Terminator Draghi und die Folgen für Anleger

Manfred Gburek, 27. Juli 2012

Der hier in der vergangenen Woche angekündigte Ausbruch des Gold- und Silberpreises nach oben ist schneller als erwartet gekommen. Die Begründung fällt zunächst scheinbar leicht: „Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten“, behauptete ihr Präsident Mario Draghi vor Finanzfachleuten in London. Daraufhin fielen die Kurse der Anleihen, stiegen die Kurse der Aktien und die Preise der Edelmetalle. Den Euro erhalten, daraus schlossen Anleger voreilig: Alles – auch gegen deutsche Bedenken – unternehmen, um die Währungsgemeinschaft nicht auseinanderbrechen zu lassen, notfalls sogar zu Lasten der Euro-Stabilität. Folglich würden die Preise von Sachwerten, zu denen traditionell neben Immobilien und Aktien (als Sach- und Ertragswerte) auch Edelmetalle gehören, neuen Auftrieb erhalten.

Wer jedoch die Märkte genauer beobachtet hatte, wusste: Gold und Silber waren schon einige Tage vorher zu Favoriten der Großanleger geworden, weshalb unter anderem der Goldpreis bei Notierungen unter 1600 Dollar immer wieder eine Auffanglinie bildete. Eine weitere Beobachtung: Während die Diskussion um die Fehlkonstruktion der Eurozone auf ihren Höhepunkt zusteuerte, erholte sich der Euro gegenüber dem Dollar.

Spätestens da musste allen klar werden, dass an der voreiligen Schlussfolgerung der Anleger etwas nicht stimmen konnte. Denn den Euro zu Lasten seiner Stabilität zu erhalten, würde ihn gegen den Dollar ja nicht stärken, sondern schwächen. Folglich muss die Aussage von Draghi anders interpretiert werden: Der EZB-Präsident hat von Seiten der Politiker führender Euroländer das Mandat erhalten, alles zu unternehmen, um die Gemeinschaftswährung nach internationaler Abstimmung – auch mit den USA, Großbritannien, Japan, China u.a. – aus der Schusslinie zu bringen. Die dafür erforderlichen Maßnahmen werden nicht nur das ganze geldpolitische Repertoire der EZB umfassen, sondern auch das fiskalpolitische der Euroländer, weitere Anleihenkäufe durch die EZB inbegriffen. „Glauben Sie mir, sie werden ausreichen“, bemerkte Draghi dazu in „Terminator“-Manier während seiner Londoner Rede.

Was bedeutet das alles für Anleger? Gestatten Sie mir dazu den Rückgriff auf einen Spruch von Börsen-Altmeister André Kostolany, der auf die Frage nach den Antriebskräften der Börse zu antworten pflegte: „Psychologie und Liquidität“. Beide verkörpert jetzt Draghi: Psychologie, indem er in der wichtigen Finanzmetropole London – und nicht etwa in der weniger wichtigen von Frankfurt – unmissverständlich klarstellt, dass die EZB alles Notwendige tun wird, um den Euro zu erhalten. Und Liquidität, indem er betont, dass die Maßnahmen der EZB ausreichen werden.

Daraus folgt das, was wir derzeit an den Märkten erleben und weiter erleben werden: Internationale Großanleger stürzen sich auf Aktien und Edelmetalle, zum Teil auch auf Rohstoffe, und in einigen Ländern, zum Beispiel in Deutschland, auf Wohnimmobilien. Im Gegenzug trennen sie sich von Anleihen, speziell auch von deutschen Bundesanleihen, denen sie die bis vor Kurzem dominierende Rolle als sichere Häfen immer weniger zutrauen.

Spannende Frage: Soll man jetzt eher den Aktien, etwa denen aus dem Deutschen Aktienindex Dax, dem Gold oder dem Silber Priorität einräumen? Die Antwort hängt davon ab, wie spekulativ Sie sich engagieren wollen oder können. Konservative Anleger sind am besten mit einer Mischung aus fünf bis zehn über mehrere Monate gekauften Aktien sowie mit gängigen Goldbarren und -münzen gut bedient. Wer es etwas spekulativer angehen lässt, ergänzt die Anlage um einige Auslandsaktien und um Silber in Form von gängigen Münzen (7% Mehrwertsteuer, Gewinne wie bei den von der Mehrwertsteuer befreiten Goldbarren und -münzen nach einem Jahr steuerfrei) und/oder um Silberaktien. Wer schließlich sehr spekulativ agieren möchte, verlagert den Anlageschwerpunkt noch mehr auf Auslandsaktien und auf Silber.

Eine weitere wichtige Frage bedarf der Klärung: Wie hoch ist das Gewinnpotenzial in den hier genannten Fällen? Klare Antwort: Niemand weiß es, denn Gewinne an der Börse ergeben sich aus einem dynamischen Prozess. Je mehr dieser dem Ende zusteuert, desto größer wird die Gier der Anleger, desto irrationaler kommen also Gewinne zustande – und desto heftiger schlagen solche Gewinne kurz darauf in herbe Verluste um.

Dazu zwei Beispiele, zunächst aus der Zeit um die Jahreswende 1979/80. Damals ging es mit den Preisen von Gold und Silber schon von einem relativ hohen Niveau aus zunächst rasend bergauf, ohne dass jemandem noch eine Erklärung dazu einfiel, und danach nicht minder rasend bergab. Ähnlich verhielt es sich zwei Jahrzehnte später mit Aktien am Neuen Markt und an der US-Technologiebörse Nasdaq. Zu Ihrer Beruhigung sei erwähnt, dass wir uns derzeit weder bei Edelmetallen noch bei Aktien auch nur annähernd in so einer Phase befinden. Das Einzige, was sich mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit behaupten lässt: Gold und Silber werden ihre nächsten Preisspitzen eher erreichen als Aktien.

Nun noch eine häufig gestellte Frage zum Timing von Aktien: Wie kann es sein, dass die meisten Aktienkurse aktuell steigen, obwohl negative Nachrichten aus den Unternehmen zunehmen, sei es von der Deutschen Bank oder Siemens, sei es von McDonald’s oder Facebook? Kostolany würde vermutlich wieder mit „Psychologie und Liquidität“ antworten. Das heißt, Börsianer freuen sich – Draghi sei Dank – lieber über das viele derzeit im Umlauf befindliche Geld, das sie auf breiter Front in Aktien investieren, als Ausrutscher von Siemens oder Facebook zum Anlass für den Abschied von Aktien zu nehmen. Psychologisch ist das Ganze, weil sie erwarten, dass es den angeschlagenen Unternehmen schon in absehbarer Zeit besser gehen wird.

Mit Gold und Silber verhält es sich in Bezug auf die Liquidität ähnlich wie mit Aktien: Die Preise steigen, weil viel Geld im Umlauf ist. Nicht dagegen in Bezug auf die Psychologie, weil es dabei ja weder um die Ertragslage von Unternehmen geht (außer um die der Minenindustrie) noch um Kurs-Gewinn-Verhältnisse oder Buchwerte. Sondern um die abnehmende Kaufkraft der Währungen (nicht nur des Euro) und um gigantische globale Schuldenberge (hier vor einer Woche als Billionenschwindel bezeichnet), vor denen man sich mit Gold und Silber schützt. Das bedeutet: Die Preise beider Edelmetalle, Gold- und Silberaktien inbegriffen, haben noch ein umso größeres Potenzial nach oben, je mehr die vermeintliche Euro-Rettung – oder was man dafür ausgibt – voranschreitet, irrationale Entwicklungen wie 1979/80 inbegriffen.

Quelle: gburek

 

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