Krise und Ordnung: Vom Markt zum Staat

Von Gunther Schnabl und Björn Urbansky am 29. Februar 2012

Unsere Wirtschaftsordnung ist im Wandel. Bestimmten bis in die 1980er Jahre die Gütermärkte die wirtschaftliche Entwicklung, nehmen jetzt die Finanzmärkte eine zentrale Rolle ein. Sie treiben überschwängliche Boomphasen, die in hässliche Krisen münden. Im Verlauf von Krisen übernimmt der Staat das Ruder. Banken werden nationalisiert und durch günstige Liquidität vorm Kollaps gerettet. Im Ergebnis regiert nicht mehr der Markt, sondern der Staat. Die Entscheidungen über das Fortleben von Finanzinstituten und Banken werden von Regierungen und Notenbanken getroffen. Leben wir bereits in einer neuen Wirtschaftsordnung, in der der Staat die zentrale Rolle spielt?

Friedrich August von Hayek liefert mit seiner Theorie der spontanen Ordnung einen Rahmen, um sich den Ursachen von Krisen und deren Auswirkungen auf die Wirtschaftsordnung zu nähern. Hinter dem Prinzip der spontanen Ordnung versteckt sich Hayeks Verständnis, dass komplexe Systeme nur Ergebnis einer frei gewachsenen, spontanen Ordnung sein können. Organisationsformen wie Gesellschaften, aber auch Volkswirtschaften sind das „Ergebnis menschlichen Handelns, aber nicht menschlichen Entwurfs“ (Hayek 1969).

Als Ordnung begreift Hayek „einen Zustand, in dem wir erfolgreich Erwartungen und Hypothesen über die Zukunft bilden können“ (Hayek 1969). Er unterscheidet zwei Arten, wie diese Ordnung entstehen kann: die geplante und die spontane Ordnung. Die geplante Ordnung entsteht, „indem die Teile nach einem vorgefassten Plan in Beziehung zueinander gebracht werden“ (Hayek 1969). Sie beruht auf einer beabsichtigten Anordnung (mittels Befehl) und ist Ergebnis einer ordnenden Instanz. Ihre Komplexität muss relativ gering sein, damit der Ordnende sie überblicken kann.

Dagegen ist die spontane Ordnung „Ergebnis menschlichen Handelns, aber nicht menschlichen Entwurfs“. Es gibt keine ordnende Instanz. Stattdessen verfolgen die Individuen im Rahmen einer abstrakten Ordnung ihre eigenen Pläne, woraus die spontane Ordnung entsteht. Die abstrakte Ordnung bildet den Rahmen der spontanen Ordnung. Welches Ergebnis sich aus einer abstrakten Ordnung ergibt, ist nur schwer oder gar nicht vorhersehbar.

Die resultierende spontane Ordnung hängt neben den Regeln der abstrakten Ordnung, welche das Handeln der Individuen leiten, von der Ausgangsposition und von all jenen spezifischen Umständen ab, auf die jedes Individuum im Verlauf der Bildung dieser Ordnung reagiert. „Die Ordnung wird immer eine Anpassung an eine große Zahl an Einzeltatsachen sein, die in ihrer Gesamtheit keiner Einzelperson bekannt sind“ (Hayek 1967). Die spontane Ordnung kann komplex sein, weil sie nicht auf die intellektuellen und ordnenden Fähigkeiten einer Einzelperson oder Institution beschränkt ist.

Aus Sicht von Hayeks Ordnungstheorie können Krisen als Ergebnis einer Veränderung der abstrakten Ordnung gesehen werden. Zur Stabilisierung von Volkswirtschaften kommt es im Verlauf von Krisen zu staatlichen Eingriffen. Diese verändern den Ordnungsrahmen (abstrakte Ordnung). Wichtige Grundprinzipien der Marktwirtschaft wie Haftung oder die Signal- und Allokationsfunktion von Preisen und Zinsen werden außer Kraft gesetzt. Finanzinstitute können spätestens seit der Jahrtausendewende im Falle einer Krise mit Hilfe vom Staat rechnen. Übermäßige geldpolitische Expansion dient als Rettungsanker für Finanzsektoren und für von Zahlungsunfähigkeit bedrohte Staaten. Ohne unkonventionelle Geldpolitik wären bereits viele Finanzinstitute bankrott und nationalisiert.

Die Veränderung der abstrakten Ordnung (Aufhebung des Haftungsprinzips) bzw. direkte Eingriffe in die spontane Ordnung (Bankenrettung, übermäßig expansive Geldpolitik) verändern die resultierende Ordnung, indem beispielsweise das Investitionsverhalten nachhaltig verzerrt wird. Durch die Privatisierung der Gewinne und die Verstaatlichung der Verluste werden Anreize zur Spekulation gesetzt. Die stabilisierende Wirkung von freien Märkten und Preisen geht verloren. Insbesondere Finanzmärkte werden zum destabilisierenden Faktor im Wirtschaftsprozess. Ergebnis der Rettungsmaßnahmen ist somit keine stabilere, sondern eine labilere Ordnung, die neue Staatseingriffe auslöst.

Unser Wirtschaftssystem wandelt sich von einer spontanen zu einer geplanten Ordnung. Die Politik vergisst bei ihren gut gemeinten Rettungsmaßnahmen, dass es „eine der Hauptaufgaben des Wettbewerbs [ist], zu zeigen, welche Pläne falsch sind“ (Hayek 1979). Ist dies nicht mehr der Fall, dann werden bestehende verzerrte Strukturen zementiert. Mehr Staat stabilisiert zwar kurzfristig die Wirtschaftsordnung, verhindert aber mittelfristig die nötigen Anpassungsmaßnahmen und lähmt langfristig die Wachstumsdynamik. Kein Land zeigt dies besser als Japan, das trotz mehr als zehn Jahren Nullzinspolitik und nach über 20 Jahren keynesianischer Nachfragepolitik nicht zurück auf den Wachstumspfad gekehrt ist. Kein guter Ausblick, auch nicht für Europa! Aber nicht unrealistisch!

Literatur

Hayek, Friedrich August von (1969). Freiburger Studien. Mohr, Tübingen.

Hayek, Friedrich August von (1967). Rechtsordnung und Handelnsordnung: Aufsätze zur Ordnungsökonomik, Bd. A4 d. Reihe Friedrich A. von Hayek – Gesammelte Schriften in deutscher Sprache. Mohr Siebeck, Tübingen.

Hayek, Friedrich August von (1979). Recht, Gesetz und Freiheit: Eine Neufassung der liberalen Grundsätze der Gerechtigkeit und der politischen Ökonomie, Bd. B4 d. Reihe Friedrich A. von Hayek – Gesammelte Schriften in deutscher Sprache. Mohr Siebeck, Tübingen.

Hinweis

Björn Urbansky ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig.

Quelle: http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=8675

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