ESM: Familienunternehmen gegen Rettungsschirm

von Gert Flegelskamp

Familienunternehmen gegen Rettungsschirm

Der Widerstand gegen den ESM nimmt nun doch etwas andere Dimensionen an, weil auch verschiedene Wirtschaftskreise dazu auffordern, dem ESM auf keinen Fall zuzustimmen. Im Spiegle online (SPON) wurde der Beitrag Familienfirmen machen gegen Rettungsschirm mobil veröffentlicht. Wie immer habe ich mich besonders für die Leserkommentare interessiert und es ist erstaunlich, alle Beiträge sind contra ESM. So viel Einigkeit habe ich noch in keinem Forum zu einer politischen Berichterstattung gefunden. Offenbar wurden die sonst üblichen Lohnschreiber zurückgepfiffen.

Auch die Familienunternehmer haben eine Webseite ins Netz gestellt. Dabei sollte man sich nichts vormachen, dieser Verband der Familienunternehmer ist nicht unbedingt ein Verband, dem das Wohl aller deutschen Bürger am Herzen liegt und steht besonders den rechten Parteien (CDU/CSU und FDP) nahe. Doch in Sachen ESM ist der Verband eine sehr gewichtige Stimme, vertritt er doch die Unternehmen, deren Erfolg auf binnenwirtschaftlichem Gebiet liegt und immerhin ca. 1 Drittel aller versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Hinzu kommen weitere arbeitgebernahe Verbände wie der Bund der Steuerzahler, das Bündnis Bürgerwille sowie DIE JUNGEN UNTERNEHMER. Die erste (nach meiner Kenntnis), die auf den ESM öffentlich reagiert und mit einem Video die Kernpunkte des ESM auch zur Kenntnis gebracht hat, war Beatrix von Storch, Herzogin von Oldenburg. Auch sie würde ich nicht unbedingt in Bürgernähe verorten, wenn man den Terminus „Bürger“ dabei nicht auf die Mittelschicht reduziert.

Doch mir ist es gleichgültig, ob dieses Zweckbündnis GEGEN den ESM auch sonst mit seinen üblichen Vorstellungen meine Zustimmung findet, denn dieses Bündnis hat etwas, was mir fehlt, eine gehörige Portion Macht. Diese Macht können nicht einmal die BT-Abgeordneten ignorieren. Hinzu kommt, dass auch 10 BT-Abgeordnete gegen den ESM stimmen werden, seltsamerweise auch aus den Reihen von CDU/CSU und FDP, wobei ich vermute, dass diese Abgeordneten zu den vorgenannten Organisationen gehören.

SPD und Grüne, dessen bin ich mir ziemlich sicher, werden ausnahmslos für den ESM und den Fiskalpakt stimmen. Wenn sich in diesen sich immer anbiedernden Kreisen überhaupt ein Funken Widerstand regt, dann allenfalls in Form einer Stimmenthaltung.

Die SPD hat bereits signalisiert, dass sie nun dem Fiskalpakt zustimmt, weil Merkel eine Bereitschaft zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in einer Größenordnung zwischen 0,01% und 0,1% zugestimmt hat, vorausgesetzt, sie findet 6 weitere EU-Staaten, die sich beteiligen. Gabriel hat dabei getönt, seit 2 Jahren kämpfe die SPD für die Einführung einer solchen Transaktionssteuer. Schon komisch, dass dieser Kampf erst begann, als die SPD wieder in der Opposition war, denn bis 2009 hätte sie ja mit Steinbrück als Finanzminister durchaus die Möglichkeit gehabt, mit viel mehr Eigengewicht eine solche Steuer durchzubringen. Neu ist das Konzept einer Transaktionssteuer auch nicht, sondern wurde schon vor etlichen Jahren als so genannte Tobin-Steuer ins Gespräch gebracht, aber von SPD und Grünen in ihrer Regierungszeit vehement als Wachstumshemmnis verweigert. Die Idee dazu entwickelte Tobin bereits 1972, also vor genau 40 Jahren (auch damals saß die SPD am Ruder).

