Macht und Liebe

Gastbeitrag von Jürgen Dicker

Die einzigen Parameter menschlichen Lebens
Eine Grundsatzfrage

Im Mai dieses Jahres verstarb Hans-Peter Dürr.

Als Professor für Physik und Leiter des Max-Plank-Instituts für Physik in München, widmete er sich der Darlegung eines Themas, das ihn seit der Bekanntschaft mit Werner Heisenberg faszinierte und beseelte, der Quantenphysik.
Während die Mathematik als wissenschaftliche Sprache einen verständlichen Austausch unter Forschern ermöglicht, war es dem Menschen Dürr mitunter schwer gefallen, die Erkenntnisse aus der Quantenphysik dem Laien näher zu bringen, „weil uns die Worte fehlen“. Aber gerade das war sein eigentliches Anliegen: Was bedeuten quantenphysikalische Erkenntnisse für unser aller und unser aller, alltägliches Leben.
Zu erklären, was kaum zu begreifen und auch nicht zu fühlen ist, weshalb auch die Worte fehlen, findet als Umschreibung durch Metaphern, Allegorien, durch Beschreibungen jeder Art in unsere Vorstellungswelt hinein.
So benutzte er den Begriff „lebendige Ordnung“ oder einfach „Lebendigkeit“ für etwas, das „hinter den Dingen“, quasi unsichtbar für den Menschen und doch real wirkend, vorhanden sein müsse.
Eine Ordnung, die man nicht sieht und die auch wissenschaftlich schwer greifbar und begreifbar ist, aber doch präsent. Er spricht von einer treibenden Kraft, die überhaupt erst alle sichtbaren Dinge entstehen lässt: „Der Geist ist die treibende Kraft und schafft die Materie, die Realität, die wir sehen und begreifen können“, kurz, die Welt in der wir leben.

Diese Ordnung existiert in und durch Vielfältigkeit; sie ist nicht zweckgebunden und auch nicht zielorientiert.
Sondern sie stellt lediglich ein unendliches Feld an potentiellen Möglichkeiten dar, die eintreten können aber nicht müssen- Potentialität.

So hört sich die verbale Übersetzung quantenphysikalischer Erkenntnisse durch Heinz-Peter Dürr für den Laien an.

Einerseits scheint dieses Feld an Potentialitäten ein Chaos zu sein, weil kein Mensch je dessen Entwicklung vorhersehen und auch nicht bestimmen oder konstruieren könne. Weil niemand diese Ordnung selbst erklären könne.
Er veranschaulicht dies am Beispiel eines Pendels, das nur in der Bewegung selbst berechenbar ist, aber nicht in seinem obersten, instabilen Punkt ruhend, an dem niemand sagen kann, in welche Richtung es ausschlagen (fallen) wird.
In seinem erweiterten Pendelbeispiel werden viele Pendel miteinander verbunden und zeigen- in Bewegung gesetzt- ein erkennbares Muster, eine Struktur.
Es zeichnet sich eine Ordnung aus dem Chaos ab.
Voraussetzung dafür ist nur, dass die Pendel miteinander interagieren können, d.h. in ihrer grundsätzlichen Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt sein dürfen.
Diese (Grund)Voraussetzung nennt er Lebendigkeit. So, wie das Pendel auf seinem obersten Punkt lebendig und frei für den Fall nach rechts oder auch nach links ist.
Und je größer das Geflecht an Pendeln unterschiedlichster Größe oder Gestalt ist, desto länger bleibt es als Gesamtheit in strukturierter Bewegung bestehen.
Es funktioniert als harmonisches Gebilde, weil alles miteinander verbunden, weil alles (jedes einzelne Stück) als Teil des Ganzen zu verstehen ist.

Auf unsere menschliche Gesellschaft übertragen heißt das nichts anderes, als: Vielfältigkeit in Bewegungsfreiheit schafft einen dauerhaften und lebendigen, sich stets neu erschaffenden Komplex.

