Warum die Bestechung von Abgeordneten in Deutschland nicht strafbar ist

In Deutschland ist die Bestechung von Abgeordneten, in den Medien höflich „Lobbyismus“ genannt, legal. Da vielen das nicht bekannt ist, erkläre ich die Rechtsgrundlagen hier noch einmal und führe Beispiele aus der Vergangenheit auf.

Quelle: anti-spiegel

Ich habe zwar früher schon darüber berichtet, aber leider ist das Thema für viele immer noch unbekannt. Daher will ich hier noch einmal zusammenfassen, wie Abgeordnetenbestechung in Deutschland legalisiert wurde und warum Abgeordneten, Regierungsmitgliedern und anderen wichtigen Persönlichkeiten in Deutschland keine Strafverfolgung droht, selbst wenn sie sich strafbar gemacht haben.

Die Legalisierung der Korruption

Im deutschen Strafgesetzbuch wird Korruption in den Paragraphen 331 (Vorteilsnahme)332 (Bestechlichkeit)333 (Vorteilsgewährung)334 (Bestechung) und 335 (besonders schwere Fälle) behandelt. In den Paragraphen 331 bis 334 wird jeweils die juristische Definition der Straftat genannt und für wen sie gilt. All diese Paragraphen beginnen identisch:

„Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter…“

Merken Sie was? Es geht nur um Beamte. Abgeordnete oder Mitglieder der Regierung, sind nicht betroffen. Die Paragraphen gelten für sie nicht. Für sie gibt es einen eigenen Paragraphen, sie sind gleicher, als alle anderen. Für sie gilt der Paragraph 108e StGB (Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern), in dem man lesen kann:

„(1) Wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer einem Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für dieses Mitglied oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass es bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse.“

Entscheidend ist „ungerechtfertigter Vorteil“ für eine Gegenleistung. Zur Frage, was „ungerechtfertigt“ bedeutet, kommen wir gleich. Da es aber völlig legal ist, dass Abgeordnete Geld von Lobbyisten bekommen, wenn sie es nur beim Parlament anmelden und als Einkommen versteuern, ist auch die Gegenleistung legal.

Die Politiker haben sich damit die Korruption legalisiert. Übrigens finden sich in den Paragraphen für Beamte (also §§331-334 StGB) diese Einschränkungen nicht. Dort ist die Regelung viel strenger. Dort ist Bestechlichkeit (§332 StGB) so definiert:

„Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“

Wie wir sehen, gibt es keine solchen Schlupflöcher, wie bei Politikern. Bundestagsabgeordnete müssen dem Bundestag nur melden, dass sie von jemandem Geld für eine Gegenleistung, eine sogenannte „Nebentätigkeit“, bekommen und schon ist alles ganz legal. Und dabei müssen sie noch nicht einmal Details angeben.

Was Abgeordnete dem Bundestag melden müssen

Der Spiegel hat vor einigen Jahren in einem Artikel darüber berichtet, über den ich wiederum ausführlich geschrieben habe. Im Spiegel konnte man lesen:

„Das Abgeordnetengesetz erlaubt es Parlamentariern explizit, neben dem Mandat weitere Tätigkeiten und Funktionen auszuüben und dafür auch bezahlt zu werden. (…) Die Höhe von Nebeneinkünften wird in groben Einkommensstufen veröffentlicht. Dadurch ergeben sich Ungenauigkeiten. Nach oben sind keine Limits gesetzt, denn die Stufe 10 hat keine Obergrenze – sieben Abgeordnete geben diese Stufe an. Und Einkünfte unter der Bagatellgrenze müssen überhaupt nicht gemeldet werden.“

Wichtig bei legaler Korruption in Deutschland ist es also, dass man nicht einfach einen Koffer mit Geld übergeben bekommt, sondern dass man diesen Koffer für eine „Nebentätigkeit“ bekommt. Das kann ein 20 minütiger Vortrag (also eine Rede) sein, für die man 6.000 Euro einstreicht. Beispiel: Man quatscht bei der Bankenlobby 20 Minuten lang, bekommt dafür ein paar tausend Euro und darf dann in Ausschüssen des Bunestages ganz legal ein Gesetz fördern, dass den Banken Vorteile bringt. Am Beispiel von Christian Lindner, dem FDP-Chef und heutigen Finanzminister, hat der Spiegel es damals so beschrieben:

„FDP-Partei- und -Fraktionschef Christian Lindner gibt Einkünfte von mehr als 300.000 Euro an, die aus Honoraren für 50 Vorträge stammen.“

Herr Lindner bekam also pro Rede im Schnitt 6.000 Euro, aber er war und ist nicht verpflichtet, mitzuteilen, von wem er diese Gelder bekommt. Mit anderen Worten: Wir es war zwar bekannt, dass Herr Lindner Honorare in Höhe von insgesamt 300.000 Euro für Reden bekommen hat, aber wir wissen nicht, von wem er das Geld bekommen hat. Das wurde im Spiegel so formuliert:

„Ebenfalls nicht benannt werden zahlreiche Vertragspartner von Abgeordneten: Anwälte, Berater und Landwirte anonymisieren sie häufig.“

Und wenn sich Politiker doch mal strafbar machen?