Endlich wird in diesem SPON-Beitrag auch mal gesagt, dass amerikanische Kanzleien die Verfasser des ESM sind. Man sollte die Abgeordneten daran erinnern, dass auch die Konstrukte des CBL (Cross Border Leasing) von US-Kanzleien verfasst wurden, auch mit Klauseln, die einen Austritt unmöglich gemacht haben, mit der Folge, dass Länder und Kommunen in dieses scheinbar lukrative Geschäft Milliarden versenkt haben und teilweise heute noch dafür zahlen müssen. Haarsträubend dabei ist auch, dass es erneut eine Lobby ist (denn die großen US-Anwaltskanzleien sind durch die Bank Lobbys der Wirtschaft und der Banken), die einen Europäischen Gesetzestext verfasst hat. Ich denke, das gilt auch für alle übrigen EU-Verträge, von denen zumindest beim wichtigsten Vertrag, dem EG-Vertrag, bekannt ist, dass er von den gerade erst gegründeten Bilderbergern erarbeitet wurde.

Wenn ich nun mal wieder ein wenig abschweife, hat das einen Grund. Wir alle wissen, was eine Feuerwehr ist. Wenn es irgendwo brennt, wenn irgendwo ein schwerer Unfall passiert ist, dann rufen wir die Feuerwehr und/oder die Polizei. Weniger bekannt dürfte sein, dass die Feuerwehren in Deutschland größtenteils freiwillige Feuerwehren sind, in denen vielleicht ein paar hauptamtliche städtische Beamte tätig sind. Aber wir wissen, dass wir uns auf die Feuerwehr verlassen können.

Und nun stellen Sie sich eine Feuerwehr vor, der sie einen Brand melden und die ihnen antwortet, dafür seien sie nicht zuständig. Oder Sie rufen sie an, weil ein Kind in einem Brunnen gefallen ist und bekommen zur Antwort, Sie sollen erst mal abwarten, das Kind könne ja vielleicht schwimmen. Sie meinen, ich hätte eine ziemliche Unordnung in meinem Oberstübchen? Ich beweise Ihnen das Gegenteil, denn es gibt diese Feuerwehr und wenn Sie darüber hören oder lesen, erstarren Sie (zumindest viele von Ihnen) vor Ehrfurcht. Diese Feuerwehr, die ich meine, ist die politische Feuerwehr, besser bekannt unter dem Namen Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Wie behauptete Wiefelspütz einmal? „… und das BVerfG wacht über unsere Verfassung.“ Nun möchte ich hier gar nicht darüber debattieren, dass das Grundgesetz (GG) keine Verfassung ist, sondern erst nach der Wiedervereinigung durch eine vom Volk legitimierte Verfassung ersetzt werden sollte. Daran hat sich die Politik ja nun eher plump als geschickt vorbei gemogelt, indem sie behauptete, es sei keine Wiedervereinigung erfolgt, sondern die Länder der DDR seien der BRD beigetreten. Doch auch das interessiert hier weniger. Schauen wir lieber mal auf die Funktionsweise des ach so hoch geachteten BVerfG und lassen dabei auch außer Acht, dass diese Verfassungsrichter nach Parteiinteressen ausgesucht werden.

Gehen wir mal davon aus, dass die Regierung ein Gesetz verabschiedet (Beispiel ESM) und eigentlich gleich klar ist, dass dieses Gesetz mit dem GG nicht vereinbar ist. Also rufen besorgte Bürger noch vor der Ratifizierung das BVerfG an. Dann werden sie mehr oder weniger höflich darauf hingewiesen, dass ein Einwand gegen ein beabsichtigtes Gesetzesvorhaben beim BVerfG nicht eingereicht werden kann, weil das BVerfG erst nach der Ratifizierung durch den Bundestag und erfolgter Unterschrift durch den Bundespräsidenten aktiv werden kann und erst dann könne man das BVerfG anrufen, müsse aber genau begründen, welche ganz persönlichen Grundrechte mit diesem Gesetz verletzt würden (mein Beispiel mit dem Kind im Brunnen). Am Beispiel Hartz IV wird eine andere Variante deutlich. Das BVerfG hat eine Klage nach Art. 100 GG durch das Landgericht Hessen angenommen, das die Höhe der Transferleistungen, insbesondere für Kinder, als nicht mit der Verfassung vereinbar ansah und deshalb das BVerfG angerufen hatte. Dieser Klage gab das BVerfG statt und hat ein wenig Löschmittel vorgeschrieben. Alle anderen verfassungswidrigen Punkte dieses Vertragswerkes (SGB II) blieben unberücksichtigt, weil sie nicht Gegenstand der Beschwerde waren und damit auch keine Betroffenheit der Beschwerdeführer geltend gemacht wurde. Das ist mit einer Feuerwehr vergleichbar, die einen Band in ihrer Küche gemeldet bekommt und auch, wenn inzwischen das ganze Haus brennt, nur die Flammen in der Küche löscht, weil die übrigen in Flammen stehenden Räume bei der Brandmeldung nicht genannt wurden.