Friedrich August von Hayek, Ökonom und Soziologe, beschäftigte sich unter anderem mit der Wirksamkeit treibender Kräfte innerhalb einer Gesellschaft.
In seinem Buch ‚Die verhängnisvolle Anmaßung’ setzte er sich mit einer „spontanen Ordnung“ (freie- als, aus sich selbst heraus entwickelte- Gesellschaftsordnung) auseinander, die in Freiheit agierend zum Wohle aller Menschen- und in konstruktivistischer, also zielorientierter Weise (vornehmlich durch staatliche Vorgaben und Zwänge), zur Zerstörung führt.
Ökonomen ist also die Perspektive von Hans-Peter Dürr vielleicht gar nicht so unbekannt oder unverständlich.
Ökonomen erinnern sich auch an Adam Smith, der gegen 1750 in seinem Werk ‚Wohlstand der Nationen’ von der „unsichtbaren Hand“ sprach. Übrigens, diesen Begriff der unsichtbaren Hand benutzte Adam Smith auch in einer Ausarbeitung über die Astronomie.

Wenn wir uns nun aber vorstellen, es möge so etwas wie eine unsichtbare Ordnung hinter den (offensichtlichen) Dingen geben, eine Ordnung, die alles erst entstehen lässt, eine treibende Kraft, der Geist, dann gibt es aus ökonomischer Sicht, auf unser wirtschaftliches Handeln bezogen, eine einfache Erklärung.
Das Elixier dieser Ordnung heißt: Überleben.
In der Ableitung bedeutet das: Jeder Mensch will überleben und kooperiert dazu mit anderen Menschen, beispielsweise durch Handel, Dienstleistung oder Produktion.
Wollen Menschen miteinander kooperieren, dann stimmen sie sich ab: Der Produzent mit dem Händler beispielsweise. Beide müssen sich dabei mit vielen anderen ebenfalls abstimmen, mit anderen Produzenten und/ oder anderen Händlern, mit Konsumenten usw. Und indem sich nahezu alle direkt oder indirekt miteinander abstimmen- unter der einfachsten, grundsätzlichen Prämisse, überleben zu wollen- entsteht ein wachsendes und allumfassendes Gebilde, eine komplexe Homogenität.
Dabei dient ein ganz schlichtes Merkmal als Orientierungshilfe: Preise.
Im Effekt geschieht eine wirtschaftliche Abstimmung über Preise und setzt damit ein werthaltiges und wertstabiles Universaltauschmittel, Geld, voraus; ansonsten könnten Preise keine verlässlichen Signale geben und führten zu Orientierungslosigkeit.
Eine weitere entscheidende Orientierungshilfe ist der Wettbewerb. Indem er verhindert, dass ein Einzelner zu viel Schaden für die Gesamtheit anrichtet, unterstützt und sichert Wettbewerb geradezu überhaupt erst das Gelingen im Sinne eines ganzheitlichen Miteinanders.

