Merkels NEIN zur Rente mit 70 oder nur eine Wahlkampfaussage?

von Gert Flegelskamp (flegel-g)

Angela Merkel hat lt. Zeit ein Machtwort gesprochen und der Rente mit 70, also eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre, eine Absage(1) erteilt, wie uns die ZEIT zu sagen weiß. Die Anhebung des Renteneintrittsalters war von „Ökonomen“ gefordert worden. Wir wissen, wenn Merkel einmal NEIN sagt, ist das in Stein gemeißelt, das haben wir bei der Maut gesehen.

Tja, mit den Ökonomen ist das so eine Sache. In meiner Vorstellung haben sie ähnliche Eigenschaften wie Statistiker, also als Werkzeuge benutzen sie Taschenrechner, Excel-Tabellen, die sie auf PCs oder Tablets selbst erstellen und deren Basis in bestimmten Bereichen nichts anderes als Annahmen sind. Sie sind auf die Wirtschaft und die Politik fixiert, also die Bereiche, die für eine entsprechend getürkte Beweisführung auch horrende Honorare zahlen. Das ist vielleicht stark verallgemeinert, aber Ökonomen mit anderen Schlussfolgerungen gelingt es dann wohl zu selten, das Interesse der Presse zu gewinnen.

Hier möchte ich ein kleines Wahlstatement einfügen. Liebe Wähler, die ihr die AfD wählen wollt, bedenkt, dass die Gründer dieser Partei genau aus dieser Ecke kommen und sehr enge Kontakte zu einigen sehr mächtigen Wirtschaftskreisen unterhalten.

Doch zurück zum Thema. Diese „Ökonomen“ haben bei ihren Rechenkünsten immer die Wirtschaft, also die Unternehmen im Blick und wie uns seit langer Zeit eingehämmert wird, muss die Wirtschaft wachsen, immerzu und immerdar. Das jede Form von Wachstum grundsätzlich begrenzt ist, scheint in den Köpfen dieser Ökonomen keinen Platz zu finden.

International scheint das etwas anders zu sein, wenn ich den Artikel der Süddeutschen(2) richtig verstanden habe. Das, was dort nun geäußert wird, habe ich zu Zeiten der täglichen Berichte über TTIP und CETA bereits erörtert und mit entsprechenden Bildern einer Oxfam-Studie(3) unterlegt.

Natürlich führen diese deutschen Ökonomen das ewig gleiche Statement an, dass unsere Kinder das alles zahlen müssen. Das stimmt teilweise, denn alles, was irgendwann angespart wurde, muss zum Zeitpunkt der Fälligkeit von den arbeitenden Generationen getilgt und somit erwirtschaftet werden.

Halten wir zunächst rein gewohnheitsmäßig fest, dass die gesetzliche Rente kein Geschenk des Staates an die Alten ist, sondern eine Versicherungsleistung, die unter dem Schutz des Art. 14 GG steht, der aber immer wieder von den jeweils aktuellen Gesetzgebern unterlaufen wurde, mit Hilfe das BVerfG. Jede aus den Beitragseinnahmen entnommene Sonderleistung (die so genannten Fremdlasten) ist ein Fall der Untreue des Staates auf Basis der von ihm eingeführten Doppelfunktion als Gesetzgeber und gleichzeitig als Versicherungsunternehmer.

Die gesetzliche Rente ist KEINE soziale Einrichtung, denn das wäre sie nur, wenn sie für alle gälte, also jeder Bürger Beiträge entrichten müsste, um dafür später eine Rente zu beziehen. Das BVerfG hat das zu Unrecht behauptet, das gesetzliche Rentensystem sei ein Solidarsystem und dem Gesetzgeber, also dem Staat, damit einen großen Freiraum zugebilligt, sich aus den Beitragseinnahmen widerrechtlich zu bedienen, um einem privilegierten Kreis Steuervorteile zu verschaffen.

