Ist der Euro wirklich stabiler als es die D-Mark war?

von Ulrich van Suntum (wirtschaftlichefreiheit)

Die EZB und Unterstützer ihrer expansiven Geldpolitik weisen oft darauf hin, dass es – entgegen vieler Vorhersagen – bisher nicht zu nennenswerter Inflation im Euroraum gekommen sei. Gemessen an der Entwicklung der Verbraucherpreise sei der Euro bisher sogar stabiler als die D-Mark gewesen. Tatsächlich sind die deutschen Verbraucherpreise seit Einführung des Euro im Durchschnitt weniger stark gestiegen als zu D-Mark-Zeiten.  Allerdings ist das allein nicht das entscheidende Kriterium. Vielmehr muss man aus Sicht der Sparer fragen, wie sich der reale Wert ihres Geldvermögens unter der jeweiligen Währung entwickelt hat.

Denn unter dem Euro ist nicht nur die Inflationsrate niedriger gewesen als zu D-Mark-Zeiten, sondern auch die Zinsen. Wenn man daher wissen will, in welcher Zeit die Geldvermögen wertstabiler gewesen sind, muss man beides berücksichtigen, die niedrigere Geldentwertung, aber auch den niedrigeren Geldertrag. Dann aber erlebt man eine Überraschung: Selbst wenn man die übliche Inflationsberechnung zugrunde legt, hat der Euro in puncto Geldvermögenserhaltung deutlich schlechter abgeschnitten als die D-Mark.

Im Folgenden vergleiche ich die 16 Jahre nach Einführung des Euro (2002 – 2018) mit den letzten 16 Jahren vor seiner Einführung, als es in Deutschland noch die D-Mark gab (1986-2002). Als Maß für die Inflation bzw. für die Realrenditen wird jeweils der deutsche Verbraucherpreisindex herangezogen, wobei für 2018 die bisherige Zins- und Inflationsentwicklung auf das gesamte Jahr hochgerechnet wurde. Alle Zahlen stammen von der deutschen Bundesbank[1] und sind von mir nur durch einfache Mittelung auf Jahresdurchschnittswerte umgerechnet worden. Die Frage lautet: Wie haben sich 100 DM bzw. 100 € in den 16 Jahren vor bzw. nach der Währungsunion für einen deutschen Sparer in ihrem realen Wert entwickelt, in welchem Zeitraum ist m.a.W. sein Geldvermögen mehr gewachsen bzw. ggfs. geschrumpft?

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Betrachten wir zunächst die reine Geldentwertung, dann hat die EZB offenbar recht. Die deutschen Verbraucherpreise sind in den 16 Euro-Jahren seit 2002 um insgesamt 25,5% gestiegen, während sie in den letzten 16 Jahren der D-Mark um 37,5% gestiegen waren. 100 Euro, die in den 16 Eurojahren bar unter der Matratze gehalten wurden, hätten daher „nur“ 20,3% an Wert verloren, während 100 DM im davorliegenden 16-Jahres-Zeitraum in ihrem realen Wert um 27,3% geschrumpft wären. Punkt also für den Euro? Wohl nur aus der Sicht von Bankräubern, Erpressern und einigen älteren Menschen, denn wer sonst würde 16 Jahre lang sein Geld in bar in irgendeinem Versteck lagern? Der Euro gewinnt hier also eine Disziplin, die für normale Sparer völlig irrelevant ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass tatsächlich ein großer Teil der Geldmenge in Form von Bargeld oder auf unverzinslichen Girokonten gehalten wird. Denn diese Bestände werden ständig umgeschlagen und im Normalfall eben nicht auf Dauer dort geparkt.

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Betrachten wir nun die Geldanlage auf einem normalen Sparbuch mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Auch dafür sind 16 Jahre eine lange Zeit, aber immerhin ist das für kleine Leute oft die einzige oder zumindest wichtigste Art, ihr Geld auch längerfristig anzulegen. Bei diesem Vergleich schneidet der Euro schon nicht mehr besser ab als seinerzeit die D-Mark. In beiden Fällen hätte der Sparer real am Ende etwa ein halbes Prozent Verlust in dem jeweiligen 16-Jahreszeitraums, also sein Vermögen mit Mühe und Not erhalten. Dabei ist die Wertentwicklung der 100 Euro in den ersten neun Jahren zunächst positiv gewesen und hat sich dann ab 2012 umso negativer entwickelt. Dazu muss man wissen, dass die EZB erst ab Mitte 2008 mit ihrer extrem expansiven Geldpolitik begonnen hat. Schon zu D-Mark-Zeiten rechnete man mit einer knapp dreijährigen Zeitverzögerung vom Beginn einer solchen Geldschwemme und ihren Folgen auf den Geldwert. Das scheint sich auch hier wieder zu bestätigen, wobei allerdings diesmal mehr der Zinsverfall und weniger der Preisanstieg die Geldvermögen schmelzen ließ. Für die Sparer macht dies allerdings am Ende keinen Unterschied.

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Betrachten wir nun noch die Geldwertentwicklung für etwas vermögendere Bürger, die über bessere Anlagealternativen verfügen. Konkret wählen wir eine Festgeldanlage für jeweils ein Jahr und Beträge von mindestens 50.000 € bis maximal 500.000 €, wofür es ebenfalls durchschnittliche Realzinsangaben der Bundesbank gibt. Hier nun schneidet der Euro deutlich schlechter ab als seinerzeit die D-Mark: Während aus 100 DM zwischen 1986 und 2002 immerhin 143,50 DM in realem Wert wurden, musste sich der Eigentümer von 100 € im gleichlangen Zeitraum von 2002 bis 2018 mit gerade mal einem Prozent Wertzuwachs begnügen.

