Der Sieg der AfD

von Gert Flegelskamp (flegel-g)

Nein, ich hätte die AfD nicht gewählt, aber das beruht nicht auf den mitunter auf sehr niedrigem Niveau gehaltenen Artikeln der Presse, sondern mein Grund war fehlendes Vertrauen zu den Gründern der AfD, Lucke, von Storch, Henkel, Adam usw.

Nun wurde die AfD gewählt und das mit geradezu spektakulären Stimmanteilen für eine neue Partei. Offenbar ist es ihr auch gelungen, viele Nichtwähler wieder dazu zu bewegen, ihren Protest gegen die etablierten Parteien in Form einer Wahlentscheidung darzulegen, was ich seit geraumer Zeit immer wieder angemahnt habe. Außerdem hat es dazu noch eine ziemliche Wählerbewegung gegeben, von den etablierten Parteien hin zur AfD.

Nun zieht also die AfD in verschiedene Landesparlamente ein und man sollte respektieren, dass das aufgrund von Voten der Bürger in den jeweiligen Ländern geschah. Bevor die Landesparlamente sich konstituiert haben um erste politische Aktivitäten zu entfalten, zeugt jede Stimmungsmache seitens der Presse und auch seitens der Leser mit entsprechenden Kommentaren von einer Respektlosigkeit, die ich als verachtenswert empfinde.

Die von der Presse so gerne verwendeten Termini wie „rechtspopulistisch“ sind genau das, was man der AfD vorwirft, nämlich populistisch zu sein, um zu diskreditieren. Nachdem ich heute den Spiegel und vor allem die Leserkommentare (bis Nr. 36) im Spiegel(1) gelesen habe, habe ich den Eindruck, dass es nicht nur eine Wählerwanderung gegeben hat, sondern auch eine Leser-Wanderung, von der BILD hin zum Spiegel, denn ich fand etliche dieser Kommentare nicht nur unqualifiziert, sondern auch noch gehässig. Viele dieser Kommentare deuten darauf hin, dass den Kommentarschreibern offenbar entgangen ist, welche Politik die etablierten Parteien in diesem Jahrtausend betrieben haben. Dass der Spiegel sich ebenfalls immer mehr dem BILD-Niveau nähert, ist, so glaube ich, nicht nur mein Eindruck.

Werfen wir doch mal einen Blick zurück. Da sind die Grünen, die, bevor sie eine politischen Akzeptanz erhalten haben, sich als Friedensapostel, als Umweltfreunde, als Atomkraftgegner präsentierten, was ihnen eine Wählerklientel sicherte, die diese Forderungen unterstützten. Das brachte ihnen schließlich Wahlergebnisse ein, mit denen sie in die Parlamente einzogen und 1998 sogar zum Koalitionspartner der SPD auf Bundesebene machte. Dort wurde dann ein Joschka Fischer sogar Außenminister und Vizekanzler, ein Mann also, der sich zuvor als Taxifahrer durchgeschlagen hatte und politisch eher als Steineschmeißer Furore gemacht hatte. Abgesehen von Steinen war dagegen nichts einzuwenden, doch Fischer war wohl der Hauptverantwortliche für die Spaltung der Grünen, die sich zuvor als zwei unterschiedliche Gruppen präsentiert hatten, die Fundamentalen (Fundis), die auf den fundamentalen Gründerthemen beharrten, und die Realpolitiker (Realos), die eine Anpassung an die politische Realität forderten. Diese „Realpolitik“ gipfelte dann aber darin, dass die ursprünglichen Ziele dieser Partei (Frieden, Umwelt, alternative Energiepolitik) sich weitgehend in Rauch auflösten. Die Friedeninitiative wurde dank Fischer im Kosovo auf den Müll geworfen, der Umweltgedanke z. B. im Verkehrswesen durch Steuererhöhungen auf die Benzinpreise konterkariert, anstatt durch Auflagen an die KFZ-Unternehmen, den Benzinverbrauch der Motoren zu senken. Und als dann Kanzler Schröder das Lissabon-Projekt Agenda 2010 in Deutschland einbrachte und damit die drei maßgeblichen Reformen (Arbeitsmarktreform, Rentenreform und Gesundheitsreform) anleierte, bewiesen die Realos, was sie unter Realpolitik verstanden, nämlich alles abzusegnen, völlig losgelöst von der Frage, ob das wirklich „zum Wohle des Volkes“ war. Nein, wichtiger war es, den Platz an den Fleischtöpfen zu wahren und für Reformen zu stimmen, die ein Kohl sicherlich gerne gesehen hat, ohne sich aber zu trauen, sie auch zu verwirklichen.