Diese immer wieder verwendete Demographie-Keule wird auch bei ständiger Wiederholung nicht wahrer. Kein Wunder, dass diese Ökonomen ihre Zukunftsphantasien nur bis ins Jahr 1960 gestalten, denn ab dieser Zeit sind die geburtenstarken Jahrgänge zum größten Teil ins Nirwana abgewandert und die Ausgaben für die Renten werden drastisch sinken, weil nur noch die geburtenschwachen Jahrgänge nachrücken. Das nennt sich Nivellierung und macht dann die PR-Aussage der Vergreisung zum reinen Propaganda-Trick. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die geburtenstarken Jahrgänge auch für höhere Einnahmen an Rentenbeiträgen geführt und Überschüsse erzeugt haben, für die Politiker aber stets Verwendungsmöglichkeiten am Rentensystem vorbei gefunden haben.

Ebenfalls vergessen die Ökonomen, dass „unsere Kinder“ nicht nur die Renten erwirtschaften müssen, sondern auch die überzogenen Ansprüche von Vorständen, Ökonomen, Beamten, Politikern usw., denn alle haben Anspruch auf irgendwelche Alterseinkünfte und die meisten von ihnen, ohne je einen entsprechenden Beitrag geleistet zu haben.

Nehmen wir die Politiker. Pro Jahr ihrer Zugehörigkeit zum Parlament erwerben sie einen Alterseinkünfte-Anspruch von 238,54 Euro, also in einer einzigen Legislaturperiode (4 Jahre) bereits 954,16 Euro, ein Betrag, der pro weiterer Anwesenheit im Parlament einer weiteren Legislaturperiode um 954,16 Euro wächst. Nicht ganz richtig, denn bei jeder Diätenerhöhung wächst auch der Anspruch um den gleichen prozentualen Anteil, ebenso, wie die Alterseinkünfte der bereits in Pension gegangenen Politiker. Das bedeutet, bereits knapp 1,5 Legislaturperioden Anwesenheit im BT reichen Politikern, um einen Rentenanspruch zu erwerben, der bereits über der (fiktiven) Durchschnittsrente eines Beitragszahlers der gesetzlichen Rente liegt, der 45 Jahre Beiträge entsprechend dem jeweils aktuellen Durchschnittseinkommen gezahlt hat, das bedeutet ein Entgeltpunkt pro Jahr (aktuell 1.336,05 fiktive Durchschnittsrente). Das sehr viele Renten unter dem Durchschnitt liegen, muss wohl nicht erwähnt werden, vor allen die von Rentnern und Rentnerinnen, die in ihrer Erwerbsvita Unterbrechungen hatten.

Nehmen wir mal die Beamten. Wenn sie die Karenzzeit von 5 Jahren erreicht haben, haben sie bereits einen Mindest-Pensionsanspruch von 1.660,- Euro, ganz ohne eigene Beitragsleistung. Eine solche Rente erreichen nur wenige Beitragszahler der gesetzlichen Rente in ihrem gesamten Arbeitsleben. Zwar ist die Karenzzeit gleich (5 Jahre, bevor man Renten- bzw. Pensionsansprüche geltend machen kann), aber für den gesetzlich Rentenversicherten gibt es keine Mindestrente. Seine Rente berechnet sich ausschließlich aus den erreichten Entgeltpunkten (incl. gutgeschriebener oder ersatzweiser Entgeltpunkte, z. B. Mütterrente, Russlanddeutsche etc.) eines jeden Jahres. Dass sich die Pension eines Beamten aus den Bezügen errechnet, die er in den letzten beiden Jahren erhalten hat (eine zwischenzeitliche Erhöhung wird nicht angerechnet) und deren Höhe nicht gedeckelt wird, wie man das mit der Beitragszahlung der gesetzlich Versicherten über die Beitragsbemessungsgrenze macht, ermöglicht Pensionen, die mehr als das Dreifache einer höchst möglichen gesetzlichen Rente ausmacht.

