Obama kommt

von Gert Flegelskamp (flegel-g)

Durch den „Besuch“ von Obama berichtet die Presse natürlich mal wieder über das Thema TTIP, aber auch über CETA. So auch die ZEIT(1) und ich war angenehm überrascht. Seit langer Zeit mal ein Artikel zum Thema, der nicht mit blumigen Phantasien die angeblichen Vorteile dieser Abkommen schildert, sondern die echten Fakten zur Sprache bringt. Es spielt übrigens keine große Rolle, was bei TTIP passiert, denn CETA ist bereits in der EU beschlossen, muss aber von allen Staaten der EU paraphiert werden, um als EU-Gesetz den Staaten aufs Auge gedrückt zu werden. Und wenn es mit TTIP nicht klappt, macht man es eben über die Bande NAFTA-CETA. NAFTA ist das Abkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada und eine Briefkastenfirma der USA-Firmen oder anderer multinationaler Konzerne in Kanada reicht, um dann über CETA das zu verwirklichen, was man ursprünglich mal über TTIP realisieren wollte. Es sei denn, TTIP wurde ohnehin nur als Ablenkungsmanöver gestartet, um CETA unbemerkt zu etablieren.

Es gibt auf der Seite Utopia(2) eine Graphik, die zeigt 9 internationale Konzerne, die im Prinzip schon den gesamten Lebensmittelmarkt der westlichen Länder beherrschen. Was diesen Konzernen nicht passt, sind rechtliche Begrenzungen zum Schutz der Bürger, egal ob in Europa, Mexiko oder Kanada. Mexiko und Kanada wurden mit den gleichen Versprechungen geködert, die man nun bei CETA und TTIP anwendet. Nichts dieser Versprechungen wurde verwirklicht. Die Abkommen haben nicht mehr Arbeitsplätze gebracht, sondern das Gegenteil bewirkt, auch für die Menschen in den USA. Deshalb gibt es auch in den USA erheblichen Widerstand gegen TTIP. Und Kanada gilt inzwischen als das meist über Schiedsgerichte verklagte Land der Welt.

Das, was so gerne als „Freihandel“ bezeichnet wird, hat mit freiem Handel nichts zu tun. Freien Handel gibt es schon seit Tausenden von Jahren (siehe Alexander, der Große oder die Seidenstraße). Doch freier Handel endet dort, wo die Wirtschaftspartner sich nicht mehr auf Augenhöhe befinden, dann wird nämlich der Schwächere unterliegen. Das praktische Beispiel wurde bereits mit GATT erbracht. Die Zollsenkung bzw. Aufhebung der Zölle hat in den wirtschaftlich schwächeren Staaten die Armut und das Elend vergrößert, denn sie mussten ihre Märkte öffnen, konnten aber mit ihren eigenen Produkten gegen die Macht der Wirtschaftsmächte nicht bestehen, was zur Zerstörung der kleinbäuerlichen Wirtschaft führte.

Gerne wird der scheinbare Vorteil als Argument verwendet, dass damit ein Handelsraum geschaffen würde, der 800 Millionen Menschen umfasst. Nur, dieser Handelsraum existiert doch bereits seit Ende von WKII. Eigentlich ist er weitaus größer und hat nichts, aber auch rein gar nichts mit den Freihandelsabkommen zu tun, weder mit CETA noch mit TTIP, denn wir treiben doch längst Handel mit allen Ländern dieser Welt. Sicher, es gibt bereits Freihandelsabkommen mit vielen Staaten und sie wurden stets damit begründet, dass in diesen Staaten kein vergleichbares Rechtssystem existiert und daher Abkommen getroffen werden, welche die rechtliche Position unserer Exporteure sichern soll. Ich kenne diese Verträge nicht, aber wenn sie Inhalte wie den „Investitionsschutz“ haben, sind es Knebelverträge und müssten eigentlich als unsittlich von jedem Gericht der Welt abgeschmettert werden. Es geht nicht an, dass ein Konzern einen Staat verklagt, weil er bereits in ein Vorhaben investiert hat und darüber hinaus auch noch entgangene Gewinne einklagen kann. Bevor ein Unternehmen Investitionen tätigt, muss es die rechtliche Situation überprüfen. Ist der rechtliche Status abweichend, kann eine Investition mit anschließender Klage vor einem Schiedsgericht nur als Beutezug angesehen werden und dann noch die Klage um entgangene Gewinne zu erweitern, stellt die Aktivitäten der Raubritter des Mittelalters in den Schatten.

