Die Wirtschaft in der Pandemie – Kommt die Eurokrise zurück?

von Joachim Jahnke

Schon jetzt kommen uns die Corona-Hilfen an unsere Euronachbarn teuer zu stehen. Weiterer Einsatz wird mit dem neuen EU-Haushalt in riesigem Umfang fällig. Aber die Zukunft wird noch viel mehr belastet sein, wenn sich die Euroländer unter dem Druck der Pandemie noch weiter auseinanderentwickeln. Schon jetzt warnt Merkel, in Europa gebe es nicht die Kraft, ein zweites großes Rettungspaket gegen die Corona-Folgen zu finanzieren.

Die ganze Welt und auch die Eurozone erfahren derzeit einen dramatischen Einbruch an Kaufkraft. Viele Länder vor allem im Süden der Eurozone werden noch auf Jahre an den Folgen der derzeitigen Krise leiden und immer wieder auf Hilfe, vor allem aus Deutschland, drängen. Frankreich, selbst in tiefem Wasser, wird sie dabei unterstützen. Die nationalistisch orientierten Kräfte werden in der Eurozone an Stärke gewinnen und ihre Forderungen umso brutaler stellen, wobei in dem besonders belasteten Italien Salvini jederzeit zurückkommen kann. Gleichzeitig werden um die EU herum die Führungen von USA, Rußland und China weiterhin „Hartball“ spielen.

Die Entwicklung der Wirtschaftsleistung zeigt, wie sehr die Eurozone schon vor der Krise auseinanderdriftete und wieviel mehr nach der Sommerprognose der EU-Kommission vom Juli 2020 jetzt. Über den ganzen Zeitraum von 2010 bis 2020 (Prognose) hat sich der Bestplazierte (Finnland) um 20 Prozentpunkte besser entwickeln können als das Schlußlicht Griechenland (Abb. 20969, 20970). Die Situation beim Einzelhandelsumsatz bis Juli 2020 ist noch unterschiedlicher (Abb. 20847).

 

 

 

 

 

Vor allem kommt jetzt Deutschland schneller als die meisten anderen Länder wieder von dem Tiefstpunkt weg. So steigt der Ifo-Geschäftsklimaindex schon seit Monaten wieder und liegt bereits wieder fast auf Vorkrisenniveau (Abb. 20399). Dasselbe Bild zeigt sich im Aktivitätsindex der Bundesbank (Abb. 20968). Bei einer starken zweiten Welle der Seuche kann sich das Bild natürlich wieder verschlechtern.

 

 

 

Die schwächeren Euroländer werden aus einer Reihe von Gründen nicht so schnell aus den Wirtschaftsproblemen herauskommen. Das könnte im schlimmsten Fall sogar zu einer neuen Eurokrise führen. Erstens steigen fast überall die Covid-19-Infektionen wieder in einer neuen Welle, in Spanien und Frankreich schon über den Scheitelpunkt der Frühjahrswelle (Abb. 20966). Zweitens erwartet die EU-Kommission in diesem Jahr überall einen erheblichen Anstieg der staatlichen Verschuldungsquote, z.B. in Italien mit dem höchsten Schuldenberg in der Eurozone bis auf 159 % des BIP (Abb. 16728).

 

 

 

Das allein mag noch nicht gefährlich werden, solange die Zinsen von der EZB niedrig gehalten werden können. Doch viele der Banken haben faule Kredite in ihren Büchern, die mit der Krise noch fauler werden. Andererseits haben sie gerade in den schwachen Ländern massiv Anleihen ihrer Regierungen gekauft, die bei einem Einbruch Banken mitreißen könnten. Das gilt vor allem wieder für Italien, Portugal und Spanien (Abb. 20304). Während der Anteil der eigenen Staatsanleihen in den Bilanzen der Banken in Deutschland und Frankreich typisch bei 5 % und 10 % des Kreditvolumens an private Kreditnehmer liegt, sind es in Spanien und Portugal eher 20 % und in Italien noch darüber.

 

Deutschland wird sich also warm anziehen müssen, um nicht immer wieder zur Kasse gebeten zu werden. Schon jetzt deutet sich in Aussagen aus Paris an, daß Frankreich die Maastricht-Kriterien für die Neuverschuldung, die in der Coronakrise ausgesetzt sind, auf Dauer beseitigen möchte. Dabei waren diese Kriterien der Preis an Deutschland für die Aufgabe der DM gewesen. So fordert Europa-Staatssekretär Beaune, die EU-Haushaltsregeln müßten überarbeitet werden:

„Wir können uns nicht vorstellen, denselben Pakt wieder in Kraft zu setzen. Nach der Krise werden die EU-Staaten eine Verschuldung haben, die anders sein wird als in der Welt, die wir vor einigen Jahren in ganz Europa erlebt haben. Ich glaube nicht, dass wir den Stabilitätspakt so wieder einführen können, wie wir ihn zuvor gekannt haben. Denn auch nach der Krise müssen die Mitgliedstaaten noch mehr in den ökologischen und digitalen Wandel investieren.“

Doch „Investitionen in den ökologischen und digitalen Wandel“ sind eine unendlich langfristige Aufgabe, und die Haushalte der Euroländer hätten ein ewig offenes Ende. Auch der italienische EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni warnte angesichts der Krise jüngst davor, Haushaltsregeln zu früh wieder einzuführen. Ohne eine künftige Schuldenbegrenzung läuft Deutschland umso mehr in das Risiko, für die eskalierenden Schulden der anderen in noch viel größerem Umfang als bisher einstehen zu müssen, und sei es, um die Eurozone zu retten. Die Alternative wäre dann wieder einmal „Kein Euro mehr oder Geld vom deutschen Steuerzahler“, nur dann viel mehr davon und über die deutsche Schmerzgrenze. Nur die AfD würde sich über viel Wasser auf ihre Mühlen freuen können.

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