Wird die US-Verfassung standhalten und werden die Medien diese Story weiterhin unterdrücken?
Von Ray McGovern (theblogcat)
Am Mittwoch stellten 11 Republikaner des Abgeordnetenhauses strafrechtliche Anträge gegen die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton und gegen mehrere ehemalige und dienende hochrangige Beamte des FBI und des Justizministeriums (DOJ). Das ist ein riesiger Schritt zu einer Verfassungskrise.
In dem Antrag an das DOJ werden wegen möglicher Vergehen gegen Bundesgesetze genannt: Clinton, der ehemalige FBI-Direktor James Comey, die ehemalige Justizministerin Loretta Lynch, der ehemalige geschäftsführende FBI-Direktor Andrew McCabe, der FBI-Agent Peter Strzok, die FBI-Rechtsberaterin Lisa Page und jene DOJ- und FBI-Personen, die mit der Arbeit an dem „Steele-Dossier“ „verbunden“ waren, darunter die ehemalige geschäftsführende Justizministerin Sally Yates und der ehemalige stellvertretende Justizminister Dana Boente.
In den Medien wurde das übergangen, aber der Antrag wurde an den Justizminister Jeff Sessions überreicht, an den FBI-Direktor Christopher Wray und an den Generalstaatsanwalt für den Bezirk Utah, John Huber. Sessions hat vor Monaten Huber beauftragt, dem Generalinspekteur des Justizministeriums (IG) Michael Horowitz zu assistieren. Als IG hat Horowitz jedoch nicht die Befugnis zur strafrechtlichen Verfolgung; er benötigt dafür einen US-Staatsanwalt. Und das muss den mutmaßlichen Tätern ein Dorn im Auge sein.
Es handelt sich hier um keine juristische Fallstudie, keine objektive Disputation über die Feinheiten dieses oder jenes Gesetzes. Es geht eher darum, das jetzt „die Kacke am Dampfen ist“, wie wir hier in der Innenstadt sagen. Strafrechtliche Anträge können zu ernsthaften Gefängnisstrafen führen. Zugegeben, diese strafrechtlich „referenzierte“ Oberschicht genießt sehr mächtige Unterstützung. Und die kommt vor allem aus den Massenmedien, die es kaum übers Herz bringen werden, vom Russia-Gate zum wesentlich delikateren und viel weniger willkommenen „FBI-Gate“ zu wechseln.
Seit dem Aufsetzen dieses Schreibens ist ein ganzer Tag vergangen, dass über diesen Brief/Antrag berichtet wurde, und bei der NYT und der WaPo und anderen großen Medien herrscht totales Schweigen, denn sie suchen noch nach einem Dreh für die Berichterstattung dieser wichtigen Entwicklung. Die Nachricht über den strafrechtlichen Antrag ist auch Amy Goodmans Nicht-Mainstream Democracy Now! und auch vielen anderen alternativen Webseiten entgangen. (Anm.d.Ü.: Democracy Now! ist kontrollierte Opposition, da sollte sich McGovern keine Illusionen machen!)
Die 11 Abgeordneten des Repräsentantenhauses haben auch beschlossen, im ersten Absatz des Briefes folgende auf Gleichheit beruhende Beobachtung in den strafrechtlichen Antrag aufzunehmen:
„Da wir der Meinung sind, dass diejenigen in Positionen hoher Autorität genauso behandelt werden sollten wie jeder andere Amerikaner, wollen wir sicherstellen, dass die unten beschriebenen möglichen Gesetzesverstöße angemessen überprüft werden.“ Sollte sich dies ungewöhnliche Haltung beim DOJ durchsetzen, so könnte das im Endeffekt die de facto „David Petraeus-Ausnahmen“ für die mit Orden Behängten, Dekorierten und gut Betuchten aufheben.
Blockadepolitik
Währenddessen geht dem Vorsitzenden des Ausschusses im Haus zur Untersuchung des Missbrauchs im DOJ und im FBI die Geduld aus, wegen der Verzögerungstaktiken, die sie bei den Anträgen zu Schlüsseldokumenten aus dem FBI erleben. Diese Unnachgiebigkeit ist umso merkwürdiger, als mehrere Ausschussmitglieder bereits Zugang zu den fraglichen Dokumenten hatten und die werden kaum die Inhalte der ihnen bekannten Dokumente vergessen. (Darüber hinaus besteht die gute Chance, dass ein oder zwei patriotische Whistleblower ihnen über die vorenthaltenen Schlüsseldokumente Tipps geben.)
