Wissenschaftler lehnen das «Containment» mit Tracing und Quarantänen ab. Sie befürworten einen «gezielten Schutz» der Gefährdeten.
upg. Drei Epidemiologen und Professoren der Oxford University, der Harvard und der Stanford University* suchen Unterstützung für ihre «Great Barrington Erklärung». Sie glauben, dass sich trotz Eindämmungspolitik das Virus weiter ausbreitet und Lockdowns, Schul- und Ladenschliessungen nicht zweckmässig sind. Die Folgekosten in Milliardenhöhe sollten besser für einen optimalen Schutz der Menschen, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 haben, ausgegeben werden.
Unterstützt wird die «Great Barrington Erklärung» vom «American Institute for Economic Research» AIER mit Sitz in Great Barringten, Massachusetts. AIER wird unter anderem vom rechtskonservativen Koch Think Tank Network finanziert.
Die meisten Epidemiologen und Virologen halten es für unverantwortlich, sich auf Abstandhalten, Masken und Hygiene zu beschränken, von Lockdowns, Geschäftsschliessungen und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit abzusehen und sich auf den Schutz der Risikogruppen zu konzentrieren. Sie wollen eine Immunisierung der Bevölkerung mit einer weltweiten Impfkampagne erreichen.
Unterstützt werden sie von einer starken Lobby, bei der es um ein Multimilliardengeschäft geht.
Bis zum 13. Oktober haben weltweit 9’102 Wissenschaftler, 23’4269 Mediziner und 412’935 «besorgte Bürgerinnen und Bürger» die «Great Barrington Erklärung», die in 16 Sprachen vorliegt, online unterschrieben. Die online gesammelten Unterschriften werden allerdings nicht kontrolliert.
Infosperber informiert im Folgenden über den vollen Wortlaut der Erklärung (Zwischentitel von der Redaktion).
Die Great Barrington Erklärung
Als Epidemiologen für Infektionskrankheiten und Wissenschaftler im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens haben wir ernste Bedenken hinsichtlich der schädlichen Auswirkungen der vorherrschenden Covid-19-Massnahmen auf die physische und psychische Gesundheit und empfehlen einen Ansatz, den wir gezielten Schutz (Focused Protection) nennen.
Wir kommen politisch sowohl von links als auch von rechts und aus der ganzen Welt und haben unsere berufliche Laufbahn dem Schutz der Menschen gewidmet. Die derzeitige Lockdown-Politik hat kurz- und langfristig verheerende Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit. Zu den Ergebnissen, um nur einige zu nennen, gehören niedrigere Impfraten bei Kindern, schlechtere Verläufe bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weniger Krebsvorsorgeuntersuchungen und eine Verschlechterung der psychischen Verfassung – was in den kommenden Jahren zu einer erhöhten Übersterblichkeit führen wird. Die Arbeiterklasse und die jüngeren Mitglieder der Gesellschaft werden dabei am schlimmsten betroffen sein. Schüler von der Schule fernzuhalten, ist eine schwerwiegende Ungerechtigkeit.
Heutige Massnahmen verursachen irreparablen Schaden
Die Beibehaltung dieser Massnahmen bis ein Impfstoff zur Verfügung steht, wird irreparablen Schaden verursachen, wobei die Unterprivilegierten unverhältnismässig stark betroffen sind.
Glücklicherweise wachsen unsere Erkenntnisse über das Virus. Wir wissen, dass die Gefahr durch Covid-19 zu sterben bei alten und gebrechlichen Menschen mehr als tausendmal höher ist als bei jungen Menschen. Tatsächlich ist Covid-19 für Kinder weniger gefährlich als viele andere Leiden, einschliesslich der Influenza.
In dem Masse, wie sich die Immunität in der Bevölkerung aufbaut, sinkt das Infektionsrisiko für alle – auch für die gefährdeten Personengruppen. Wir wissen, dass alle Populationen schliesslich eine Herdenimmunität erreichen – d.h. den Punkt, an dem die Rate der Neuinfektionen stabil ist. Dies kann durch einen Impfstoff unterstützt werden, ist aber nicht davon abhängig. Unser Ziel sollte daher sein, die Mortalität und den sozialen Schaden zu minimieren, bis wir eine Herdenimmunität erreichen.
