Was Anleger vom Fußball lernen können

Manfred Gburek

Es ist immer wieder spannend, zu beobachten, wie bestimmte Anlegerkreise auf Entscheidungen der Zentralbanken oder auch nur auf deren Wortakrobatik reagieren. Zwei besonders bezeichnende Beispiele dafür gab es in der abgelaufenen Woche: die erste Zinssenkung durch Chinas Zentralbank seit 2008 und die zum Teil mysteriösen Andeutungen von US-Notenbankchef Ben Bernanke. Beide Ereignisse standen zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang, aber in beiden Fällen ging es um die Konjunktur.

Ein Großteil der Anleger, in erster Linie Börsenspieler, interpretierte die chinesische Zinssenkung vor allem als Eingeständnis einer schwachen Konjunktur. Das war ein Mal um die Ecke gedacht, gilt doch jede Zinssenkung zunächst als positives Signal, als Stimulus für die Wirtschaft und damit vorab auch für die Börse. Doch unter Börsenspielern kommt es in letzter Zeit spontan immer mehr zu gegenteiligen Interpretationen, die kurzfristig das sprichwörtliche Herdenverhalten auslösen. Nach wenigen Tagen ist der Spuk dann wieder vorbei, und der gesunde Menschenverstand setzt sich gegen die Herde durch.

Im Fall China kommt hinzu, dass das Land nach wie vor ein starkes Wirtschaftswachstum hat und es auch beibehalten wird. Dazu gehört eine vermeintliche Marginalie, die jedoch für alle Goldfans von größtem Interesse sein dürfte: Chinesen kaufen für private Zwecke immer mehr Gold. Das wäre normalerweise kaum erwähnenswert, hätte der Goldpreis nicht ausgerechnet im Gefolge der chinesischen Zinssenkung abwärts reagiert. Warum das? Weil die Börsenspieler sich mit der folgenden Fehlinterpretation für einen Tag durchgesetzt haben: China senkt den Zins, also tendiert die chinesische Wirtschaft schwach, folglich werden die Chinesen weniger Gold kaufen. Das ist selbstverständlich Unsinn, was der Goldpreis denn auch bis Freitagabend bestätigt hat, weil er wieder gestiegen ist.

So abenteuerlich die Gedankensprünge der Börsenspieler sind, so schnell finden sie für kurze Zeit genug Anhänger, die das Spiel mitmachen. In diesem Fall kommt hinzu, dass der eingangs erwähnte US-Notenbankchef Bernanke mit seiner Rede vor dem amerikanischen Kongress die Anhängerschar noch unfreiwillig vergrößerte, als er davon sprach, seine Institution Fed sei bereit, das Finanzsystem und die Wirtschaft zu schützen. Diese Botschaft kam an den Börsen so an: starke Finanzen und starke Wirtschaft = starker Dollar. Und weiter: Wenn der Dollar stark sei, müsse der Goldpreis fallen, sagten sich die Börsenspieler und handelten entsprechend, indem sie für einen Tag pro Dollar und kontra Gold spekulierten.

Solche Beispiele finden sich inzwischen fast täglich. Sie betreffen so ziemlich alles, was gehandelt wird, von Direktanlagen in Währungen und Edelmetallen bis zu Aktien- und Rentenfonds, von einfachen Anlagezertifikaten bis zu gefährlichen Hebelprodukten, von Calls auf Kupfer und Kakao bis zu Puts auf Zucker und Zink. Wer mitmacht, ist entweder Profi, wird erst dazu oder lernt es nie. Das Fatale daran: Die wahren Profis, die Tagesschwankungen geschickt für schnelle Gewinne nutzen, brauchen Gegenspieler, die ihnen solche Gewinne ermöglichen, indem sie für die Gegenbuchung sorgen, also für Verluste. Die Verlierer erklären sich natürlich nicht freiwillig dazu bereit. Also schießen Firmen wie Pilze aus dem Boden, die den potenziellen Verlierern suggerieren, mit kurzfristigem Trading könne man massig Geld verdienen. Den Rest erledigen Werbespots in Sendern wie n-tv.

Es liegt nahe, dass die wahren Kurzfrist-Profis bei diesem Spiel so gut wie immer am längeren Hebel sitzen. Denn sie haben es in der Hand, über ihre Freunde bei den Medien Gerüchte und Falschmeldungen in die Welt zu setzen. Als Belohnung fällt für die Freunde der eine oder andere Tipp ab, und damit ist man quitt. Nichts gegen Trading als solches, aber diese Art von Trading führt letzten Endes zum finanziellen Ruin derjenigen, die den Aussagen in den Werbespots vertrauen und anschließend ohne Aussicht auf Erfolg gegen die Profis antreten.

Einem bekannten Fußballnationalspieler wird der Satz zugeschoben: Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel. Man mag sich darüber vor Lachen auf die Schenkel klopfen, aber was ist Fußball wirklich? Spiel? Spekulation? Von beidem etwas? Im Zweifel Letzteres, was sich allein schon aus dem Nebeneinander von Spielwetten (einschließlich manipulierter Spiele) und taktischen Spielzügen auf dem Rasen ergibt, die ja nichts anderes sind als die Spekulation darauf, dass die gegnerische Mannschaft durch sie überrascht wird.

Spekulation an der Börse ist geistige Gymnastik und Kunst zugleich, pflegte der unter deutschen Anlegern populäre Spekulant André Kostolany immer zu sagen. Insofern ist der Vergleich mit dem Fußball gar nicht so abwegig: Joachim Löw hat Ideen, die er durch umfangreiche Recherchen seiner DFB-Kollegen untermauert, gedanklich in Spielzüge umsetzt, und die Ballkünstler der deutschen Nationalmannschaft müssen sie auf dem Rasen realisieren. Dabei begegnen sie allerdings Gegnern, deren Trainer im Zweifel etwas Ähnliches ausgeheckt hat. Nun stelle man sich vor, einer der beiden Trainer schicke seine Mannschaft aufs Feld, ohne sie entsprechend instruiert zu haben. Eine hohe Niederlage dieser Mannschaft wäre sicher. Ähnlich verhält es sich mit den Börsenspielern, die versuchen, gegen die Profis anzutreten, ohne deren Spielzüge – einschließlich Manipulationen – zu kennen. Ein Desaster.

Das Fazit daraus: Verwenden Sie Ihre kostbare Zeit lieber dafür, wie Joachim Löw und wie andere Erfolgstrainer auf der Basis von Recherchen Ihr Geld taktisch klug anzulegen, statt sich ohne entsprechende Vorbereitung Firmen anzuvertrauen, die Ihnen mithilfe von Werbespots auf n-tv und anderswo das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Recherchen kosten viel Zeit, sie einzuschränken oder sogar zu ignorieren, kostet aber viel Geld. Konzentrieren Sie sie jetzt noch intensiver als bisher auf Edelmetalle, und sei es nur durch tägliches Anklicken von goldseiten.de, und zunehmend auf Aktien, speziell auf deutsche Aktien, zu denen die Berichterstattung in den gängigen Medien und speziell in den Internetseiten der betreffenden Unternehmen recht umfangreich ist. Womit sich der Kreis zur chinesischen Zinssenkung schließt; denn sobald die chinesische Konjunktur wieder anspringt, werden deutsche Unternehmen wegen ihrer überwiegend starken Stellung in China davon mit am meisten profitieren.

Quelle: gburek

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