Der Generalinspekteur des Justizministeriums, dessen Aufsicht auch das FBI beinhaltet, war bei Anfragen des Komitees zu Informationen kooperativ, aber diese Anfragen können kaum Dokumente beinhalten, die dem Komitee unbekannt sind. Ganz abgesehen von seinen Parteimotiven war der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses Devin Nunes (R-CA) vor zwei Monaten ungewöhnlich offen, als er vor den rechtlichen Folgen für Beamte warnte, die den FISA-Gerichtshof in die Irre geführt haben, um eine Überwachung von Trump und dessen Verbündeten zu ermöglichen. Nunes Worte haben vermutlich jenen eine Gänsehaut beschert, die etwas zu verbergen haben: „Wenn jemand angeklagt werden muss, dann werden wir sie anklagen“, sagte er. „Der Grund, warum der Kongress existiert ist, dass wir die von ihm geschaffenen Behörden überwachen.“
Ob es dem Repräsentantenhaus gelingen wird, den Widerstand der Kriminellen und ihrer vielen Komplizen zu überwinden und sein verfassungsmäßiges Recht der Kontrolle auszuüben, das ist natürlich eine andere Frage – eine Frage von Bedeutung.
Und nichts hat größere Bedeutung als die Medien
Dem Medien kommt die Schlüsselrolle zu, ob diese Verfassungsfrage gelöst wird. Hauptsächlich wegen Trumps eigener Reputation für Lügen sind die meisten Amerikaner für solche Schlagzeilen empfänglich wie: „Trump steigert seine Angriffe auf das FBI…“ – aus einem Artikel der Washington Post,der die Behandlung des vor seiner Pensionierung entlassenen Verdrehers von Tatsachen, Andrew McCabe und dessen (Un-) Diensten für das FBI bedauert.
Und die Post äußert dabei auch keine offensichtlich klugen Warnungen – wie jene in einem Leitartikel vom 17. März: „Einige Verbündete von Trump sorgen sich, dass er mit dem Feuer spielt, wenn er sich mit dem FBI anlegt. ‚Das ist ein offener Krieg. Und ratet mal? Das FBI wird gewinnen‘, sagte jemand unter dem Mantel der Anonymität, um offen zu sprechen. ‚Man kann das FBI nicht bekämpfen. Sie werden ihn abfackeln‘.“ (sic!)
(Anm.d.Ü.: In diesem Zusammenhang ist auch die Razzia des FBI im Büro des Trump-Anwalts Cohen zu sehen.)
Verstörende kriminelle Aktivitäten
Was die Personen, die jetzt „unter Beobachtung“ stehen, motiviert hat, wird aus verschiedenen Quellen ersichtlich, darunter die SMS zwischen Strzok und Page. Viele konnten jedoch nicht verstehen, wie diese Gesetzeshüter damit davonkommen konnten, sich solche Freiheiten bei den Gesetzen herauszunehmen.
Nichts von der Durchstecherei, dem Demaskieren, der Überwachung, der „Oppositionsarbeit“ oder den anderen Aktivitäten gegen den Wahlkampf von Trump kann man vernünftig verstehen, wenn man nicht im Hinterkopf behält, dass es als ausgemachte Sache galt, dass Ministerin Clinton Präsidentin werden würde, und ab da hätten ihre illegalen und außerhalb der Gesetze stehenden Aktivitäten zu Belobigungen und nicht zu Gefängnisstrafen geführt. Diese Aktivitäten wurden nicht als sonderlich riskant eingestuft, denn Kandidatin Clinton würde wohl sicher gewinnen.
Aber sie hat verloren.
Comey selbst verrät uns das in seinem peinlich kindischen Buch „A Higher Loyalty“, das er jetzt verscherbelt und das dem Versuch eines Menschen gleichkommt, der hauptsächlich zu sich selbst loyal ist und das ihm eine „Sie kommen aus dem Gefängnis frei“-Karte einbringen soll. Meine Hochachtung für Matt Taibbi vomRolling Stonefür die wichtige Beobachtung in seinem jüngsten Artikel „James Comey, der Möchtegern J. Edgar Hoover“. Darin benennt Taibbi die schlimmste Passage des Buchs, in der Comey seine Entscheidung erläutert, die Wiederaufnahme der Hillary Clinton Email-Untersuchung öffentlich zu machen.
