Science Media Center: Wie Regierungen und Konzerne den Wissenschaftsjournalismus auf Linie bringen

von Norbert Häring

„Die Wissenschaft gehört uns“, hat eine hochrangige UN-Beamtin gesagt. Gemeint mit „uns“ sind die UN, die multinationalen Konzerne, die sie finanzieren, und die maßgeblichen Mitgliedsregierungen. Um dieses Monopol auf die Wahrheit durchzusetzen, werden unabhängige Medien zensiert, Suchmaschinen manipuliert und – noch viel zu wenig bekannt – der Wissenschaftsjournalismus mithilfe großer pseudo-unabhängiger Netzwerke auf Linie gebracht.

In Deutschland und anderen Ländern gibt es ein Netzwerk von Science Media Centers (SMC). Das deutsche Zentrum beschreibt sein Wirken so:

„Mit einem ständig wachsenden Netzwerk von derzeit mehr als 1.000 mitwirkenden Forschenden unterstützen wir aktuell über 1.600 akkreditierte Medienschaffende bei ihrer Berichterstattung – mit Fachwissen aus den Wissenschaften. (…) Zu neuen Studien und in komplexen Sachlagen holen wir proaktiv ausgewiesene Expertisen ein, bringen angesehene Fachleute und Medienschaffende in virtuellen Press Briefings in direkten Austausch und fassen faktenbasierte Erkenntnisse zusammen. Diese Rohstoffe geben wir unmittelbar an die bei uns akkreditierten Medienschaffenden weiter.“

Man sollte nicht leichthin darüber hinweglesen: 1.600 Medienschaffende sind bei diesem Zentrum für Wissenschaftsjournalismus akkreditiert. Das dürfte der überwiegende Teil der Wissenschaftsjournalisten und ein großer Teil derer sein, die gelegentlich über wissenschaftliche Erkenntnisse berichten.

Von diesem Zentrum bekommen sie praktischerweise zu jeder relevanten Pressemitteilung gleich passende Kommentare von ausgewählten wissenschaftlichen Experten geliefert. Leichter kann einem das Berichten nicht gemacht werden. Das Prinzip ist das Gleiche wie beim Netzwerk Klimajournalismus, über das ich vor kurzem hier kritisch berichtet habe.

Die Frage ist also, welche Agenda dieses  „Medienzentrum für Wissenschaften“ verfolgt. Geht es wirklich nur darum, den Wissenschaftsjournalismus irgendwie besser zu machen? Oder geht es darum, ihn im Hinblick auf bestimmte Interessen „besser“ zu machen?

Um das herauszufinden, gehe ich drei übliche Wege: Ich schaue, was getan wird, ich folge dem Geld und ich gehe zurück in die Gründungszeit.

Das Angebot

Zu den ganz aktuellen Angeboten des Science Media Center gehört ein virtuelles Presse-Briefing vom 6.9. zum Corona-Herbst 2023 mit drei Experten, deren Spektrum an Regierungsnähe und Verteidigung der Regierungslinie bezüglich Maßnahmen und Impfstoffe in der Vergangenheit von solide bis fanatisch reichte, Stefan Kluge, Sandra Ciesek und Leif Erik Sander (Zitat von August 21: „Für Kinder ist das Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion mit den unbekannten Langzeitfolgen höher als das gut abschätzbare ‚Risiko‘ einer Corona-Impfung.“).

Sander appelliert in dem Media Briefing des Science Media Center eindringlich an alle, die in Frage kommen, das Angebot „extrem wirksamer, sicherer Impfstoffe“ gegen die aktuellenCovid-Varianten unbedingt wahrzunehmen und plädiert  – gemeinsam mit Ciesek – für das Maskentragen. Außerdem lobt und empfiehlt er die neu zugelassenen RSV-Impfstoffe.

Den Hitzeschutzplan von Gesundheitsminister Lauterbach begleitete das SMC im August mit einer sehr ausführlichen Zusammenstellung von Erläuterungen von Experten zu den (großen) Gefahren von hohen Temperaturen für die Gesundheit.

Die Agenda der forcierten Digitalisierung des Gesundheitswesens von Lauterbach (und seinem Vorgänger Spahn) unterfütterte das SMC jüngst mit einem Bericht mit Expertenkommentaren darüber, dass „Online-Verhaltenstherapie günstiger und ähnlich wirksam wie Standardtherapien“ sei.

Die Sponsoren

„Die Wissenschaft gehört uns“ sagte Melissa Fleming, Stellvertretende Generalsekretärin für Kommunikation der UN 2022 bei einer Diskussionsveranstaltung, des Weltwirtschaftsforums und berichtete, was die Organisation alles tut, damit sich dieses Wahrheitsmonopol in den Medien widerspiegelt. Mit der gleichen Haltung sind auch die Mitgliedsregierungen der UN und die Finanziers der UN-Organisationen aus der Welt der globalen Konzerne sehr aktiv. Das zeigt sich auch am deutschen Science Media Center und seinen internationalen Pendants.