Nun wissen wir leider, dass in dieser realen Ordnung etwas fehlen muss, weil wir aus unzähligen Beispielen und/ oder Erfahrungen heraus immer wieder feststellen können, dass diese „Wirtschaftsordnung“, basierend auf freien Preisen und Wettbewerb allein nicht zwangsläufig vernünftig und zum Wohle aller funktioniert. Es kommt immer wieder zu Machtmissbrauch, zu schädlicher Kumulation und zu Monopolen und den damit verbundenen persönlichen menschlichen Schicksalen.
Als sich beispielsweise in Amerika um die Jahrhundertwende (1900) die ganz großen Firmen etablierten, so geschah dies in einem freien Markt; aber für Unternehmen, wie Standard Oil (Rockefeller), JP Morgan Bank beispielsweise, unter Aushebelung des Wettbewerbs. Einige der damaligen Herren waren sogar bereit, über Leichen zu gehen, wenn es ihrem Ziel, der Ausschaltung jeglicher Konkurrenz um eine Monopolstellung zu erzwingen, zweckdienlich erschien.
Freier Markt und Wettbewerb konnten das genauso wenig verhindern wie irgendwelche Antitrust-Gesetze, Wettbewerbsgesetze, also Monopolverhinderungsgesetze.
Solche Monopol-, Machtstellungen überlebten mithin bis heute, immerhin rund 4 Generationen an Menschenleben und deshalb kann auch nicht die Rede sein von: „ aber doch nur zeitweise oder vorübergehend“. Und es liegt auch nicht nur an der politischen Verbandelung mit dem Kapital oder am Geldmonopol; das sind Auswirkungen, also die geschaffene Realität, durch den Geist als treibende Kraft dahinter (Hans-Peter Dürr), verursacht durch bestimmte Menschen. Ein wirklich ‚machtvoller’ Geist.
Jeder Plan, jedes wirtschaftliche geplante Vorgehen, entspringt einem menschlichen Kopf und beruht in seiner Ausführung auf Disziplin und Hierarchie, auf einer Machtstruktur, schlicht: Auf Macht.
Ist es den Gehirnwindungen einer mehrtausendjährigen Erfahrung geschuldet, dass wir auch heute noch in dem Prinzip, Hierarchie- also Macht, denken?
So funktionierte immer schon jedes militärische Heer und so ist auch heute noch nahezu jede Firma aufgebaut. Jede Planung verwirklicht sich innerhalb dieser Ordnung, auch die politische. Selbst eine katholische Kirche macht da keine Ausnahme!
Machtdenken in seiner extremen Ausprägung wird aber immer (freie) Märkte und auch freies, also Nicht-Monopol-Geld, verhindern oder unterwandern können und durch alle möglichen Mechanismen strukturelle Rahmendiktate erzwingen, weil Machtstreben Skrupellosigkeit und Missachtung menschlichen Lebens voraussetzt und/ oder forciert und sich damit über menschliche Rechtschaffenheit hinwegsetzt, um egoistische Vorteile zu erzielen.
Aus der Sicht solcher Menschen leben wir anderen, braven Menschen, in einem Kindergarten für Erwachsene. Und sie waren immer schon sein Betreiber.
Macht führt zu Machtmissbrauch. Machtgier untergräbt menschliche Freiheit und Lebendigkeit.
Jeder Mensch wünscht sich eine bestimmte Qualität des Überlebens.
Um Recht und Gerechtigkeit über unsere Gesetze hinaus garantieren zu können, erklärte Hayek und auch z.B. Erik von Kuehnelt-Leddihn, dass es ohne Ethik und Moral, also ohne Werte, konkret und explizit, ohne christlichen Glauben nicht geht (Hayek übrigens war nicht gläubig), weil es keinen effektiven Marktmechanismus gegen Machtmissbrauch gibt; die letzte Konsequenz von Missbrauch ist der Tod aller.
Glaube hin- Glaube her, entscheidend ist die Achtung vor dem Leben und vor Lebendigkeit- also körperlichem (organischen) und geistigem Leben. Diese Lebendigkeit an sich, ist die so gern unterschlagene, aber alles entscheidende Orientierungshilfe und der Antrieb unserer gesellschaftlichen Ordnung zugleich, weil Lebendigkeit sich in Phantasie, Kreativität und allen Formen von Kognition, zum Leben in Form von Essen und Trinken, ungefähr vergleichbar zu den Tieren, unterscheidet.

Nur Freiheit, Liebe und Würde ermöglichen dauerhafte, gesunde Bindungen, und nicht Angst, Hass oder Zwang- Macht.

Wir sollten also daran arbeiten, wie wir gerade im Bereich des wirtschaftlichen Handelns, der Grundlage unseres Überlebens, unseres Seins überhaupt, diese grundsätzliche Machtstruktur innerhalb einer menschlichen, liberalen Gesinnung gestalten können. Nur so könnte es uns vielleicht auch irgendwann gelingen, die Welt unserer kleinen Familie- Liebe und Aufmerksamkeit, mit der harten Welt draußen- Zahlen und Konkurrenzkampf bis hin zu Krieg, in Einklang zu bringen. ’Wir müssen lernen, in zwei Welten zu leben’ (Hayek).
Ich meine, wir müssen begreifen, dass wir in 2 Welten leben und dass ein Leben in zwei Welten letztlich einer Schizophrenie gleichkommt, wenn sie immer weiter auseinanderklaffen.
Dieses Auseinanderklaffen ist unser Problem.
Je mehr wir uns einer wirtschaftlichen hierarchischen Ordnung unterwerfen, desto mehr verlieren wir an Menschlichkeit und an Menschsein, weil in der Welt des Geldes nur das zählt, was man messen und bewerten kann, was sich in einem Preis ausdrücken lässt. Gefühle oder Werte kann man aber nicht in Zahlen ausdrücken. Man kann die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind nicht in Zahlen ausdrücken und bewerten. Was aber nicht bewertet (bilanziert) werden kann, hat in der Wirtschaftswelt eben keinen Werth! Das bedeutet im Klartext: Wirtschaftswachstum als gesamtgesellschaftliche Maxime allein, versklavt und zerstört menschliches Leben.