Nun jammern Beamte ja stets, wenn sie solche Argumente hören oder lesen, dass sie zwar keine Beiträge für ihre Pension leisten, diese aber versteuern müssen (was den noch jüngeren Beitragszahlern bald ebenfalls ins Haus steht) und außerdem ihre Einkünfte niedriger als die der Beitragszahler waren. Aber Bruttoeinkommen sind nicht das, was ausgezahlt wird und daher ermitteln wir mal provisorisch, wie das mit den Nettozahlungen ist. Die Fakten, Beamte zahlen keine Arbeitslosenversicherung und keine Rentenversicherung. Bei der Krankenversicherung ist entscheidend, ob sie in die gesetzliche Krankenversicherung einsteigen (dann zahlen sie die gleichen Beiträge wie gesetzlich Versicherte, oder das Beihilfe-Angebot des Staates nutzen, der 70% Beihilfe (der tatsächlichen Aufwendungen) zahlt. Die privaten Versicherungsunternehmen haben daher Sondertarife für Beamte, wenn diese die restlichen 30% plus Zusatzangeboten versichern wollen.

Meine diesbezüglichen Aussagen beziehen sich auf Beamte des Bundes. In Ländern und Gemeinden ist das teilweise anders geregelt,

Gehen wir davon aus, ein gesetzlich Versicherter hat ein Einkommen von 2.000,- Euro brutto. Steuern müssen beide zahlen, die lassen wir also mal außen vor.

Dann sieht das so aus:

Der gesetzlich Versicherte zahlt 9,35% von brutto 2.000 Euro an die Rentenversicherung, der Beamte nichts. Verbleiben dem gesetzlich Versicherten 1.813,- Euro. Er zahlt außerdem 1,5% an die Arbeitslosenversicherung, von den 2.000,- Euro brutto, das macht noch mal 30,- Euro Abzüge, somit verbleiben ihm noch 1.783,- Euro. Die Steuern wurden (bis 2005) aber vom Brutto vor den Sozialabgaben gezahlt.

Also wäre ein Einkommen des Beamten von 1.783,- monatlich weniger als die 2.000,- Euro des gesetzlich Versicherten, im Grundsatz aber gleich, weil die vorgenannten Abzüge den Beamten nicht treffen. Hätte der Beamte ein Einkommen von 1.783,- Euro, stünde er sogar besser als der gesetzlich Versicherte, denn Letzterer müsste die Steuern für 2.000,- Euro brutto zahlen und auch die Beiträge für die Krankenversicherung und Pflegeversicherung gingen von 2.000,- Euro Bruttoeinkommen aus und wären damit höher, als die des armen Vergleichs-Beamten, der „nur“ 1.783,- und damit über 200,- Euro „weniger“ als der gesetzlich Versicherte verdient hat.

Dass Beamte eine Arbeitsplatzgarantie haben, faktisch also unkündbar sind, dass sie Familienzuschläge bekommen und neben dem Kindergeld auch beim Gehalt Kinderzulagen, dass sie alle drei, später alle 2 Jahre automatisch mehr Geld bekommen, ist von Beginn an festgelegt. Dass sie innerhalb ihrer Laufbahngruppe (einfacher, mittlerer, gehobener Dienst) alle paar Jahr Anspruch darauf erheben können, in die nächsthöhere Stufe ihrer Laufbahngruppe zu kommen, wird auch gerne unterschlagen.

All diese Garantien hat der gesetzlich Versicherte nicht. Meist kommen Beamte dann mit dem höhnischen Satz: „Hättest ja auch Beamter werden können!“ Der Spruch ist sowas von dumm. Man stelle sich vor, das ginge wirklich und alle würden Beamte. Wer würde dann dem Staate die Einnahmen verschaffen, aus denen seine Gehälter und Pensionen gezahlt werden?

Machen wir uns nichts vor, es sind mit absoluter Mehrheit die gesetzlich Versicherten, die das System am Laufen halten. Wenn Unternehmer jammern, dass sie die höheren Steuern zahlen, ist zuerst die Frage zu beantworten, wer ihnen denn überhaupt erst die Möglichkeit gibt, so viel einzunehmen, dass sie hohe Steuern zahlen müssen.