Gründungsgesellschafter und Hauptgeldgeber mit stolzen 1,5 Mio. Euro pro Jahr ist die Stiftung des SAP-Mitgründers Klaus Tschira. Zweitgrößter Geldgeber ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung, direkt mit 50.000 bis 500.000 Euro und eine Stufe darunter mit 20.000 bis 50.000 Euro noch einmal indirekt durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Zu den größeren Spendern gehören daneben noch Google, die Bertelsmann- und die Hertie-Stiftung, sowie BASF und Bayer (Stiftung).

Mit kleineren Beträgen, wohl meist in Form von Beiträgen an den Verein der Freunde und Förderer der Science Media Center Germany gGmbH, sind große Medien wie Süddeutsche, dpa, Elsevier und FAZIT-Stiftung (FAZ), Universitäten und weitere Unternehmen, Stiftungen und Verbände der – insbesondere chemischen – Industrie dabei.

Die Anfänge: Bessere Presse für Gen-Lebensmittel

Wir erfahren auf der Netzseite des deutschen Zentrums, dass das erste Science Media Center in England gegründet wurde, und zwar im Jahr 2002. Das war, nachdem eine Kommission des britischen Oberhauses zu dem Schluss gekommen war, dass die Wissenschaftsberichterstattung in mancher Hinsicht verbesserungswürdig sei, insbesondere, was gentechnisch veränderte Nahrungsmittel angeht:

„Der begründete oder unbegründete Widerstand der Öffentlichkeit, sei es als Bürger oder als Verbraucher, kann den technischen Fortschritt behindern. Ein aktuelles Beispiel sind gentechnisch veränderte Lebensmittel, die nach dem Aufschrei über nicht entmischten Soja und Mais von den Verbrauchern und Einzelhändlern im Vereinigten Königreich weitgehend boykottiert werden.“

Eine der ersten Aktivitäten des Zentrums scheint dann auch 2002 das Lostreten einer Lawine kritischer und sich gleichender Medienberichte über einen BBC-Spielfilm zu diesem Thema gewesen zu sein.

Chefin seit Gründung ist eine äußerst schillernde Person ohne vorherige wissenschaftliche oder wissenschaftsjournalistische Qualifikation mit sehr biegsamen Moralvorstellungen. Fiona Fox, die auf eine nicht erklärte Vergangenheit als Mitglied einer trotzkistischen Splittergruppe zurückblickt, tätigte während ihrer Zeit an der SMC-Spitze unter anderem für einen befreundeten Parlamentarier, der seine Mitarbeiterin mobbte und dafür zu Schadensersatz verurteilt wurde, einen betrügerischen, einschüchternden Anruf bei dieser Mitarbeiterin. Mit diesem Abgeordneten lobbyierte sie für die Zulassung der Schaffung von menschlich-tierischen Mischembryonen.

Das britische SMC ist in den Räumen des Wellcome Trust in London ansässig und der Wellcome Trust hat eine Sondergenehmigung, mehr als fünf Prozent des Jahresbudgets des SMC von zuletzt knapp 800.000 Euro beizutragen. Der Wellcome Trust wurde vom Arzneimittelunternehmer Henry Wellcome begründet und ist neben der Gates-Stiftung einer der weltweit größten und einflussreichsten Förderer biomedizinischer Forschung.

Größte Sponsoren waren im Budgetjahr 2021/22 (in dieser Reihenfolge): Wellcome Trust, UK Research & Innovation, AstraZeneca, GlaxoSmithKline, DeepMind Technologies, Diageo, Roche, Sanofi Aventis, Merck Sharp & Dohme, (MSD), Food Standards Agency, Imperial College London, und die großen Medienhäuser Elsevier, Financial Times und Springer Nature.

Man sieht die extreme finanzielle Abhängigkeit von der Pharmabranche und staatlichen Forschungsförderungsstellen und die Vernetzung mit den bedeutendsten Medienhäusern.

