Von Peter Haisenko (anderwelt)
Erst Panama, jetzt das Paradies. Letzteres ist wohl der richtigere Name, denn die Politik gestattet den Finanzeliten wahrhaft paradiesische Zustände. Riesige Rechtsabteilungen in den Konzernen sorgen nicht nur für maximale Steuervermeidung, sondern stellen auch Straffreiheit sicher. Im Vorfeld formulieren sie für unfähige Finanzminister Gesetzestexte mit eingebauten Schlupflöchern. Wie anders als eine kriminelle Vereinigung könnte diese Allianz genannt werden?
Der Aufschrei ist wieder groß. Geht gar nicht, unmoralisch, das muss sich ändern! Jedes Mal, wenn bekannt wird, in welchem Ausmaß Großkonzerne und Superreiche Steuern vermeiden, hören wir von der Politik dieselben Worte. Getan wird…Nichts! Zumindest nichts, was wirksam sein könnte. Da entblödet man sich nicht, von „moralischem Druck“ zu sprechen, der durch Offenlegung erreicht werden soll. Als ob es jemals einen Rest an Moral in der Hochfinanz gegeben hätte! Solange niemand – abgesehen von so kleinen Fischen wie Uli Hoeneß – ins Gefängnis wandern muss, wird sich nichts ändern und dass das so bleibt, dafür sorgt der Gesetzgeber. Die Frage ist nur, ob dieser aus Vorsatz oder Unfähigkeit handelt.
Nach 1990 durfte der entfesselte Kapitalismus sein wahres Gesicht zeigen
Mit den neuen Enthüllungen fällt als erstes dasselbe Schema auf, das wir schon von „Panama“ kennen: Die ersten Meldungen nannten Putin und diesmal zusätzlich Trump beim Namen. Wie bei Panama stellt sich auch diesmal schnell heraus, dass diese „Verbindung“ in bösartiger Absicht konstruiert ist, um die ungeliebten Persönlichkeiten mit unmoralischem Handeln in den Köpfen zu verknüpfen. Ob es damals ein Musiklehrer der Putin-Tochter war oder jetzt ein Schwiegersohn mit weit hergeholten möglichen Verbindungen. Oder eben ein ehemaliger Wahlkampfhelfer von Trump. Inzwischen ist den Propagandisten aber wohl aufgefallen, dass dieses Schema zu durchsichtig geworden ist und schnell sind die Namen von Trump und Putin aus der „Paradiesmeldung“ verschwunden. Schließlich wird die Zahl von 120 Politikern aus 50 Ländern genannt, die allesamt direkt betroffen sind und anonym bleiben dürfen. Diese eklatante Doppelmoral war zu offensichtlich.
Bis 1990 hatten wir einigermaßen tauglich regulierte Finanzmärkte. Danach musste der Kapitalismus nicht mehr beweisen, dass er das bessere System für die Menschen ist, und so wurde er Stück für Stück entfesselt und durfte sein wahres Gesicht zeigen. Eben so, wie es jeder „Sieger“ tut. Es war aber nicht der Kapitalismus an sich, der gehandelt hat. Er kann es gar nicht, solange der Gesetzgeber es ihm nicht gestattet. Die korrupten Politeliten, gesteuert und bestochen von Lobbyisten, haben den Weg frei gemacht für unmoralisches Handeln, das dann eben nicht ungesetzlich oder im Weiteren strafbar ist. Angesichts unregulierten und harten Wettbewerbs können international agierende Großkonzerne eigentlich gar nicht anders, als alle Gesetzeslücken auszunutzen. Ob ein Konzern heutzutage überlebt, hängt fast mehr davon ab, ob seine Rechtsabteilung clever genug ist, als von guten Produkten. Natürlich gilt dasselbe für die Auswahl von Produktionsstandorten, die von niedrigen Löhnen und mangelhaften Umweltstandards bestimmt wird. Und auch hier ist es die Politik, die das gestattet.
