«Wahlen sind schlecht für die Demokratie»

Diese Aussage machte Adam Grant, ein führender Mitarbeiter des WEF, Wharton-Managementexperte sowie Berater von Google und Bill Gates in einem Gastartikel in der «New York Times».

Quelle: transition-news


«Wahlen sind schlecht für die Demokratie». Diese Aussage lancierte Adam Grant, hochrangiger Mitarbeiter des Weltwirtschaftsforums (WEF), Wharton-Managementexperte und Berater von Google und Bill Gates in einem Meinungsartikel in der New York Times. Darauf aufmerksam machte der unabhängige Autor Igor Chudov.

Am Vorabend der ersten Debatte des Präsidentschaftswahlkampfes 2024 sei das Vertrauen in die Regierung auf einem historischen Tiefpunkt angelangt, konstatiert Grant. Beamte hätten hart daran gearbeitet, Wahlen zu schützen und die Bürger von ihrer Integrität zu überzeugen. Aber wenn wir wollten, dass öffentliche Ämter integer sind, «sollten wir Wahlen vielleicht besser ganz abschaffen», schlägt er vor.

«Wenn Sie denken, dass das antidemokratisch klingt, dann denken Sie noch einmal nach. Die alten Griechen haben die Demokratie erfunden, und in Athen wurden viele Regierungsbeamte durch Losverfahren ausgewählt – eine zufällige Auslosung aus einem Pool von Kandidaten. In den Vereinigten Staaten verwenden wir bereits eine Version der Lotterie, um Geschworene auszuwählen. Wie wäre es, wenn wir dasselbe mit Bürgermeistern, Gouverneuren, Abgeordneten, Richtern und sogar Präsidenten machen würden?»

Die Menschen gingen davon aus, dass zufällig ausgewählte Führungspersönlichkeiten weniger effektiv seien als solche, die man systematisch auswähle, fährt Grant fort. Doch der Psychologe Alexander Haslam hätte das Gegenteil aufgezeigt. Gruppen würden tatsächlich klügere Entscheidungen treffen, wenn man die Führungspersönlichkeiten nach dem Zufallsprinzip auswähle.

Grant hat auch eine Antwort darauf, warum zufällig ausgewählte Führungspersonen effektiver sind: Weil sie die Belange des Volkes demokratischer angingen. Dr. Haslam und seine Kollegen hätten offenbart, dass systematisch ausgewählte Führungskräfte die Gruppenziele untergraben könnten, weil sie dazu neigten, ihre persönliche Überlegenheit zu behaupten.

Denn wenn man von der Gruppe «gesalbt» werde, könne einem das schnell zu Kopf steigen. Nach dem Motto: «Ich bin der Auserwählte». Wisse man, dass man willkürlich ausgewählt worden sei, spüre man hingegen nicht genug Macht, um sich davon korrumpieren zu lassen. Stattdessen empfinde man ein gesteigertes Verantwortungsgefühl.

Grant tut kund, dass er seine Idee im Laufe des letzten Jahres bei einer Reihe von derzeitigen Kongressmitgliedern zur Sprache gebracht habe. Ihre unmittelbare Sorge sei: «Wie können wir sicherstellen, dass die zufällig ausgewählten Bürger in der Lage sind, zu regieren?» Auch dafür hat der Mitarbeiter des Weltwirtschaftsforums eine Lösung parat:

«Im alten Athen hatten die Menschen die Wahl, ob sie an der Lotterie teilnehmen wollten. Ausserdem mussten sie eine Prüfung ihrer Fähigkeit zur Ausübung öffentlicher Rechte und Pflichten bestehen. Stellen Sie sich vor, dass in Amerika jeder, der in den Pool aufgenommen werden möchte, einen Staatsbürgerschaftstest bestehen muss – nach denselben Massstäben wie Einwanderer, die die Staatsbürgerschaft beantragen. Am Ende hätten wir vielleicht Politiker, die die Verfassung verstehen.»

Grant ist überzeugt, dass ein solches Verfahren auch unsere Chancen erhöhen würde, die schlechtesten Kandidaten von vornherein auszuschliessen. Das betreffe auch den Charakter, bei dem viele unserer gewählten Vertreter Defizite aufwiesen. Was daran liege, dass die Menschen, die sich am meisten zur Macht hingezogen fühlten, in der Regel auch am wenigsten geeignet seien, sie auszuüben.

Die gefährlichsten Eigenschaften einer Führungspersönlichkeit seien, was Psychologen die «dunkle Triade der Persönlichkeitsmerkmale» nennen würden: Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie.