Zentren in der ganzen Welt

Seit kurzem gibt es auch eine eigene Netzseite des Global Network of Science Media Centers. Aufgeführt sind dort neben UK und Deutschland auch Spanien, Australien, Neuseeland, Taiwan und Kenia. Das Netzwerk beschreibt sich so:

„Wir sind ein internationales Netzwerk von gemeinnützigen Organisationen, die sich für ein besseres Verständnis der Wissenschaft in der Öffentlichkeit einsetzen, indem sie evidenzbasierte Informationen in die Schlagzeilen bringen, insbesondere bei kontroversen oder bahnbrechenden wissenschaftlichen Themen, bei denen die meisten Fehlinformationen auftreten. Unabhängig von einer bestimmten Institution und unseren Geldgebern setzen wir uns proaktiv für eine evidenzbasierte Berichterstattung und eine fundierte öffentliche Entscheidungsfindung ein. (…) Wir arbeiten eigenständig mit Journalisten und Wissenschaftlern in unseren Ländern zusammen, nutzen aber auch gemeinsame Ressourcen wie Expertenzitate und Zugang zu Pressegesprächen. Jedes SMC im globalen Netzwerk hat eine Charta unterzeichnet, um sicherzustellen, dass wir gemeinsame Ziele und Grundsätze der Unabhängigkeit verfolgen.“

In Australien zählen die Regierung, große Medienhäuser und Universitäten und ein großes Biotechnologieunternehmen (CSL) zu den größten Förderern. Wenn man direkt und indirekt von Regierungsgeldern abhängig ist, ist das nicht gerade ein Garant für Unabhängigkeit bei umstrittenen Wissenschaftsthemen, bei denen die Regierung ja gern auf einer Seite steht. Wer die Financiers des spanischen und neuseeländischen Ablegers sind, erfährt man auf deren Netzseiten nicht, nur dass das Gründungsgeld von der Regierung (NZ) bzw. einer regierungsnahen Stiftung (ES) kam. Die Taiwainesische Netzseite ist für mich unzugänglich, weil in Landessprache.

Das mit Regierungsgeld gegründete neuseeländische Science Media Center war und ist sehr umtriebig dabei, die selbst im Vergleich mit dem wenig zimperlichen internationalen Standard besonders rabiaten Corona-Maßnahmen der neuseeländischen Regierung mit stützenden Zitaten von ausgewählten Wissenschaftlern gegen Kritik zu verteidigen. Als die Regierung im April 2023(!) beschloss, eine 7-Tages-Quarantänepflicht für Positivgetestete beizubehalten, begleitete das dortige SMC die Meldung mit vier Expertenstimmen von Wissenschaftlern, die sagten, dass diese Maßnahme dringend nötig sei, zu einem Zeitpunkt als international Covid fast kein Thema mehr war.

Das Africa Science Media Center

Besonders interessant ist auch die Geschichte des Africa Science Media Center in Kenia. Es wurde im September 2020 mit dem Geld der Cornell Alliance for Science gegründet. Wohl nicht ganz zufällig erhielt diese mit reichlich Geld von der Gates-Stiftung arbeitende Institution im gleichen Monat eine zusätzliche  10-Millionen-Dollar-Förderung von der Gates-Stiftung.

Die Cornell Alliance for Science wurde nach eigenen Angaben 2014 gegründet um Falschinformationen im Zusammenhang mit Nahrungspflanzen-Biotechnologie zu begegnen. Mit den zusätzlichen zehn Millionen von der Gates-Stiftung wolle man „den Fokus erweitern auf die Bekämpfung von Verschwörungstheorien und Desinformationskampagnen, die den Fortschritt in Sachen Klimawandel, synthetische Biologie und Innovation in der Landwirtschaft behindern“, schrieb die Alliance for Science aus Anlass der Förderung.

Seit November trägt die Allianz den Namen der elitären New Yorker Privatuni Cornell nicht mehr im Namen und wird nicht mehr direkt von dort verwaltet. Vorausgegangen war heftige Kritik von vielen Seiten an der Lobbytätigkeit der Allianz für die Interessen der globalen Nahrungsmittelkonzerne.

Ein Link zu Informationen über die Geldgeber auf der Netzseite von Africa Science Media Center funktioniert nicht.

Die Gates-Stiftung übt auch durch direkte Zuschüsse an Medienunternehmen Einfluss aus. Diese beliefen sich nach einem Bericht von 2021 auf bis dahin mindestens 320 Mio. Dollar und kamen unter anderem den großen US-Medien CNN, NBC, NPR, PBS und The Atlantic zugute, sowie Spiegel (Deutschland) und El País (Spanien), Le Monde (Frankreich) und den britischen Medien BBC, The Guardian, The Financial Times und The Daily Telegraph.

Resümee

Die Science Media Center sind ausweislich ihrer großen Budgets und ihrer Vernetzung mit sehr vielen Journalisten und den wichtigsten Medienhäusern sehr einflussreich. Sie  sind abhängig von der Geberlaune der Regierungen und – soweit das transparent gemacht wird, – von den IT-, Pharma- und Biotechnologiekonzernen und deren Stiftungen. Journalisten und Medienhäuser, die sich mit diesen Zentren vernetzen und ihre Dienste in Anspruch nehmen, nehmen damit in Kauf, dass ihre Berichte von Regierungs- und Konzerninteressen eingefärbt werden.

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