Auch in der Finanzpolitik segneten die Grünen alles ab, was dem Unternehmertum und den Banken vermutlich Freudentränen entlockte. Da waren die Steuersenkungen, die die Unternehmen schon immer forderten, die dann aber erst von einer so genannten Arbeiterpartei (SPD) und einer Umweltpartei (Grüne) realisiert wurden.

Für die Unternehmen kamen noch etliche „Leckerli“ hinzu. Da waren die Zwangsmaßnahmen der Arbeitsmarktreform, mit denen Arbeitslose zu Rechtlosen und Erpressbaren wurden. Da war die Förderung privater Arbeitsvermittlungen, der Aufbau von Mini- und Midi-Jobs und weiteren Maßnahmen, mit denen Deutschland zum Niedriglohnland wurde.

Da war die Gesundheitsreform, mit der die Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung Stück für Stück zum sich ausweitenden Kostenfaktor und der Grundstein dafür gelegt wurde, dass Gesundheit zu einem von interessierten Kreisen überwachbaren Faktor (eGK) wurde, natürlich von den Beitragszahlern mit Milliarden zweckentfremdet finanziert. Zusätzlich wurde die paritätische Aufteilung der Krankenversicherungsbeiträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgekündigt mit dem Effekt, dass nun alle Beitragserhöhungen der Krankenkassenbeiträge einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer gehen, was Beitragserhöhungen durch die Kassen erheblich einfacher macht, denn die Arbeitgeber sind ja nicht mehr betroffen. Für Arbeitnehmer kommt das einer Lohn- und für Rentner einer Rentenkürzung gleich.

Und es war die Rentenreform, mit die beitragsfinanzierten Renten „abgeschmolzen“ und Zusagen für Direktversicherungen einfach gebrochen wurden. Dass die Politik ihre Maßnahmen mit einer Propaganda unterlegte, indem sie Rentner und Arbeitslose als Schmarotzer darstellte, wurde durch den Umstand erleichtert, dass sich die jüngeren Generationen, anstatt sich ernsthaft über das Rentensystem zu informieren, den von Presse und Unternehmen verbreiteten Parolen Glauben schenken und die Rentner für die verfehlte, wenn nicht gar kriminelle Rentenpolitik der etablierten Parteien verantwortlich machen. Ich nutze die Gelegenheit, hier nochmals darauf zu verweisen, dass die umlagenfinanzierte Rente das einzige reelle und sicherste Rentensystem ist und nur von innen heraus durch die Politik zerstört werden kann und dass es die von den etablierten Parteien ausschließlich auf die Förderung des Kapitals und der Konzerne betriebene Politik ist, um die Vorteile der durch Umlagen finanzierten Rente zugunsten privater und absolut unsicherer Rentensysteme abzuschaffen. Auch jede private Rentenversicherung ist ein Umlagesystem. Der Versicherte zahlt Beiträge an die Versicherung, die zweigt davon die Gehälter der Mitarbeiter und die Dividenden der Eigner der Versicherung ab, den Rest teilt sie auf verschieden Fonds auf und diese Fonds müssen dann Investitionsmöglichkeiten suchen, damit Renditen erwirtschaftet werden. Rüstungsunternehmen sind dabei eine gute Investitionsbasis, aber für sichere Anlagen wählen die Versicherungen lieber Staatsanleihen. Pech natürlich, wenn dann seitens der EU ein Null-Zins-Politik betrieben wird, denn dann fallen die Renditen flach. Anders bei der gesetzlichen Rente. Der Gesetzgeber nimmt die Beiträge der Versicherten und zahlt damit die aktuell fälligen Renten. Diese Renten sind mit einer Anpassung an das aktuelle Inflationsniveau verbunden. Da aber dieses Inflationsniveau automatisch auch Lohnerhöhungen für die Arbeitnehmer bedingt und diese Lohnerhöhungen wiederum die Beiträge in die Rentenversicherung steigert, ist auch die Rentensteigerung gesichert. Im Gegensatz zur privaten Rentenversicherung geht das Beitragsvolumen der Versicherten nicht erst auf eine lange Reise, was dieses Geld dem Wirtschaftskreislauf entzieht, sondern wandert direkt zurück in den Wirtschaftskreislauf in Form der Rentenzahlungen. Davon profitieren dann die Handelsketten, denn Rentner legen die Rente nicht unter die Matratze, sondern bestreiten damit alle für den Lebensunterhalt nötige Kosten (Lebensmittel, Getränke, Mieten, Fahrtkosten usw.). Von letzterem profitiert dann auch wieder der Staat, denn er kassiert Steuern vom Konsum der Rentner. Hinzu kommt, dass der mit der gesetzlichen Rentenversicherung verbundene Verwaltungsaufwand um ein Mehrfaches geringer ist, als der privater Rentenversicherungsunternehmen, die, so ganz nebenbei bemerkt, auch pleitegehen können und für Pleiten auch schon praktische Beispiele geliefert haben. Die gesetzliche Rentenversicherung hat hingegen bereits zwei Weltkriege, eine Hyper-Inflation, eine Währungsreform und eine Wiedervereinigung überstanden.