Stellen wir uns die zwei Welten als zwei unterschiedliche Ordnungssysteme symbolisch als ein Kreuz vor. Die Senkrechte steht für unsere hierarchische Ordnung, für unser materielles Leben (Überleben). Die Waagerechte steht für unsere qualitative Ordnung, für unser emotionales Leben. Der Mittelpunkt des Kreuzes ist sein Ursprung, sein Ausgangspunkt. Er steht für die Lebendigkeit- der Geist hinter der Ordnung, der unsere Realität erst entstehen lässt, die Welt in der wir leben.
Wollen wir nun ein Auseinanderklaffen der beiden Welten verhindern, dann müssen wir immer auf eine Balance bedacht sein. Der Mittelpunkt, die Lebendigkeit, ist unser Orientierungspunkt.
Die Lebendigkeit kann in 4 Richtungen fließen, innerhalb der beiden Ordnungssysteme. Auf beiden Achsen jeweils in die eine oder in die entgegen gesetzte Richtung; darin liegt die ganze Dualität unseres Denkens.
Jeder Mensch beeinflusst in seiner individuellen Lebendigkeit die Gesamtentwicklung mit.
Zu jeder Zeit befindet er sich irgendwo im Raum innerhalb dieses Kreuzes und wirkt in einem immerwährenden Prozess wechselseitiger Beziehungen. Er ist Teil des Ganzen und in seiner Lebendigkeit, die als Ur-Quelle alles bedingt und durchdringt ist er auch die Gesamtheit selbst. Alles ist Teil des Ganzen und in jedem Teil ist das Ganze selbst.
Fügen wir unserem simplen Kreuz eine zusätzliche Richtung (Welt)- ich taufe sie einfach mal ‚die Welt der Phantasie’ hinzu. Und stellen wir uns vor, wie sie aus dem gemeinsamen Mittelpunkt heraus nach vorne und nach hinten führt, dann sehen wir ein plastisches Gebilde. Lebendigkeit strömt aus der Mitte heraus in alle möglichen Richtungen und kreiert einen Raum der, sich stets verändernd in seiner Form, aber immer um seinen Mittelpunkt herum und mit ihm in Verbindung bleibend, existiert. Das ist die lebendige Ordnung, aus uns allen bestehend. Wir sind Teil davon, wir sind es. Das ist unsere reale Welt, aus der Ordnung dahinter, dem Feld der Potentialitäten; wir sind darin enthalten, als lebendiges Teil von ihm. Wir sind sein Herz.
In diesem lebendigen Raum führt jede Absicht (Gedanken) eines jeden einzelnen von uns zu einer Wirkung und Wechselwirkung in seiner direkten Umgebung und darüber hinaus zu einer Beeinflussung aller innerhalb des Raumes und damit zum Gesamtbild des Raumes selbst und lässt in ihrer Wechselwirkung mit anderen, Neues aus dem Feld der Potentialitäten entstehen.
Das ist gemeint, wenn Hans-Peter Dürr sagt, alles ist miteinander verbunden- Teil des Ganzen- Lebendigkeit.
Mehr noch, jeder einzelne Mensch ist als Träger der Absichten und Gedanken sowohl Teil des Ganzen, als auch das Ganze selbst. Jede Absicht eines Einzelnen verändert den Schwerpunkt des Ganzen in Bezug auf den Mittelpunkt, zur Quelle der Lebendigkeit hin oder von ihr weg.
Ist das einmal erfahren und begriffen, dann verstehen wir Freiheit, Verantwortung und Liebe aus uns selbst heraus und in den Beziehungen zu anderen Menschen. Der Weg einer lebendigen und gesunden Ordnung.
Leben- Tiere und Natur damit eingeschlossen- und die Lebendigkeit selbst, zu achten und mit Würde zu versehen, ist der Unterschied zu nur „überleben“; weil wir damit die Überlebensqualität aller, sowie die unseres eigenen Überlebens, beeinflussen und die Stufen dieser Qualität verändern, auch anheben können. Darin lässt sich ein wesentlicher Sinn menschlichen Lebens für den Einzelnen, als auch für die Gesamtheit ausmachen.

