Der Mythos der glorreichen Geldpolitik

Mark Schieritz irrt

Gunther Schnabl (wirtschaftlichefreiheit)

In einem Kommentar in der Zeit lobt Mark Schieritz unter dem Titel „Der Mythos der Enteignung der deutschen Sparer“ die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Der Grundtenor: Die deutschen Sparer sollten sich nicht so haben, sie seien so reich wie nie zuvor. Er repräsentiert damit das weit verbreitete Denken, dass Wohlstand mit der Notenpresse erhalten und erzeugt werden kann. Das ist aus mindestens vier Gründen zu bezweifeln.

Erstens werden die jüngsten Lohnerhöhungen, die neu geschaffenen Jobs und die großzügigen Sozialgeschenke der deutschen Regierung nicht von Dauer sein. Die vom billigen Geld der EZB befeuerte Export- und Immobilienblase lässt nur kurzfristig vieles rosig erscheinen. Zwischen 2003 und 2007 hatte die EZB mit billigem Geld Aktien- und Immobilienmarktblasen in vielen südeuropäischen Staaten angeheizt, die die Regierungen zu nicht nachhaltigen Staatsausgaben verleiteten. (Die Groko ist also längst zur Grieko mutiert.) Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die deutsche Blase platzt. In Griechenland, Spanien und Portugal wurde vorexerziert, was dann in Deutschland folgen wird: ein konfliktreiches Zurückrudern bei den sozialen Versprechungen. Zur Rolle der Geldpolitik und wandernden Blasen lesen Sie mehr hier.

Zweitens hängt die Berechnung realer Zinsen, realer Lohnerhöhungen und der realen Pro-Kopf-Einkommen von den offiziellen Inflationszahlen ab, die von den statistischen Behörden unterschätzt werden. Wie in den sozialistischen Planwirtschaften passen sich die Statistiken den politischen Parolen des historisch hohen Wohlstands an. Würde man die Explosion von Immobilien- und Aktienpreisen, die stetig steigenden Steuer- und Abgabenbelastung sowie die immer schlechtere Qualität vieler Güter, Dienstleistungen und öffentlicher Güter in die Inflationsmessung mit einbeziehen, dann ergäben sich schon lange negative Realzinsen, negatives Wachstums und im Durchschnitt sinkende Reallöhne. Die Kosten der ultra-lockeren Geldpolitik würden sichtbar. Zur versteckten Inflation lesen Sie mehr hier.

Drittens erzeugt die Geldpolitik Gewinner und Verlierer, die man nicht einfach wegaggregieren kann. Vom billigen Geld profitieren die Reichen, die Finanzsektoren, die großen Unternehmen und Banken, die älteren Menschen, die Regierungen und die Regionen, wo sich die großen Unternehmen und Banken konzentrieren. Die Verlierer sind die jungen Menschen, die Klein- und Mittelunternehmen, inzwischen auch kleine und mittlere Banken und damit die ohnehin schon wirtschaftlich schwachen Regionen. Seit Jahrzehnten sinken die Löhne der Neu- und Wiedereinsteiger in den Arbeitsmarkt im Vergleich zu vorangegangen Generationen. Immer mehr Menschen werden in prekäre Beschäftigungsverhältnisse gedrängt. Junge Menschen haben in ihren 20ern heute nicht mehr wie Ihre Eltern oder Großeltern die finanziellen Ressourcen, um eine Familie zu gründen. Ist das nicht besorgniserregend genug? Über die tragischen Verteilungswirkungen der Geldpolitik lesen Sie mehr hier.

Viertens ist Deutschlands marktwirtschaftliche Ordnung nicht nur ein abgegriffenes Kuscheltier vergreister Professoren. Sie war das Fundament eines hohen Lohnniveaus und großzügiger Sozialsysteme. Sie erlaubte Transfers in den Süden der Europäischen Union, was den europäischen Zusammenhalt und Frieden stärkte. Wird Deutschlands Wirtschaftsordnung durch die Geldpolitik à la Italia außer Kraft gesetzt, dann fehlt die wirtschaftliche Grundlage für sichere Renten und den sozialen Zusammenhalt in Europa. Mehr über den Einfluss der ultra-lockeren Geldpolitik für den Wohlstand und Frieden in Europa lesen Sie hier.

Es lohnt sich deshalb, etwas gründlicher über die Auswirkungen des ultra-billigen Geldes auf den Wohlstand und sozialen Zusammenhalt in Europa nachzudenken. Denn schon lange driften die Verlierer und Kritiker der ultra-lockeren Geldpolitik überall auf dem alten Kontinent an die Ränder des politischen Spektrums. Wer diesem Prozess Einhalt gebieten will, muss etwas gründlicher über die Wachstums- und Verteilungswirkungen der Geldschwemme der EZB nachdenken, als dies der Autor tut.

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