposition warnt derweil vor den Haftungsrisiken.

Die Aussichten, Investoren für den ESM zu finden, sind mehr als betrüblich. Das ist schon nicht beim EFSF gelungen, obwohl mit großem Aufwand und schicker Roadshow weltweit um Gelder geworben wurde. Der Erfolg blieb jedoch aus, eine Hebelung des ESFS kam nicht zustande.
Ob aber zwei Billionen Euro für ein Europa in derart schlechter Verfassung aufgetrieben werden können, darf sehr bezweifelt werden.

Der ESM hat aber noch andere Möglichkeiten, seine Kassen zu füllen. Von einer Banklizenz bis zur unbegrenzten Refinanzierung durch die EZB ist vieles möglich. In jedem Fall aber steht Deutschland mit den größten Haftungssummen von allen im Feuer.

Quelle: schildverlag 

 

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