Arbeiter und Angestellte halten das System am Laufen. Sie sind es, die Gräben ausheben, die Bagger und Kräne bedienen, die Häuser bauen, die LKWs fahren, an den Kassen der Lebensmittelkonzerne sitzen, dort die Regale einräumen, in den Unternehmen die Produktionen fahren, in der Verpackungsindustrie die Verpackung steuern, in den Konzernen an den Computern sitzen, in den Verwaltungen die unterschiedlichsten Aufgaben wahrnehmen usw. usf.

Würden alle Arbeiter und Angestellten auf einen Schlag ihre Arbeit nicht mehr ausführen, wäre binnen 1 bis 2 Wochen das absolute Chaos ausgebrochen. Die Regale der Supermärkte wären leer, die Fließbänder in den Fabriken stünden still, die Roboter in den verschiedensten Einsätzen wären nutzlos, kein Flugzeug würde mehr starten, kein LKW die Straßen befahren usw. usf. Ich glaube, niemand kann das Chaos berechnen, dass dann ausbrechen würde. Arbeiter und Angestellte sind das Herz eines Staates, nicht die Konzernmanager, nicht die Ökonomen, nicht die Politiker, nicht die Firmeninhaber und alle wissen, wenn das Herz aufhört zu schlagen, stirbt der Körper.

Das ist vielleicht die Lösung. Jeder sollte den Staat als Körper betrachten und in diesem Körper wären viele Ökonomen (nicht alle) ein Tumor, Politiker das Alzheimer-Syndrom, die Steuerhinterzieher die Blutgerinnsel in den Adern, die Konzernmanager die Verstopfung des Darms und den Rest kann sich jeder selbst ausmalen.

Man stelle sich vor, ohne Bauarbeiter würde kein Haus entstehen und nun wollen diese Wahrheitsverdreher diese Bauarbeiter bis 70 schuften lassen? Arbeitsplätze schmelzen durch die Robotisierung wie Butter in der Sonne, aber alle sollen nun noch 5 Jahre länger arbeiten? Für mich gehören diese Leute in eine Heilanstalt, obwohl ich nicht glaube, dass deren Wahnsinn heilbar ist.

Doch all das beruht auf dem Aberglauben, man könne in die Zukunft sehen, indem man heutige Daten nimmt und durch Hochrechnungen ein Abbild der Zukunft erhält. Statistiker haben Rechenmodelle erfunden, mit denen sie die Lebenserwartung vorhersagen. Das ist, als würde jemand einen Kuchen auf Seite stellen und darauf warten, dass er größer wird. Doch der Kuchen verfault nur.

Selbst wenn die Statistiker mit ihren Hochrechnungen Recht behielten, ist es unseriös, diese Angaben auf die Bezieher einer gesetzlichen Rente zu verwenden. Die Rentenbezieher sind ein geschlossener Personenkreis und für den müsste dann eine nur diesen Kreis bestimmende Statistik erstellt werden. In ihren Wirtschaftsstatistiken verwendet das Stat. Bundesamt auch für jeden Wirtschaftskreis eine eigene Statistik.

Dass sie das nicht auch für die Rentner bei der Statistik der Lebenserwartung machen, ist sicher kein Versehen, sondern politisch diktiert, denn die Daten liegen in einer Genauigkeit vor, wie in keinem anderen Zweig, schließlich hat die Rentenversicherungsanstalt Bund alle erforderlichen Daten und erstellt daraus auch regelmäßige Jahresberichte. Und eine Vorauskalkulation der Lebenserwartung wäre anhand der seit 100 Jahren vorliegenden tatsächlichen Sterbefälle auf Basis jeden Berufszweigs erheblich leichter. Wie hieß es früher? „Weil Du arm bist, musst Du früher sterben.“ Das ist immer noch so, ausgenommen in den statistischen Daten, das einzige System in diesem Staat, in dem alle Menschen gleich zu sein scheinen.

Fußnoten

(1) Ökonomen kritisieren Merkels Nein zur Rente mit 70 NEIN zur Rente mit 70?
(2) Super-Firmen greifen an Die Macht der Konzerne
(3) Oxfamstudie Megakonzerne
(4) Lebenserwartung für Jungen 78 Jahre, für Mädchen 83 Jahre Stat. Bundesamt

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