Im Roten Meer fällt ein mit mehr als einer Million Barrel Öl gefüllter Tanker auseinander. Es droht eine Umweltkatastrophe.
Seit dem Beginn des Krieges liegt der Tanker «Safer» vor der Küste Jemens. Eigentlich hätte das Schiff bereits vor zwei Jahrzehnten verschrottet werden müssen. Der 45-jährige Tanker ist aber immer noch in Betrieb – auch wenn er bereits vor Jahren praktisch aufgegeben wurde und nicht mehr gewartet wird.
Die Tanks des Schiffs sind mit etwa 1,14 Millionen Barrel Öl gefüllt. Erst kürzlich drang Wasser in den Maschinenraum ein, der Tanker drohte zu sinken. Davor war ein Ausrüstungsteil weg gerostet und verfehlte eine Pipeline nur knapp. Die «Safer» fällt zunehmend auseinander.
Fliesst das Öl ins Rote Meer, wird der Planet mit einer der schwersten Umweltkatastrophen aller Zeiten konfrontiert. Das berichtet unter anderem «Le Temps».
UN-Sicherheitsrat ist handlungsunfähig
Im Jahr 2015 begann der Krieg im Jemen, der Zehntausenden von Menschen das Leben kostete und das Land verwüstete. Seitdem wurde der Tanker «Safer», der vor dem Hafen des Ölterminals Ras Isa und damit nördlich der von Huthi-Milizen kontrollierten Stadt Hodeida liegt, nicht mehr gewartet. Deshalb rostet das Schiff, die Korrosion ist aufgrund des Salzes und der Hitze erheblich.
Die Gefahr ist seit Jahren bekannt, auf internationaler Ebene gab es während den letzten zwei Jahren immer mehr Aufrufe, den Tanker seetüchtig zu halten, ihn nicht sinken zu lassen und das Öl zu entsorgen. In der Zwischenzeit ist die Bedrohung für die Natur so gross geworden, dass sich auch der UN-Sicherheitsrat mit dem Thema auseinandersetzt. «Wir sind seit Jahren handlungsunfähig», sagt Jens Laerke, Sprecher des UNO-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) gegenüber «Le Temps». Die UNO habe ein technisches Expertenteam zusammengestellt, das bereit sei, die Schäden am Tanker vor Ort zu beurteilen und eventuell die ersten Notreparaturen durchzuführen.
Die Huthi-Milizen hätten sich mit der Mission einverstanden erklärt, so Laerke. Davon abgesehen gebe es für die Techniker keinen Schutz, die Mission sei riskant. So halten sich zum Beispiel hartnäckige Gerüchte über Sprengladungen, die um das Schiff herum und vielleicht sogar an Bord angebracht sein sollen.
Poker auf dem Rücken der Umwelt
Allerdings haben die Huthi-Milizen der UNO bereits in der Vergangenheit den Zugang zum maroden Tanker zugesichert, bevor sie ihre Einwilligung ohne Erklärung wieder zurückgenommen hatten. Neben der instabilen Lage im Jemen spielt im Poker um die «Safer» auch der Ölpreis eine Rolle: Zu Beginn des Krieges war das Öl, das auf dem Schiff gebunkert wird, etwa 80 Millionen Dollar wert. Seitdem ist der Ölpreis zusammengebrochen und das Öl, das aus den 430 Kilometer entfernten Marib-Ölfeldern stammt und von schlechter Qualität ist, hat einen grossen Teil seines Werts verloren.
Der Preiszerfall ist so drastisch, dass die Einnahmen aus dem gebunkerten Öl möglicherweise nicht einmal reichen sollen, um die notwendigen Arbeiten zum Entleeren des Schiffes zu bezahlen – womit die Gefahr der drohenden Ölpest abgewendet werden könnte.
Aber der Poker um die «Safer» hat noch eine weitere Dimension: Die Huthi-Milizen kämpfen gegen eine internationale Koalition, die von Saudi-Arabien geführt und von den Vereinigten Staaten unterstützt wird. Die Milizen kämpfen um internationale Anerkennung und nutzen den Tanker und die von ihm ausgehenden Umweltgefahren als Druckmittel bei Verhandlungen.
