Geld und ReGIERung

Make love not law: Geld und ReGIERung

von Carlos A. Gebauer

Die Frage nach Steuergier und Gemeinwohlhinterziehung

Philosophiestudenten lernen ganz zu Beginn ihrer logischen Studien: Der Widerspruch innerhalb einer Aussage ist ein Zeichen für ihre Falschheit. Ein weißer Schwan ist kein schwarzer Schwan und ein schwarzer Schwan ist kein weißer Schwan. Wer folglich von einem weißen Schwan sagt, er sei schwarz, oder von einem schwarzen, er sei weiß, dem steht für seine Aussagen die Logik nicht mehr zur Seite. Auch in der Juristerei gilt die vergleichbare Erkenntnis: Widersprüchliches Verhalten einer Person ist rechtlich nicht schutzwürdig. Wer zugleich das eine und dessen Gegenteil sagt oder tut, der kann nicht die Hilfe des Rechts für sich reklamieren. Eine Sache vermieten zu wollen, gleichzeitig aber von dem Mieter deren Herausgabe zu verlangen, weil man deren Eigentümer ist, ruft bei Juristen und Nichtjuristen gleichermaßen Kopfschütteln hervor.

Von einem demokratischen Rechtsstaat – der sich in den Traditionen von Moderne und Aufklärung sieht und allerorten ein wissenschaftlich-rationales Weltbild leben zu wollen erklärt – und von seinen Repräsentanten sollte man demnach auch ein entsprechend logisches und widerspruchsfreies Regierungshandeln erwarten können. Doch analog zu der Volksweisheit, dass bei Geld die Freundschaft aufhöre, will es den Anschein haben, als endeten Logik und Rationalität des staatlichen Handelns, wenn und sobald Geld in das Regierungsgeschäft tritt.

Was haben wir Bürger in der jüngsten Vergangenheit nicht alles über „die Krise“ gehört und gelesen! Zentraler Auslöser ihrer Entstehung sei „die Gier“ gewesen, hieß es immer wieder, die Gier nach mehr und mehr und immer mehr – Geld! Und als Gegenmittel gegen „die“ Krise, zu ihrer Überwindung und Bewältigung, versprachen die Vertreter von Staaten und Regierungen ihren Bürgern laut und immer lauter: Wir werden der Gier begegnen, wir werden die Gier besiegen! In den heute zeitgemäßen Varianten des Wiener Kongresses, also in sogenannten G20-Gipfeln oder hektischen Krisensitzungen der Euro-Gruppe, wurden und werden dann wieder und wieder feinste Pläne geschmiedet, um der Gier von Banken, Versicherungen, Anlegern oder – am liebsten gleich insgesamt – „der Märkte“ endlich den Garaus zu machen.

Logisch widerspruchsfrei und rechtlich schutzwürdig wäre ein solcher Kampf gegen die Gier nun allerdings wohl am ehesten, wenn er von Menschen und Institutionen geführt würde, die ihrerseits eben gerade nicht selbst „gierig“ sind. Interessanterweise aber lässt sich just dies nicht beobachten. Im Gegenteil: Es will beinahe scheinen, dass ausgerechnet jene politischen Akteure, die selbst am gierigsten sind, der Gier anderer am vehementesten entgegentreten.

Definiert man nämlich „Gier“ als ein auf Dauer angelegtes, nicht nur vorübergehendes Mehrhabenwollen, dann wird zwangsläufig eines augenfällig: Ausnahmslos alle Regierungen, die heute gegen die Gier kämpfen, waren und sind mit ihren „strukturellen Haushaltsdefiziten“ seit Jahrzehnten selbst nimmersatte Gierhälse. Mit immer neuen „Nettokreditaufnahmen“ und immer kreativeren Umdefinitionen von allerlei tatsächlichem Konsum zu vermeintlicher Investition haben sie ihre Bürger – begierig – in die öffentliche Schuldenfalle manövriert. Wer aber einen Staat in Billionenschulden regiert hat, der sollte doch in stiller Demut schweigen, wenn die Gier anderer moniert wird, oder?

Interessanterweise aber krähen ausgerechnet jene wieder am lautesten gegen das Gieren, die selbst schon ankündigen, die Steuern zu Lasten der Bürger künftig kräftig erhöhen zu wollen. Sozialdemokraten und Grüne überbieten sich derzeit in Deutschland bekanntlich in ihren Ankündigungen, wen sie nach gewonnener Wahl bald kräftiger zur Abgabenader lassen wollen. Das naheliegende Wort „Steuergier“ des Staates aber fällt in den öffentlichen Debatten bislang nicht.