Freiheit ohne Regeln ist die Diktatur des Stärkeren
Für den gesunden Menschenverstand ist schwer vermittelbar, wie Aufsichtsräte wirksame Kontrolle ausüben sollen, wenn man sich gegenseitig wechselweise als Vorstände und Aufsichtsräte die Bälle zuschiebt. Wie Politiker glaubhaft ihre gesetzliche Aufgabe wahrnehmen, wenn sie nach ihrer Politkarriere in hochbezahlte Industrieposten wechseln. Oder warum werden zum Beispiel Fußballer zu irrsinnigen Summen gehandelt? Ganz einfach: Die Verhandlungsführenden Anwälte und Vermittler beider Seiten werden prozentual zu der Transfersumme „entlohnt“. So haben beide Seiten keinerlei Interesse daran, niedrige Transfersummen auszuhandeln. Im Gegenteil ist es so, dass beide Seiten in Kenntnis der jeweiligen finanziellen Gesamtsituation an die Grenzen der Möglichkeiten gehen können, zu ihrem eigenen Vorteil. Auch das kann nicht anders als eine kriminelle Vereinigung bezeichnet werden, die auch den Fußballfan zielgenau an der Schmerzgrenze seiner finanziellen Möglichkeiten ausbeutet.
Freiheit ohne Regeln – die auch durchgesetzt werden können – ist die Diktatur des Stärkeren, eine Gewaltherrschaft. Jedem ist einleuchtend, dass es nicht der brutale Schulhof-Raudi sein darf, der über die Regeln auf dem Schulhof bestimmt. In der Politik ist es aber genau so. Die Finanzgewaltigen erpressen ganze Staaten, indem sie mit „Kapitalentzug“ drohen oder sogar „Economic Hitmen“ engagieren, um aufsässige Regierungschefs zu ermorden. (Panama, Ecuador)
Wenn es darum geht, Regeln für die Finanzeliten zu schaffen, Regeln, die es meist schon einmal gab und die sich bewährt hatten, dann verstecken sich unsere Politiker immer wieder hinter dem Argument, dass „die anderen“ da nicht mitmachen und natürlich hinter Europa. Die Wahrheit ist aber, dass es natürlich möglich ist, Regeln aufzustellen, die zunächst nur für ein Land gelten, besonders dann, wenn es sich um das stärkste Land Europas handelt, Deutschland. Glaubt denn irgendjemand bei klarem Verstand, dass zum Beispiel Apple den deutschen Markt verlassen würde, wenn sie ihre Steuern hier in angemessener Höhe entrichten müssten? Oder sonst ein Großkonzern? Geht man folglich davon aus, dass nicht nur hirnamputierte in den Ministerien sitzen, dann kann man gar nicht anders als anzunehmen, dass dort vorsätzlich wider besseres Wissen gehandelt wird. Gegen den Amtseid, zum Vorteil der Finanzmafia – und damit sind sie Mitglieder einer kriminellen Vereinigung.
Die Politik ermöglicht Raubzüge unter Wahrung des geltenden Rechts
Betrachtet man das Ende von Air Berlin wird schnell sichtbar, wie langfristig und perfide dieses Ende geplant und vorbereitet worden ist. Es beginnt damit, dass der letzte Vorstand Winkelmann offensichtlich von Anfang an gewusst hat, dass er die Air Berlin nicht sanieren, sondern nur „optimal“ abwickeln soll. Warum sonst lässt er sich sein Viermillionen-Salär per Bankbürgschaft garantieren? Winkelmann hat ganze Arbeit geleistet, seinen (inoffiziellen) Auftrag bestens erfüllt und der Verdacht besteht, dass namhafte Politiker beteiligt waren. So gab es im Frühjahr 2017 eine Reise in die Emirate am Golf, an der nicht nur der Lufthansa-Chef Spohr teilnahm, sondern auch Merkel und Co.
Ein weiteres Beispiel hat der Verkauf von Mannesmann an Vodafone (im Jahr 2000 unter Schröder/Fischer) geliefert. Wie gerichtlich festgestellt worden ist, hat Herr Esser seine Millionen zu Recht erhalten. Die schweinemäßige Verramschung des Immobilienvermögens von Mannesmann an die bislang substanzlose Vodafone war für letztere viel mehr wert, nur nicht für die deutsche Nationalökonomie. Aber, wie üblich, alles war natürlich tadellos rechtmäßig und damit bin ich wieder bei der Politik, die die Gesetze gemacht hat, die solche Raubzüge unter Wahrung des geltenden Rechts ermöglichen. Ach ja, vergessen wir nicht, dass es die Sozialdemokraten und die Grünen waren, Schröder und Fischer, die die meisten bestehenden Gesetze zu Gunsten der Finanzwelt aufgeweicht oder ganz abgeschafft haben. Mancher Wähler hat es wohl bemerkt.