Noch deutlicher wird der Vermögenserhaltungsvorsprung der D-Mark, wenn man nicht die Verbraucherpreise, sondern die Immobilienpreise zugrunde legt. Diese sind in D-Mark-Zeiten nämlich nur um gut 27% gestiegen, während sie seit Einführung des Euro um 34,5% kletterten. Der dabei zugrunde gelegte Immobilienpreisindex HPI der OECD ist zum einen umfassend und rechnet zum anderen auch Qualitätsunterschiede der Immobilien im Zeitvergleich heraus.[2] Er gibt also recht gut an, wie sich die Kosten für den Erwerb einer Immobilie gegebener Qualität in den beiden 16-Jahres-Zeiträumen entwickelt haben.





Für jemanden, der auf eine Immobilie spart, hat sich der Euro demnach geradezu verheerend auf seine Kalkulation ausgewirkt. Denn die oben berechneten Realwertentwicklungen der Ersparnisse beruhten ja auf einem 12 Prozentpunkte betragenden Vorsprung des Euro bei der reinen Inflationsentwicklung und fielen dennoch wegen der niedrigeren Zinsen schon zu seinem Nachteil aus. Die Immobilienpreise wiederum haben sich aber in Eurozeiten um 34,4% und damit um rd. Sieben Prozentpunkte stärker erhöht als in dem entsprechenden D-Mark-Zeitraum, in dem sie nur um gut 27% zunahmen. Tauscht man also in der Realwertberechnung die Verbraucherpreise gegen die Immobilienpreise aus, so verliert dadurch der Euro nochmals deutlich gegenüber der D-Mark im Realwertvergleich. Bei allen drei Geldhaltungsformen hätten sich die Sparer mit der D-Mark dann weitaus besser gestanden als mit dem Euro, dessen Zinsniveau in keinem Fall mehr ausreichte, um den Anstieg der Immobilienpreise aufzufangen (vgl. die Abbildungen unten).

Damit ergibt sich zusammenfassend folgender Vergleich der Geldvermögensstabilität für die drei verschiedenen Geldhaltungsalternativen und die beiden alternativen Sparziele:

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Nur in dem praktisch irrelevanten Fall, dass jemand seine Ersparnisse 16 Jahre lang in bar hält, hätte er in D-Mark-Zeiten etwas (rd. 7 Prozentpunkte) mehr verloren als im Euro, und das auch nur wenn sein Sparziel keine Immobilie gewesen wäre. Auf dem Sparbuch wäre in beiden Zeiträumen sein Vermögen knapp erhalten geblieben, allerdings wiederum nur beim Sparen auf normale Konsumgüter. In allen anderen Fällen schneidet die D-Mark deutlich besser als der Euro ab.

Ein Sparbuchsparer auf Immobilienerwerb hätte z.B. mit der D-Mark immerhin einen realen Vermögenszuwachs von 7,5% erzielt. Zu Eurozeiten hätte er dagegen gemessen an der Immobilienpreisentwicklung 7,3% verloren.

Am drastischsten ist der Vermögenserhaltungsvorteil der D-Mark für jemanden, der höhere Geldbeträge auf einem Festgeldkonto spart: Mit dem Euro hätten seine Zinserträge selbst mit den normalen Konsumgüterpreisen nur ganz knapp mithalten können, und gemessen an den Immobilienpreisen hätte er trotz Zinsen sogar fast 6% real verloren. Ganz anders dagegen zu Zeiten der D-Mark, wo er ein reales Plus von 43,5% beim Konsumgütersparziel und von 55% beim Sparziel Immobilie erzielt hätte.

Darf man überhaupt zwei Währungen miteinander vergleichen, die in ganz unterschiedlichen Zeiträumen bestanden haben? Diese Frage scheint berechtigt. Denn sowohl die Preise als auch die Zinsen hängen ja nicht nur von der jeweiligen Geldpolitik, sondern auch von vielen anderen Faktoren wie den Ölpreisen, dem globalem Wettbewerb sowie Angebot und Nachfrage auf den Kapitalmärkten ab. Allerdings sind gerade die Niedrigzinsen, die das schlechte Abschneiden des Euro bei der Geldvermögenserhaltung bewirkt haben, zweifellos maßgeblich durch die ultra-expansive Geldpolitik der EZB verursacht worden. Zudem gilt der Einwand unterschiedlicher Vergleichszeiträume auch gegenüber denjenigen, die nur die jeweiligen Inflationsraten von Euro und D-Mark als Stabilitätsvergleich heranziehen. Wie auch immer man die globalen und nicht-monetären Einflüsse auf Inflation und Zinsen bewertet: Ein reiner Vergleich der Inflationsraten greift in jedem Fall zu kurz, wenn man eine Bilanz der jeweiligen Währung aus der Sicht der Sparer ziehen will. Wie wir gesehen haben, sind diese unter dem Strich zu D-Mark-Zeiten besser gefahren als bisher mit dem Euro . Darüber, inwieweit dies der Geldpolitik oder anderen Faktoren geschuldet ist und welche Vor- und Nachteile der Übergang zum Euro darüber hinaus noch hatte, mag man durchaus unterschiedlicher Auffassung sein. Die Tatsache als solche scheint jedoch evident und verdient nach Auffassung des Verfassers Beachtung.

[1] https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Standardartikel/Statistiken/realzinssaetze_auf_bankeinlagen.html

[2] http://www.dallasfed.org/institute/houseprice/index.cfm

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