Doch zurück zu den sonstigen Aktivitäten „bewährter(??)“ Politiker. Es war ein SPD-Finanzminister (Eichel), der die Steuerfreiheit bei der Veräußerung von Unternehmensanteilen einführte und damit den von Müntefering später als Heuschrecken bezeichneten Hedge- und Private Equity-Fonds die Türen weit öffnete, ihre nur auf Profit ausgelegten Aktivitäten nun auch in Deutschland ganz ungeniert abwickeln zu können. Es war wieder ein SPD-Finanzminister (Peer Steinbrück, dieses Mal „wieder unter einer „regulären“ CDU/CSU-Regierung“) und ein SPD-Staatssekretär (Jörg Asmussen), die mit der IKB und der HRE dem Steuerzahler 3-stellige Milliardenverluste bescherten und die HypoVereinsbank von ihrer gesetzlichen Gewährleistungspflicht für die HRE befreiten, indem sie die Pleite der HRE erst einen Tag nach dem Ablaufen der Gewährleistungspflicht der HypoVereinsbank verkündeten.

Von den Einsätzen unserer Bundeswehr entgegen dem Grundgesetz und dem Völkerrecht auch in Kriegsgebieten will ich erst gar nicht anfangen, auch nicht von dem Kuhhandel einer Angela Merkel mit der Türkei. Das ist Rautenpolitik, eine neue/alte Politikform, eingeführt von Angela Merkel.

Dabei ist das nur ein grober Querschnitt dessen, was wir den etablierten Parteien alles in diesem Jahrtausend zu verdanken haben, aber vielleicht kann man von Spiegel-Lesern auch nicht verlangen, das alles im Gedächtnis zu behalten. Schließlich sind wir zukunftsorientiert, nehmen jede Prognose für die kommenden Jahrzehnte als unvermeidbares Szenario hin und können auch schon vorhersagen, welche Entwicklung die AfD unweigerlich nehmen wird, schon bevor sie sich in den Länderparlamenten konstituiert hat. Das die Prognose-Institute wie die Wirtschaftsweisen oder das Ifo-Institut so gut wie nie mit ihren Halbjahresprognosen richtig lagen, sollte uns nicht hindern, Prognosen für Jahrzehnte im Voraus als unweigerlich anzusehen, oder???

Nun, ich habe vor den Landtagswahlen vor der AfD gewarnt, aber rund 12% der Wähler haben sie gewählt und das habe ich bei aller Abneigung zu respektieren. Denn meine Abneigung, hervorgerufen von den Profilen einiger Gründungsmitglieder, kann auch durch die politische Aktivität der AfD ad absurdum geführt werden. Ich werde nun, soweit wie möglich, die praktizierte Politik der AfD beobachten und darauf basierend meine bisherige Ressentiments entweder bestätigt sehen (dann werde ich das auch so kommunizieren) oder revidieren, wenn ich sehe, dass meine Prognose falsch war und auch das kommunizieren. Ich habe kein Problem damit, einen Irrtum zuzugeben. Ich habe schließlich auch mal geglaubt, SPD und Grüne wären wählbare Parteien und auch diesen Irrtum inzwischen eingestanden.

Es liegt nun an der AfD, sich das von den Wählern in sie gesetzte Vertrauen zu verdienen und an uns allen, ihr auch die Chance dazu zu geben.

Fußnoten

(1) Triumph der AfD: Frauke Petry freut sich zu früh Spiegel

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Der Sieg der AfD
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