Das Gebiet, das die Huthi-Milizen kontrollieren, wurde mit einem Embargo belegt, was auch die Zivilbevölkerung zu spüren bekommt. Während an jeder Tankstelle der Hauptstadt Sanaa Hunderte Autos Schlange stehen, wollen die Huthi-Milizen nicht klein beigeben. «Die Amerikaner und ihre Verbündeten kümmern sich mehr um das Leben der Shrimps als um das Leben der Jemeniten», zitiert «Le Temps» die Antwort eines Anführers der Rebellion, der auf die mögliche Ölkatastrophe angesprochen wurde. Eine Antwort, die auch klar macht, dass der Tanker längst zu einem Spielball im Kampf um die Macht im Jemen geworden ist.
Katastrophen bahnen sich an
Trotzdem scheint einigen Beteiligten klar, was die drohende Ölpest im Jemen ausrichten könnte. Denn die «Safer» hat mehr Öl geladen, als zum Beispiel die «Exxon Valdez», die 1989 eine Ölpest vor der Küste Alaskas verursachte – was noch immer als eine der grössten Umweltkatastrophen in der Seefahrt gilt.
Zusätzlich zu den Hunderttausenden Vögeln und Fischen, wäre eine Ölpest im bereits blutenden Jemen wohl nicht nur eine Umwelt-Katastrophe, sie würde wahrscheinlich auch eine humanitäre Katastrophe auslösen. Im Jemen leben mehr als 100’000 Familien vom Fischfang. Dann würde eine Ölpest auch die Wasserentsalzungsanlagen bedrohen, welche für die Bevölkerung vielfach die einzige Möglichkeit darstellen, an Trinkwasser zu gelangen. Und da das Land praktisch alle seine Waren importiert, ist es auf passierbare Küstengewässer angewiesen, was im Falle einer Ölpest nicht mehr gewährleistet wäre.
Lise Grande, UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe im Jemen, sagte gegenüber der AFP: «Es wird eine Umweltkatastrophe wie keine andere geben, und es wird eine humanitäre Katastrophe sein, weil das Öl den Hafen von Hodeida unbenutzbar machen wird.»
Letzte Korallenriffe bedroht
Während überall auf der Welt Korallen infolge der Klimaerwärmung absterben, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Entdeckung gemacht: Die Korallen im Roten Meer sind die einzigen auf der Welt, die sich – vor allem im Norden des mehr als 1800 Kilometer langen Meeres – teilweise an die neuen klimatischen Bedingungen anzupassen vermögen.
Gegenüber «Le Temps» sagt Anders Meibom, Professor an der EPFL und Gründer des Transnationalen Forschungszentrums für das Rote Meer, das auch vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) finanziell unterstützt wird: «Im Gegensatz zu den Korallenriffen in Australien oder der Karibik können sie immer noch einen Temperaturanstieg von zwei oder drei Grad überstehen. Aber nur, wenn sie vor schwerer lokaler Verschmutzung geschützt werden.»
Hilferuf an UN-Sicherheitsrat
In der Zwischenzeit haben neben der international anerkannten jemenetischen Regierung auch Staaten wie Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien und Sudan erkannt, welche dramatischen Folgen eine Ölpest vor der Küste Jemens auslösen würde. Sie baten den UN-Sicherheitsrat, dringende Massnahmen zu ergreifen.
Weil der marode Tanker «Safer» aber längst zum politischen Spielball der unterschiedlichsten Interessensgruppen geworden ist und die Fronten verhärtet bleiben, ist keine rasche Lösung in Sicht. Rasch schreitet nur die Korrosion voran, die den maroden Tanker zerfrisst.
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- DOSSIER: Gifte und Schadstoffe in der Umwelt
- DOSSIER: Der Krieg in Jemen
Da ist bestimmt Herr Putin Schuld dran!