Statt die Begehrlichkeiten des immerdurstigen Fiskus zu zügeln, um durch seriöse Haushaltspolitik ausgeglichene Bilanzen zu schaffen, wird an der Propagandafront mit großer Emsigkeit Stimmung gemacht. Einer wie Uli Hoeneß kommt den einschlägig Interessierten daher gerade zur rechten Zeit: Er, heißt es, habe Millionenbeträge an Steuern hinterzogen. Ihm und allen, die den Steuertopf nicht füllen, müsse nun rigoros der Kampf angesagt werden. Statt von bloßen „Steuerausfällen“ wird in diesem Zusammenhang dann gerne gleich von „Steuerschäden“ gesprochen. Das klingt auf den ersten Blick zwar weit dramatischer, lenkt den zweiten Blick aber zwangsläufig auch auf eine – für die ReGIERung – durchaus peinliche, weitere Frage: Welcher Schaden ist wem durch welches Handeln denn in Wahrheit tatsächlich entstanden?

Geht man – weil die rechtliche Unschuldsvermutung für Prominente ohnehin nicht mehr zu gelten scheint – einmal schlankweg davon aus, Herr H. aus M. habe beispielsweise zehn Millionen Euro Steuern nicht gezahlt, die er nach dem Wortlaut irgendwelcher Steuergesetze irgendwann in Summe zu zahlen verpflichtet gewesen wäre. In diesem Falle müsste für das Vorliegen eines „Steuerschadens“ irgendjemandem durch diese Nichtzahlung ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Schaden entstanden sein. Wer aber sollte das sein?! Wäre die Steuerpflicht für irgendeinen anderen Bürger gesenkt worden, hätte Herr H. gezahlt? Kein Mensch politisch wachen Geistes würde so etwas ernstlich annehmen. Natürlich hätten alle anderen auch diesenfalls dieselben Steuern gezahlt. Und umgekehrt wären auch alle Auszahlungen der öffentlichen Kassen im Falle der Einzahlung durch Herrn H. in derselben Höhe so erfolgt, wie sie tatsächlich stattgefunden haben. Wie wir nämlich spätestens seit den notorischen „Euro-Rettungen“ wissen, gilt: Geld, das fehlt, wird simpel neu geschaffen. Anders gesagt: Staatliche Aktiva und Passiva stehen bilanziell nur noch in einem eher folkloristischen Zusammenhang. Mathematik ist definitiv nicht mehr ihr Bindeglied.

Was also könnte – unter dem eingangs vorgestellten Prinzip der logischen Widerspruchsfreiheit – rechtfertigen, Herrn H. wegen schließlich vielleicht tatsächlich erwiesener Steuerverkürzungen zu bestrafen oder gar für ein paar Jahre in Haft zu nehmen? Eine buchhalterisch-mathematische Zahlendifferenz wohl kaum. Aber: ein Schaden? An dem es doch, wie gezeigt, fehlt?

Wer die Auffassung nicht teilt, dass Einzahlungen und Auszahlungen in die gemeinsame Steuerkasse hierzulande allenfalls noch in rhetorischen Zusammenhängen stehen, der wird umgekehrt strikt arithmetisch annehmen müssen, dass an einer Stelle fehlendes Geld an anderer Stelle tatsächlich das Leben ändere. Wenn dem aber so ist: Wie muss man dann strafrechtlich mit Akteuren verfahren, die jahrzehntelang Steuergelder ausgegeben haben, über die sie (noch) gar nicht verfügten? Wie ist mit den Verantwortlichen von staatlichen Banken umzugehen, die jahrzehntelang faktische „bad banks“ haben entstehen lassen? Welche Antwort muss dann denen gegeben werden, die bei öffentlichen Bauprojekten Unsummen vergeudet haben? Muss dann nicht – um das muntere Vorverurteilen weiter zu treiben – eine Doppelzelle im Gefängnis gebaut werden: Für Herrn Hoeneß und Herrn Wowereit zu zweit?

Hieße der einschlägige Straftatbestand nach allem nicht „Steuerhinterziehung“, sondern „Gemeinwohlhinterziehung“, dann sähe die steuer- und strafrechtliche Welt in Deutschland mit einiger Wahrscheinlichkeit deutlich anders aus. ReGIERungen müssten sich für ihr verschwenderisches Geldausgeben verantworten, nicht Steuerbürger für ihr ökonomisches Geldzusammenhalten. Und wahrscheinlich müsste dann auch keine Hoeneß-Wowereit-Doppelzelle gebaut werden, was wiederum das Korruptionsrisiko am öffentlichen Bau deutlich minimieren dürfte.

Quelle: ef-magazin 

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Zum Thema Gier noch dies:

Die Gier nach Geld und Macht

 

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