Comey gibt zu: „Es ist durchaus möglich, da ich die Entscheidungen in einem Umfeld getroffen habe, in dem Hillary Clinton wie die sichere nächste Präsidentin aussah, dass meine Bedenken, sie zu einer illegitimen Präsidentin zu machen, indem ich die wieder aufgenommene Untersuchung verborgen hätte, dass dies ein größeres Gewicht gehabt hätte, wenn die Wahl enger gelaufen wäre oder Trump in den Umfragen geführt hätte.“
Der Hauptpunkt ist nicht die verdrehte Argumentation von Comey, sondern dass Clinton „wie die sichere nächste Präsidentin aussah“. Das hätte natürlich automatisch eine Immunität für jene im Justizministerium bedeutet, die jetzt strafrechtlich unter Beobachtung stehen. Ah, die besten Pläne von Mäusen und Männern – sogar von sehr großen Männern. Ein Witzbold behauptete, dass das „höhere“ in „Eine höhere Loyalität“ sich einfach auf den sehr großen Körper bezieht, in dem ein übergroßes Ego wohnt.
Ich denke man kann sagen, dass die Leser von consortiumnew.com für gewöhnlich am besten ausgestattet sind, um die Anatomie von FBI-Gate und auch die des Russia-Gate zu verstehen. Unten sind einige links in chronologischer Reihenfolge aufgelistet, die man als eine Art „Weißwandtafel“ zur Auffrischung des Gedächtnisses benutzen kann. Die kann man jenen Freunden zukommen lassen, die noch immer ihre Zweifel haben.
2017
„Die mythischen „Helden“ von Russia-Gate“ von Coeen Rowley
https://consortiumnews.com/2017/06/06/russia-gates-mythical-heroes/
„Das Geld der Demokraten hinter Russia-Gate“ von Joe Lauria
https://consortiumnews.com/2017/10/29/the-democratic-money-behind-russia-gate/
„Der sinkende Russia-Gate-Skandal“ von Robert Parry
https://consortiumnews.com/2017/12/13/the-foundering-russia-gate-scandal/
„Was wusste Hillary Clinton?“ von Robert Parry
https://consortiumnews.com/2017/10/25/what-did-hillary-clinton-know/
2018
„Die Hand des FBI hinter Russia-Gate“ von Ray McGovern
https://consortiumnews.com/2018/01/11/the-fbi-hand-behind-russia-gate/
„Wird der Kongress den Tiefen Staat besiegen?“ von Ray McGovern
https://consortiumnews.com/2018/01/30/will-congress-face-down-the-deep-state/
„Das Nunes-Memo berichtet über Verbrechen an der Spitze des FBI und DOJ“ von Ray McGovern
https://consortiumnews.com/2018/02/02/nunes-memo-reports-crimes-at-top-of-fbi-doj/
„’Das ist irre‘: Liberale starten die ‚größte Mobilisierung der Geschichte‘ zur Verteidigung der Russia-Gate-Untersuchung“ von Coleen Rowley und Nat Parry
https://consortiumnews.com/2018/02/09/this-is-nuts-liberals-launch-largest-mobilization-in-history-in-defense-of-russiagate-probe/
„Nunes: Täter im FBI und DOJ könnten vor Gericht gestellt werden“ von Ray McGovern
https://consortiumnews.com/2018/02/19/nunes-fbi-and-doj-perps-could-be-put-on-trial/
„’Progressive‘ Journalisten drehen über Russia-Gate komplett durch“ von Ray McGovern
https://consortiumnews.com/2018/03/07/progressive-journalists-jump-the-shark-on-russiagate/
Geheimdienst-Komitee lehnt die grundlegenden Annahmen zum Russia-Gate ab“ von Ray McGovern
https://consortiumnews.com/2018/03/14/intel-committee-rejects-basic-underpinning-of-russiagate/
„McCabe: Ein Krieg gegen (oder im) FBI?“ von Coleen Rowley
https://consortiumnews.com/2018/03/18/mccabe-a-war-on-or-in-the-fbi/
„Der frühere CIA-Chef Brennan gerät in Panik“ von Ray McGovern
https://consortiumnews.com/2018/03/19/former-cia-chief-brennan-running-scared/
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Ray McGovern arbeitet mit Tell the World, einem Verleger in der ökumenischen Church of the Saviour in der Innenstadt von Washington. Er hat insgesamt 30 Jahre lang als Geheimdienst-Offizier in der Armeeinfanterie und dann als Analyst in der CIA gedient. In seinem Ruhestand hat er die Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS) mitgegründet.
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