Betroffenheitsbekundungen und Heuchelei schaffen keine Abhilfe
Der Steuerbetrug, oder politisch korrekt die Steuervermeidung, mit den „Cum-Ex“ Geschäften ist der Politik seit mehr als 15 Jahren bekannt. Die Regierung Merkel hat während dieser zweifellos langen Periode nichts getan, um das abzustellen. Malta, Luxemburg, Irland, die britischen Steueroasen, alles ist lange bekannt und es geschieht nichts. Kapitalerträge werden mit lächerlichen 25 Prozent besteuert, lächerlich im Verhältnis zum Steuersatz für richtige Arbeit. Würde das geändert, auf den normalen Einkommenssteuersatz angehoben, könnte der allgemeine Einkommenssteuersatz um mindestens zehn Prozent gesenkt werden. DAS wäre einmal eine Steuerreform, die ihren Namen verdient. Und was macht die Politik? Sie ignoriert das Thema, auch in den jetzigen „Sondierungsrunden“ für „Jamaika“. Könnte das daran liegen, dass mehr als 80 Prozent der DAX-Unternehmen in der Hand des angelsächsischen Kapitals liegen und deren Gewinne durch eine ordentliche Besteuerung geringer würden? Wie war das mit dem Amtseid und dem Wohl des deutschen Volks?
Betrachtet man die Politik der letzten 27 Jahre, insbesondere die Finanzpolitik, dann kann man nur zu einem Schluss kommen: Wir werden von einer kriminellen Vereinigung aus Politik, Konzernspitzen und Hochfinanz „regiert“, besser gesagt ausgebeutet und betrogen. Dem „kleinen Mann“ wird immer genau so viel zugestanden, dass er knapp unter der Schwelle zur offenen Rebellion gehalten wird. Kommen wieder einmal Schweinereien ans Licht, wie eben jetzt die „Paradise Papers“ oder schon die „Panama Papers“, dann wird Betroffenheit und Unwissen geheuchelt und natürlich versprochen, ganz schnell Abhilfe zu schaffen. Im Wissen, wie kurz die allgemeine Aufmerksamkeitsspanne der Bürger ist, vertraut man darauf, dass es schnell wieder vergessen wird, und tut nichts. Jedenfalls nichts, was wirklich Abhilfe schaffen könnte, ohne neue und wahrscheinlich genau so geplante Schlupflöcher aufzumachen.
Nur korrupte Politiker können kriminelles Treiben „legalisieren“
Ich, und ich denke mit mir viele, sind es leid, immer nur Ankündigungen und faule Erklärungen zu hören, warum man nichts tun kann. Man kann, wenn man will! So, wie es EU-Ländern erlaubt ist, mit unerhört niedrigen Steuersätzen und dazugehörigen Vorschriften andere Länder um Steuern zu betrügen, so ist es sehr wohl möglich, in einzelnen Ländern zum Beispiel Gesetze durchzusetzen, die eine Besteuerung von Gewinnen in dem Land vorschreiben, in dem sie erwirtschaftet werden. Keiner der Großkonzerne wird den deutschen Markt aufgeben, nur weil sie jetzt anständig ihre Steuern bezahlen müssen. Und wenn doch? Ich kann auf Starbucks und Co verzichten. Diese „Lücke“ würde sicher schnell neu besetzt und genau das heißt Marktwirtschaft.
Marktwirtschaft, die wir nicht mehr haben. Käuferkartelle von Großkonzernen wie Amazon oder Zalando bestimmen über Gewinn und Verlust des Mittelstandes, ja sogar direkt über dessen Existenz. Sie können das, weil das Kartellamt nur noch ein Witz ist, und auch das ist die Folge der Gesetzgebung. Das Primat der Politik ist übernommen vom Kapital und die „Vierte Gewalt“, die Medien, ist usurpiert von der Politik und natürlich wird auch hier über das Kapital bestimmt, wer in Lohn und Brot bleiben darf, solange er systemkonform schreibt. Das sind unsere andauernd beschworenen „westlichen Werte“. Die Wahrheit ist, dass zwischen Kapital, Konzernspitzen und Hochfinanz eine kriminelle Vereinigung geschlossen worden ist, gegen die die klassische Mafia geradezu harmlos wirkt. Diese kann zwar intern ihre eigenen „Gesetze“ durchsetzen, aber ihr Treiben eben nicht wirklich „legalisieren“. Das können nur die korrupten Politiker.
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