Was diese Eigenschaften gemeinsam hätten, sei die Bereitschaft, andere zum persönlichen Vorteil auszunutzen. Menschen mit Merkmalen der dunklen Triade seien in der Regel politisch ehrgeiziger – sie fühlten sich von Autorität um ihrer selbst willen angezogen.

Der Bürger gerate trotzdem oft in ihren Bann, warnt Grant. In einer Studie über Wahlen auf der ganzen Welt hätten Kandidaten, die von Experten als hochgradig psychopathisch eingestuft wurden, an den Wahlurnen tatsächlich besser abgeschnitten. In den Vereinigten Staaten hätten Präsidenten, denen psychopathische und narzisstische Tendenzen attestiert wurden, überzeugender auf die Öffentlichkeit gewirkt als ihre Kollegen.

Eine gängige Erklärung dafür ist Grant zufolge, dass sie Meister der furchtlosen Dominanz und des oberflächlichen Charmes seien, und wir ihr Selbstvertrauen mit Kompetenz verwechselten.

Bedauerlicherweise fange das schon früh an: Selbst Kinder, die narzisstische Persönlichkeitsmerkmale aufwiesen, würden häufiger als Führungskräfte nominiert und behaupteten, sie seien die besseren Anführer. «Das sind sie aber nicht», behauptet Grant und macht klar, wen er in diese Kategorie einordnet:

«Wenn die dunkle Triade eine Wahl gewinnt, verlieren wir alle. Als Psychologen die ersten 42 amerikanischen Präsidenten bewerteten, stellte sich heraus, dass die Narzissten mit grösserer Wahrscheinlichkeit waghalsige Risiken eingehen, unethische Entscheidungen treffen und angeklagt werden. Fügt man eine Prise Machiavellismus und eine Prise Psychopathie hinzu, erhält man Autokraten wie Putin, Erdoğan, Orbán und Duterte.»

Würde man das Wahlrecht abschaffen, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass Kandidaten mit Merkmalen der dunklen Triade an die Spitze kämen, geringer als heute, resümiert Grant.

Chudov kritisiert, dass die New York Times Adam Grant eine grosse Bühne verschaffte, ohne im Artikel darauf hinzuweisen, dass dieser Berater von Google und Bill Gates sowie leitender Mitarbeiter des Weltwirtschaftsforums ist, der an zahlreichen WEF-Veranstaltungen teilgenommen und viele Agenda-setzende Artikel verfasst hat.

Zwar könne jeder Privatmann in den Vereinigten Staaten seine Meinung auf seiner Webseite oder in seinem sozialen Netzwerk veröffentlichen, Grant sei jedoch keine gewöhnliche Privatperson, betont Chudov.

Und der Ort, an dem er sich Gehör verschafft habe, sei alles andere als unbedeutend: Denn die New York Times sei eine führende Zeitung, die vor vielen Jahren eine der am meisten respektierten Publikationen der Welt gewesen sei.

Bürgerlotterien sind derzeit im Trend. So hat der deutsche Bundestag im vergangenen Juli 160 Menschen für den vom Bundestag beschlossenen Bürgerrat ausgewählt.

Zuvor hatte man 20’000 Bürger aus 82 ebenfalls per Zufall bestimmten Gemeinden zufällig ausgelost. Der «Bürgerrat» soll nun über Ernährung diskutieren – und ein Gutachten mit Handlungsempfehlungen vorlegen. Die 160 Menschen sollen nach Angaben der Bundesregierung «ein Spiegelbild der Gesellschaft» sein.

Bürgerräte könnten helfen, neue Sichtweisen kennenzulernen und so die Demokratie zu stärken, verkündete Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Doch nicht alle sind davon überzeugt, dass die Initiative diese Aufgabe tatsächlich erfüllen wird.

So titelte beispielsweise die NZZ: «Deutschland bekommt Bürgerräte: Das klingt nach mehr Demokratie, ist aber ein Schwindel».

Auch die Weltwoche griff das Thema auf und teilte mit: «Scheindemokratie Deutschland: Bundestags-Präsidentin beruft einen «Bürgerrat» ein. Würde man die Bürger ernst nehmen, wären direkte Demokratie und Volksabstimmungen gefragt.»

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Quelle:

New York Times: Elections Are Bad for Democracy – 21. August 2023

Igor Chudov: Elections Are Bad for Our Democracy, WEF and Bill Gates‘ Senior Adviser Says – 24. August 2023

WEF: Adam Grant

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