Die Rechtssysteme der USA und der europäischen Länder sind vielleicht nicht immer völlig ausgewogen, gelten aber als die höchstentwickelten Rechtssysteme der Welt, was die Einführung von Schiedsgerichten für diese Abkommen bereits als Waffe gegen die Rechtsstaatlichkeit demaskiert. So wie supranationale Einrichtungen keine Staaten sind, so sind Schiedsgerichte keine Gerichte und können und dürfen nicht als parallele Instanzen abseits stattlicher Rechtssysteme eingeführt werden. Unsere und die der anderen europäischen Länder existierende und dem Wohle der Bevölkerung dienende Justiz kann und darf nicht durch rein auf Profit abgestellte Scheingerichte in die Zweitklassigkeit gedrängt werden. Diese Schiedsgerichte sind Instrumente der Selbstjustiz der Konzerne und in jedem Rechtssystem ist Selbstjustiz, gleich welcher Art, nicht nur verboten, sondern strafbar.

Der so genannte Investitionsschutz ist die Basis für Raubzüge. Wer ein Produkt auf den Markt bringt, macht das immer unter der Prämisse, dass sich seine Investition auszahlt. Doch jede neue Investition ist mit einem gewissen Risiko verbunden, dass es beim Konsument nicht wirklich ankommt, oder noch schlimmer, dass es auf diesem Markt Gesetze gibt, die eine Verbreitung eines solchen Produktes nicht zulassen, weil Schutzbestimmungen verletzt werden oder weil eine Mehrheit der Menschen dagegen ist (z. B. genveränderte Pflanzen und Tiere). Es ist die Aufgabe von Staaten, solche Schutzbestimmungen als Gesetz einzuführen und damit seine Bürger auch vor den oft schädlichen Interessen von Konzernen wie z. B. Monsanto oder Nestle zu bewahren. Als praktisches Beispiel mal Nestle, die sich in etlichen Bereichen Europas die Wasserversorgung angeeignet hatten, mit den üblichen Versprechen, damit würde es billiger und besser. Es wurde teurer und schlechter und es hat z. B. Frankreich viel Geld gekostet, die Wasserrechte zurück zu bekommen. Bei TTIP und CETA wären solche Privatisierungen unumkehrbar.

Ich habe nie begriffen, warum so viele Menschen glauben, die Privaten könnten alles besser. Sicher, sie könnten es vielleicht besser machen, aber besser machen bedeutet Kosten und Kosten sollen, wo immer möglich, vermieden werden. Wie viele Menschen mussten am eigenen Leib erfahren, dass sie als Kostenfaktor einfach entsorgt wurden? Ich hege schon lange den Verdacht, dass unsere Politik, die seit Schröder und Fischer sehr auf Privatisierung setzt, um damit die Forderungen der WTO mit GATS zu erfüllen, dafür verantwortlich ist, dass sie Bereiche regelrecht verludern lässt, damit die Bürger nach der Privatisierung schreien. Praktisches Beispiel sind die Straßen. Erst wurde das ÖPP-Gesetz erlassen und nun wird daran gearbeitet, die Maut einzuführen und damit privaten Unternehmen die von uns mit vielen Milliarden bezahlten Fernstraßen für ein Trinkgeld zu überlassen. Die Kampagnen gegen die ehemalige graue Post (Telekom) und die gelbe Post haben gewirkt und beide wurden privatisiert. Welche Vorteile das gebracht hat, habe ich vermutlich bisher nur noch nicht erkannt, denn noch immer rege ich mich darüber auf, dass ich für eine oder ein paar Briefmarken lange anstehen muss und auch bei der Privatisierung der Telekom konnte ich bisher keinen Vorteil erkennen, den sie als graue Post der Vergangenheit nicht auch hätte erbringen können. Aber Nachteile sind mir schon bekannt, denn die in diesen Bereichen zuvor tätigen Beamten waren ja unkündbar und die Kosten für Frühpensionierungen oder länger andauernde Zwangsurlaube bei voller Bezahlung treffen uns als Steuerzahler.