Auch BT-Abgeordnete, die immerhin im ersten halben Jahr nach der Verabschiedung eines Gesetzes gegen das Gesetz die Möglichkeit einer Organklage haben, werden in der Regel abgewiesen, wie die EU-Verträge beweisen, gegen die nahezu regelmäßig durch den CSU-Abgeordneten Gauweiler eine Organklage eingereicht wurde. Bei der Ratifizierung des ESM vermute ich mal stark, dass das BVerfG sich dafür als nicht zuständig erklären wird, weil das EU-Recht beträfe und damit der EuGH zuständig wäre. Beim Fiskalpakt (VSKS) bin ich mir nicht sicher, welche Sicht das BVerfG vertreten wird, denn es kann sein, dass es, abhebend auf den neu gefüllten Artikel 23 des GG den Fiskalpakt als rechtsgültig ansehen und Beschwerden dagegen abweisen wird. Rein theoretisch könnte es aber auch sein, dass die Verfassungsrichter zu dem Schluss kommen, dass der ganze Artikel 23 keine Gültigkeit haben kann, weil er selbst grundgesetzwidrig ist, indem er gegen Art. 20 in Verbindung mit Art. 79 verstößt. Vielleicht fällt dem BVerfG sogar auf, dass Art. 144 GG nach wie vor auf den ehemaligen Inhalt des Art. 23 verweist.

Sehen wir es mal real, das BVerfG darf nicht eingreifen, auch wenn es erkennt, dass Gesetzesvorhaben verfassungswidrig sind. Es darf auch nicht eingreifen, wenn ein verfassungswidriges Gesetz beschlossen wurde, es sei denn, jemandem gelingt es, bis zum BVerfG vorzudringen. Bei Beschwerden von Bürgern (die zu 97,4% abgelehnt werden) wird niemals der gesamte Inhalt des Gesetzes oder eines Gesetzespaketes wie z. B. das SGB II komplett auf seine Verfassungswidrigkeit hin untersucht, sondern immer nur der Teil, den der Beschwerdeführer als persönlich Betroffener als Verstoß gegen seine Grundrechte nachweisen kann oder nachzuweisen versucht.

Wie viele Gesetze bei uns gültig sind, die einer Überprüfung durch das BVerfG nicht standhalten würden, weiß kein Mensch, vermutlich nicht einmal das BVerfG, es sei denn, es hat darüber eine Statistik angelegt. Aus den vorgenannten Gründen ist das BVerfG eine politische Feuerwehr, die ihrem Auftrag eigentlich nicht nachkommen kann und wohl auch nicht will. Schon mehrfach wurden Beschwerdeführer abgewiesen, weil die Verfassungsrichter „erst mal sehen wollten, wie die ordentlichen Gerichte urteilen“. Dabei gelten Urteile der ordentlichen Gerichte (ausgenommen der BGH) nur für Einzelfallentscheidungen, also ohne Gültigkeit für andere Betroffene der gleichen Gesetze.

Für mich ist das BVerfG eine überflüssige Einrichtung, denn es kann und darf keine Eigeninitiative entwickeln und wenn es dann mal tatsächlich ein Urteil fällt, ist das in der Regel so schwammig formuliert, dass die Regierung ihre Änderungen so festlegen kann, dass der Inhalt des Gesetzes zwar anders gefasst wird, aber zum gleichen Ergebnis führt (siehe Ursula von der Leyen und das Urteil des BVerfG zu den Transferleistungen). Aus diesen Gründen glaube ich auch nicht, dass die Beschwerden einiger Abgeordneter zum Fiskalpakt und zum ESM dazu führen werden, dass das BVerfG diese Gesetzespakete aufhalten wird. Und deshalb ist es so wichtig, dass nun eine wirklich mächtige Gruppe von Unternehmern ihr Veto einlegt, dass sicherlich mehr Gewicht hat, als ein Urteil des BVerfG, wie das Beispiel EU-Verfassung bewiesen hat, die das BVerfG verworfen hat um dann der Ratifizierung des Lissabonvertrages zuzustimmen.

Quelle: flegel

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