40 Prozent aller «Investments» gehen in Briefkastenfirmen

Daniela Gschweng (infosperber)

Zehntausende Milliarden Dollar sind in wenigen Steueroasen geparkt. Produktiv ist dieses Geld nicht, aber günstig.

Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF), der dazu in Zusammenarbeit mit der Universität Kopenhagen eine Analyse durchgeführt hat, sind zwei Fünftel aller globalen Direktinvestitionen «Phantomkapital» und dienen der Steuerflucht.

Um die 15‘000 Milliarden Dollar liegen in «leeren Firmenhüllen ohne Geschäftsaktivität», stellten die Ökonomen Jannick Damgaard, Thomas Elkjaer und Niels Johannesen in einem Artikel in «Finance & Development» fest. Die Forscher haben Daten zu ausländischen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investments, FDI) der vergangenen Jahre analysiert. Eine erschreckende Zahl, wenn man bedenkt, was das bedeutet.

Wenn Geld im Ausland investiert wird, ist das zunächst einmal nicht schlecht. Es fördert Mehrwert und bringt Arbeitsplätze. Dass an dieser Idealvorstellung irgendetwas nicht stimmen kann, legen schon die Zahlen nahe. In Luxemburg, das 600‘000 Einwohner hat, liege so viel ausländisches Investitionskapital wie in den gesamten USA, rechnen Damgaard, Elkjaer und Johannesen vor. Bei vier Billionen Dollar kommen auf jeden Einwohner 6,6 Millionen Dollar – eine riesige Zahl.

Der Grossteil des Phantomkapitals liegt in nur zehn Orten

«Investition» heisst oft schlicht, Geld von einem Firmenteil in einen anderen zu verschieben, als Kredit an eine Tochterfirma in Irland zum Beispiel. Von dort geht es vielleicht auf die Bahamas und liegt dort auf einem Bankkonto einer weiteren Briefkastenfirma. Produktiv sind die Milliarden damit nicht, aber günstig. Im Ursprungsland sind sie aus der Bilanz verschwunden und die Tochterfirma ist eine leere Hülle. Sie hat wenige bis gar keine Angestellten und erwirtschaftet keine Umsätze. Deshalb zahlt sie auch wenig Steuern.

Und dies meist dort, wo Steuern ohnehin günstig sind. Der Grossteil der «Phantominvestitionen» liegt in wenigen Steueroasen, fast die Hälfte davon in Luxemburg und den Niederlanden. Zusammen mit Hong Kong, den britischen Jungferninseln, den Bermudas, Singapur, den Cayman-Inseln, Mauritius, der Schweiz und Irland halten dabei zehn Orte 85 Prozent des globalen Phantomkapitals.

Es geht um Milliarden: Menge und Anteil an Phantomgeld bei den globalen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) steigen seit Jahren an. (Damgaard, Elkjaer, Johannesen)

Der Wirtschaft dieser Orte bringt das eigentlich wenig, Länder wie Irland haben daraus aber ein Geschäftsmodell gemacht. Nach der Senkung der Unternehmenssteuern in den 1980er-Jahren stieg das BIP dort sprunghaft an. Die inaktiven Firmen zahlen zwar nun weniger, dafür kamen viele. Die Firmenhüllen bezahlen Gebühren, Abgaben und Beratungsleistungen. In einigen Steueroasen machen diese Posten einen guten Teil der sogenannten Wirtschaftsleistung aus.

Dieses Finanzgeschacher setzt das Steuersystem der Länder, aus denen das Geld stammt, unter Druck. Sie verlieren nicht nur Milliarden, sondern sind auch gezwungen, selbst Steuern zu senken. Im internationalen Durchschnitt sind die Unternehmenssteuern deshalb seit den 1990er-Jahren von 40 auf 25 Prozent gefallen. Der Anteil des Phantomkapitals an den globalen Investitionen ist dafür im letzten Jahrzehnt von 30 auf fast 40 Prozent gestiegen. Dazu kommen die Möglichkeiten der globalen Wirtschaft, die es beispielweise möglich machen, IT-Dienstleistungen aus einer Steueroase zu erbringen. Am Ende schadet diese Situation allen anderen – «normalen» –Steuerzahlern.

Die EU geht inzwischen in besonders dreisten Fällen gegen Steuerflucht vor. Dennoch, die globale Steuerarchitektur bräuchte dringend eine Überarbeitung, schreiben die Autoren in ihrer Analyse. Eine Folgearbeit, die «echte» Investitionen von Phantomaktivitäten besser trennen und die Wege des Phantomgeldes nachvollziehen soll, haben die Dänen bereits angekündigt.




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