Das, was mit den Freihandelsabkommen verwirklicht wird, ist die politische und juristische Macht auf multinationale Konzerne zu verlagern. Der Spiegelfechter(3) hat eine Mail an Gabriel geschickt und sogar Antwort bekommen, die der Spiegelfechter veröffentlicht hat. Natürlich nicht von Gabriel persönlich, sondern von einem für solche Schreiben abgestellten Mitarbeiter, der dann auch die üblichen Floskeln äußerte. Eine dieser Floskeln, der Hinweis darauf, dass Deutschland eine Exportnation ist, hat leider ausgelassen, dass dieser von Schröder und Fischer eingeleitete Weg Deutschland zu einem Niedriglohnland gemacht hat, auf Kosten seiner Bürger und des Binnenmarktes. Auch bleibt in solchen Schreiben immer unerwähnt, dass dieser Export auch schon in Europa für Aufregung der anderen europäischen Staaten geführt hat, die sich beschwert haben, dass die Billigexporte aus Deutschland ausgesprochen negativen Einfluss auf die Wirtschaft dieser Staaten hatte. Das wiederum zeigt, dass es bei einer nicht ausgeglichenen Handelsbilanz auf beiden Seiten Verlierer gibt. Doch das begreifen viele Leute nicht, weil sie einen Außenhandelsüberschuss als positives Ergebnis betrachten.

Der Hinweis auf die Zölle ist geradezu lächerlich, denn die Absenkung der Zölle auf ein Mindestmaß wurde seitens der USA mit GATT bis zur Ausrufung der WTO bereits seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts weitestgehends verwirklich. Die noch bestehenden Zölle zwischen den USA und der EU sind marginal.

Wie pervers dieses System der Schiedsgerichte ist, hat ein Film der ARD(4) mal dokumentiert Und wie pervers ein Gabriel und eine Merkel argumentieren und handeln, zeigt die Antwort aus dem Wirtschaftsministerium an den Spiegelfechter und wird uns bei Merkel sicher mit schönen Worten auf der Basis weiterer Lügen nach dem Treffen mit Obama präsentiert.

Das Beispiel Vattenfall kennen Gabriel und Merkel, aber es hindert sie nicht, einfach weiterzumachen. Die Bezeichnung Volksvertreter müssen sie persönlich als Schimpfwort empfinden, denn das Volk geht sie ganz offensichtlich nichts an. Sie sind Vasallen der USA und vor allem des Großkapitals.

In Hannover sind nun die Proteste in Verbindung mit dem Besuch von Obama angelaufen. Ich gehe davon aus, dass zunächst mal das passiert, was immer dann der Fall ist, wenn ein US-Präsident Deutschland besucht. Kanaldeckel werden verschweißt und die Wege zum Zielort und der Zielort selbst werden weiträumig abgesperrt, Sondereinheiten des Militärs, der Nachrichtendienste und der Polizei stehen bereit, jede Demonstration im Umfeld des Ortes der Verhandlung, wenn nötig, auch mit brachialen Mitteln zu unterbinden und nur solche Menschen in die Nähe zu lassen, die einen gefestigten Status als Abnicker haben. Und ich fürchte, dass im Anschluss die Presse berichten wird, dass Merkel und Obama sich einig sind, dass TTIP unverzichtbar ist, und die Freundschaft zwischen den USA und Deutschland damit gefestigt wird.

Es war, glaube ich, Charles de Gaulle, der es zum Ausdruck gebracht hat: Freundschaft zwischen Staaten gibt es nicht, sondern nur gemeinsame Interessen. Die Sache hat leider einen Haken, denn offenbar haben Politiker längst vergessen, dass nicht sie der Staat sind, sondern ihre Völker und ihre Aufgabe es eigentlich nur ist, diese Interessen des Volkes zu vertreten, nicht mehr und vor allem nicht weniger.

Fußnoten

(1) Freier Handel geht auch demokratischer ZEIT
(2) Alternativen zum Freihandelsabkommen UTOPIA
(3) Wir haben Post von Gabriel bekommen Spiegelfechter
(4) Konzerne klagen – Wir zahlen ARD

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