Gezielte Massnahmen zum Schutz der gefährdeten Personengruppen
Der einfühlsamste Ansatz, bei dem Risiko und Nutzen des Erreichens einer Herdenimmunität gegeneinander abgewogen werden, besteht darin, denjenigen, die ein minimales Sterberisiko haben, ein normales Leben zu ermöglichen, damit sie durch natürliche Infektion eine Immunität gegen das Virus aufbauen können, während diejenigen, die am stärksten gefährdet sind, besser geschützt werden. Wir nennen dies gezielten Schutz (Focused Protection).
Die Verabschiedung von Massnahmen zum Schutz der gefährdeten Personengruppen sollte das zentrale Ziel der Reaktionen des öffentlichen Gesundheitswesens auf Covid-19 sein. Zum Beispiel sollten Pflegeheime Personal mit erworbener Immunität einsetzen und häufige PCR-Tests bei anderen Mitarbeitern und allen Besuchern durchführen. Der Personalwechsel sollte minimiert werden. Menschen im Ruhestand, die zu Hause wohnen, sollten sich Lebensmittel und andere wichtige Dinge nach Hause liefern lassen. Wenn möglich, sollten sie Familienmitglieder eher draussen als drinnen treffen. Eine umfassende und detaillierte Reihe an Massnahmen, darunter auch Massnahmen für Mehrgenerationenhaushalte, kann umgesetzt werden und liegt im Rahmen der Möglichkeiten und Fähigkeiten des öffentlichen Gesundheitswesens.
Normales Leben in Schulen, Sport, Geschäften, Restaurants und Kultur
Diejenigen, die nicht schutzbedürftig sind, sollten sofort wieder ein normales Leben führen dürfen. Einfache Hygienemassnahmen wie Händewaschen und der Aufenthalt zu Hause im Krankheitsfall sollten von allen praktiziert werden, um den Schwellenwert für die Herdenimmunität zu senken. Schulen und Universitäten sollten für den Präsenzunterricht geöffnet sein. Ausserschulische Aktivitäten, wie z. B. Sport, sollten wieder aufgenommen werden. Junge Erwachsene mit geringem Risiko sollten normal und nicht von zu Hause aus arbeiten. Restaurants und andere Geschäfte sollten öffnen können. Kunst, Musik, Sport und andere kulturelle Aktivitäten sollten wieder aufgenommen werden.
Menschen, die stärker gefährdet sind, können teilnehmen, wenn sie dies wünschen, während die Gesellschaft als Ganzes den Schutz geniesst, der den Schwachen durch diejenigen gewährt wird, die Herdenimmunität aufgebaut haben.
_____________________________________________
*Diese Erklärung wurde am 4. Oktober in Great Barrington (USA) verfasst und unterzeichnet von
Martin Kulldorff, professor of medicine at Harvard University, a biostatistician, and epidemiologist with expertise in detecting and monitoring of infectious disease outbreaks and vaccine safety evaluations.
Sunetra Gupta, professor at Oxford University, an epidemiologist with expertise in immunology, vaccine development, and mathematical modeling of infectious diseases.
Jay Bhattacharya, professor at Stanford University Medical School, a physician, epidemiologist, health economist, and public health policy expert focusing on infectious diseases and vulnerable populations.
_____________________________________________
Vorbehalte gegenüber der Erklärung
Kritiker sehen in der Erklärung u.a. folgende Schwachstellen:
– Die Deklaration definiert nicht, wer alles zu den «Gefährdeten» (vulnerable) gehört.
– Die Deklaration sagt nicht, mit welchen konkreten Massnahmen man dafür sorgen will, dass sich diese Gefährdeten schützen können.
_____________________________________________
Die Erklärung kann hier unterschrieben werden.
_____________________________________________
Infosperber-DOSSIER:
Coronavirus: Information statt Panik
Hinterlasse jetzt einen Kommentar