Zurück zu unserem wirtschaftlichen Komplex, ausgehend von Dürrs Pendelkomplex. Die Grundlage dieser Ordnung ist die Abstimmung aller Menschen untereinander. Diese Abstimmung bildet als Universalprinzip das steinerne Fundament unserer Gesellschaft und die Basis menschlichen Miteinanders überhaupt. Erfahrungen, Lernprozesse, alle Entwicklungen vollziehen sich hierin als ein ganz natürlicher Prozess. Aber jeder willkürlicher Eingriff auf politischer Ebene, ob durch Wirtschafts-, Finanz-, Familienpolitik, was auch immer, zwingt Bürger zur Umgestaltung und Anpassung des augenblicklichen Ordnungsgefüges und stellt damit eine Störung des natürlichen Abstimmungsprozesses dar, unabhängig einer Bewertung des zwangsweisen Eingriffes.
Das Credo dieser wirtschaftlichen, wie auch der gesamtgesellschaftlichen Ordnung durch Abstimmung überhaupt, heißt Überleben und Lebendigkeit. Das setzt Freiheit voraus. Hätte ein Mensch nicht die Möglichkeit oder die Freiheit gehabt, Land oder einen Gegenstand oder auch nur eine Frucht in seinen persönlichen Besitz zu nehmen, wäre wirtschaftliches Handeln nicht, auch nicht in seiner denkbar primitivsten Form möglich gewesen und damit auch kein überleben. Er wäre verhungert; und wie er mit der Ressource umgeht und was er daraus herstellt, entspringt seinem eigenen kreativen Geist.
Die Grundlage unseres Lebens ist Freiheit: Entscheidungsfreiheit und Bewegungs- bzw. Handlungsfreiheit.
Alles aber, was diese Freiheit zu sehr einschränkt oder langfristig permanent stört, kann zum Erlahmen der Strukturen dieser Ordnung führen, bis hin zu ihrer Zerstörung- den Menschen selbst damit natürlich eingeschlossen- in dem Maße, als das Credo der Lebendigkeit unterdrückt wird.
Dass solch ein (lebendiger) Komplex, Biologen sprechen transferiert von Biotop, durch einen Krieg gravierend gestört wird ist einleuchtend, weniger aber die nachhaltige Zerstörungskraft schleichender Prozesse durch permanente, kleine störende Eingriffe.
Bis zu einem gewissen Grade sind Störungen zwar absorbierbar, mitunter sogar hilfreich, wenn sie Erfindungsgeist, Inspiration, Verstand oder Phantasie anregen, also uns „leben“ lassen. Aber vor allem unter steter Beschränkung der freien Entwicklungsfähigkeit und Bestimmung, in homogener Abstimmung mit seiner Umgebung, riskiert jeder lebendige Organismus seinen Tod.
Auch und gerade unsere menschliche Gesellschaft ist nichts, als ein lebendiger Organismus, in der Summe jedes einzelnen Menschen.
Und gerade durch die Freiheit, die Freiheit des Geistes, sind wir keine Kuh- oder Schafherde, sondern eben Menschen.
Nicht triebgesteuert und programmiert, sondern mit der Verantwortung der geistigen Freiheit beschlagen und geknechtet können und sollten wir uns fragen, wie wir uns eine gesellschaftliche und damit unsere politische Ordnung vorstellen.
Wollen wir eine freiheitliche, homogene Abstimmung (Kooperation) zum Wohle aller, oder eine bevormundende, von oben gesteuerte und immer mit Gewalt oder auch nur manipulatorischer Gerissenheit beschlagenen Zielvorgabe inthronisierter Obrigkeit.
Macht oder Liebe.
Eine Verständigung, also ein Miteinander beider Ordnungssysteme kann es nicht geben, weil sie sich in ihrer Absicht tendenziell widersprechen. Also ist kein Mittelweg möglich.
Es bliebe immer nur ein Kampf gegeneinander, ein Kampf, der sich immer durch Gewinner und Verlierer auszeichnet, durch Zerstörung.
Jedes Machsystem, ob diktatorischer Natur oder leider auch demokratischer Art, ist und bleibt ein Machtsystem und tendiert immer zu Dirigismus und Diktat. Selbst und gerade eine noch so gut gemeinte Ordnungspolitik führt letzten Endes in eine Machtpolitik. Und Macht ist auf Dauer immer der ungünstigere Weg, wenn sie in eine Starre führt, die Bewegungsfreiheit, also Lebendigkeit einschränkt und sich damit gegen das Überleben selbst richtet. Wozu braucht es Macht, wenn nicht zur Durchsetzung persönlicher Interessen gegen den Willen anderer.
Elitäres Machtdenken, scheinbare Bedingung für Politiker, beruft sich als Rechtfertigung gerne auf die Überzeugung, dass die Mehrzahl der Bürger nicht dazu in der Lage ist, für eine eigene vernünftige Zukunft und damit auch nicht gesamtgesellschaftlich für eine vernünftige Zukunft, sorgen zu können. Deshalb braucht es Führung.
Das Ziel jeder Führung, beispielsweise der Führung von Kindern durch ihre Eltern, kann aber immer nur in dem Bestreben liegen, in die Selbständigkeit und Eigenverantwortung zu führen. Und das ist das Kriterium, an dem wir jede Form von Führung und Machtausübung messen und überprüfen können. Und nur so ließe sich politische Führung in eine lebendige Ganzheit, im Sinne von Hans-Peter Dürr, einordnen.

Politik, als herrschaftliche Führung weniger über viele verstanden, so wie sie sich in unserer heutigen Demokratieform darstellt, rechtfertigt sich ausschließlich über mehrheitsfähige Ziele- Zweckorientierung, also über eine teilweise übereinstimmende Zielvorgabe. Diese verlangt politisches Handeln zu ihrer Umsetzung, bzw. zum Erreichen des Ziels; und das geschieht durch Gesetze und Verordnungen und stellt damit immer eine Einschränkung von wenigen oder vielen Bürgern dar. Eine Einschränkung deren Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit und generell eine Einschränkung von Lebendigkeit, wobei der Spielraum für Umwege über Kreativität und Einfallsreichtum immer geringer, bzw. unsinniger werden muss, je mehr eingeschränkt wird (Sackgassen-Prinzip).

Vor allem aber kappt (Macht-) Politik die natürliche Abstimmung der Menschen untereinander.
Und zwar indem sie Ziele quasi aus sich selbst heraus oder aber in Absprache mit wenigen zielorientierten oder gar zielbestimmenden Lobbyisten und sonstigen Herrschern vorgibt und Bürger nur noch alle 4 Jahre in einer Wahl lediglich ihren Mitbestimmungswillen erklären dürfen- in Brüssel nicht einmal das.
Sie schadet damit uns allen in dem Maße, wie die natürliche gesamtgesellschaftliche Abstimmung/ Auseinandersetzung und der damit verbundene Lernprozess unter der Einbeziehung aller Bürger, unsere Fähigkeit, eine gesunde dauerhafte, dabei sich stets veränderte Ordnung zu ermöglichen, verloren geht und immer mehr zur egoistischen Durchsetzung persönlicher Interessen führt.
Das Credo menschlichen und gesellschaftlichen Lebens wird unterdrückt- die Lebendigkeit im Miteinander (siehe Familie).
Es führt zu Desinteresse und zur Verweigerung der Eigenverantwortung ganz allgemein und auf politischer Ebene zu Wahlverdrossenheit oder zur Hinwendung an extremistische Parteien; fast zwangsläufig also zur Ausweitung der politischen Fremdbestimmung.
Leben, menschliches, geistiges Leben verkrustet und verliert seine eigentliche Berechtigung. Und das käme einer Ermächtigungsbitte an die (Macht-) Eliten gleich, uns als Vieh einzustufen und auch so- gut- zu behandeln.
Wenn ich nun denke, dass wir sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Bereich wie kleine Kinder betrachtet und behandelt werden (die übrigens und eigentlich ja gar nicht wählen dürfen), dann kann ich ganz gelassen und sicher feststellen:
Mehrheitsbeschluss. Danke, wir haben unsere Wahl verloren.

(Als kleine Anmerkung möchte ich fairer Weise erklären, dass ich mit dem Begriff Politiker, hier vor allem etablierte Spitzenpolitiker meine, aber nicht beispielsweise den ehrlichen, menschlichen Politiker. Den könnte es ja vielleicht auch noch geben).

Wir finden besser in einer offenen, steten, also natürlichen Abstimmung oder eben Kooperation mit allen anderen gemeinsam in eine ungewisse Zukunft, mit der Stärke unserer Vielfältigkeit und Anpassungsfähigkeit, unserer Potentialität.
Es macht aber keinen Sinn, unsere Vorstellung eines gemeinschaftlichen Lebens und einer gemeinsamen Zukunft, sowohl bewusst als auch unbewusst, in einem fortwährenden, täglich neu gestalteten- lebendigen- Prozess zu entwickeln, wenn wir diesen Prozess durch eine persönliche Entscheidung- Wahl- alle 4 Jahre immer wieder stören oder unterbinden. Und weil eine solche Wahl nur eine persönliche Entscheidung verlangt, werden die natürliche Abstimmung der Menschen untereinander und der damit verbundene Lernprozess irgendwann vielleicht überhaupt nicht mehr gebraucht und geradezu sinnlos, wie in Aldous Huxley’s schönen neuen Welt.
Politisches Wahlsystem in Verbindung mit einer (fremdbestimmten) Zielorientierung steht dem natürlichen Prozess der zwischenmenschlichen Abstimmung innerhalb einer Gesellschaft, als ganzheitliche lebendige Ordnung verstanden, zwangläufig entgegen, weil es die Gesellschaft zerteilt. Teile und herrsche.
Der Dürr’sche Pendelkomplex ist ausgehebelt. Seiner Lebendigkeit beraubt, verkrustet Geist zur stumpfen Materie. Die Ordnung dahinter verliert ein Fraktal.

Nicht durch oder dank unserer Politiker gestalten wir unsere Zukunft, sondern mit ihnen, gemeinsam.
Entscheidend ist, dass ein politisches System der Aufspaltung und Trennung nie zu einer allgemeinen und dauerhaften „Win-Win-Situation“ führen kann.
Wo aber der Mensch keine Chancen für sich sieht, da verliert er sein Selbstwertgefühl- die Achtung und Würde seinem eigenen Leben gegenüber- und öffnet dadurch jeder Art von Macht und Fremdbestimmung überhaupt erst alle Türen und Tore.
Ohne unser Selbstwertgefühl haben wir letztlich der Macht nichts entgegen zu setzen. Und geht auch unser Antrieb, unser Lebenswille und Freude, die Lebendigkeit damit verloren, wo bleibt dann unsere Zukunft? Unsere Zukunft ist das, was wir heute tun oder denken.
Der Kampf beginnt im Innern jedes einzelnen für sich selbst.
Und in der Erkenntnis, dass wir, also jeder einzelne von uns, gerade durch unsere geistige Freiheit einen Einfluss auf die Gesamtheit haben, mag er auch noch so bescheiden anmuten, liegt auch unsere Verantwortung ihr und uns selbst gegenüber. Was wir denken das ernten wir.

Nur eine offene Ordnung, in ihrer freiwilligen homogenen Abstimmung, kann Chancen für jeden einzelnen wie auch für sich im Ganzen schaffen, weil gerade in dieser Abstimmung eine Chance für den Einzelnen nur entstehen kann, wenn die anderen zugleich auch eine Chance für sich darin sehen. Und es geht nur um die Chancen.
Und jede menschliche Nuance, die Vielfältigkeit, steigert diese Chancen grundsätzlich und zwar für uns alle, weil jede unterschiedliche Natur ihre eigene Variante des Überlebenspotentials als Erweiterung und Bereicherung zum Überleben aller beitragen kann, ganz gleich auf welche Art und Weise auch immer.
Deshalb ist Freiheit, die Freiheit des anderen und des Andersseins, also das Zulassen von Vielfältigkeit in all ihren Facetten, immer auch eine zusätzliche Chance für uns alle.

Der gemeinsame Nenner dafür kann aber nicht Macht, Gleichschaltung und Krieg, sondern nur Friede, Freiheit und Wohlwollen sein- Formen der Liebe.

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