Bisher haben wir uns angeschaut, wie Politik sich Korruption legalisiert hat. Aber was passiert, wenn sich ein Abgeordneter oder Minister doch mal etwas strafrechtlich Relevantes zu schulden kommen lässt?

Dann passiert auch nichts und der Grund ist wieder deutsches Gesetz. In Deutschland gibt es das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und dort den Paragrafen 146. Er lautet:

„Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“

Und wer der Vorgesetzte des Staatsanwaltes ist, regelt Paragraf 147 GVG: Es sind die jeweiligen Justizminister. Und die machen von ihrem Weisungsrecht reichlich Gebrauch und verbieten den Staatsanwaltschaften kurzerhand, gegen Politiker zu ermitteln, selbst wenn berechtigte Strafanzeigen vorliegen. Das habe ich hier mit vielen Beispielen aufgezeigt, einige davon werde ich hier wieder nennen.

Das geht so weit, dass sogar der Europäische Gerichtshof am 27. Mai 2019 entschieden hat, dass deutsche Staatsanwaltschaften keine Europäischen Haftbefehle mehr ausstellen dürfen, weil in Deutschland nicht sicher ist, ob der Haftbefehl tatsächlich auf einer Straftat beruht, oder er politisch bedingt ist. Wer das nicht glaubt, kann es hier inklusive Link zum Urteil des Europäischen Gerichtshofes nachlesen.

Und daran wird sich nie etwas ändern. Der Grund sind zum Beispiel die Auslandseinsätze der Bundeswehr, für die die Abgeordneten des Bundestages regelmäßig mehrheitlich ihre Stimmen abgeben. Einige dieser Einsätze sind per Definition völkerrechtswidrige Angriffskriege und wer die plant oder unterstützt, geht nach deutschem Recht lebenslang ins Gefängnis. Das sage nicht ich, das sagt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages.

Wenn also die Abgeordneten das Gerichtsverfassungsgesetz ändern und den Staatsanwaltschaften freie Hand geben würden, müssten alle Abgeordneten, die für die Auslandseinsätze der Bundeswehr gestimmt haben, lebenslange Freiheitsstrafen befürchten. Daher werden sie diese Regelung im GVG nicht abschaffen. Das habe ich hier im Detail aufgezeigt und werde auch dafür Beispiele nennen.

Kommen wir also zu den Beispielen, ich werde viele anführen, der Artikel wird also recht lang. Aber ich muss meine oben genannten Vorwürfe ja belegen, daher führe ich eine lange (und nicht vollständige) Liste mit Beispielen an.

Die FDP und die Mehrwertsteuer für Hotels

Erinnern Sie sich daran, wie die FDP, als sie 2009 wieder in der Regierung war, sofort die Mehrwertsteuer für Hotels gesenkt hat? Das war 2011. Im Oktober 2009, also als schon klar war, dass die FDP Ende Oktober Teil der neuen Bundesregierung wird, hat die FDP eine der größten Parteispenden ihrer Geschichte bekommen, wie man zum Beispiel in der FAZ lesen konnte:

„Die Düsseldorfer Substantia AG überwies der Partei zwischen Oktober 2008 und Oktober 2009 1,1 Millionen Euro – eine der höchsten Spenden der Parteigeschichte“

Und der Substantia gehören die Mövenpick-Hotels. So eine Überraschung.

Die Hotelkette hat sich bei der FDP ihr Gesetz zur Steuersenkung gekauft. Wurde jemand bestraft? Nein.

Die Bankenrettung 2008

Oder erinnern Sie sich an die Finanzkrise 2008 und die Bankenrettung? Dazu wurde extra ein Gesetz verabschiedet. Der Focus zum Beispiel schrieb dazu 2009:

„Steinbrücks Ministerium ließ die Gesetzentwürfe sowie die Verordnung zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz – die Grundlage für die staatliche Stützung deutscher Banken mit bis zu 480 Milliarden Euro – komplett von Anwälten der Frankfurter Top-Kanzlei Freshfields ausarbeiten. Zu deren Mandanten gehören fast alle führenden Banken der Republik“

Die Kanzlei Freshfields ist die weltweit führende Lobby-Kanzlei für Banken. Das bedeutet, dass eine Kanzlei, die von den Banken dafür bezahlt wird, Gesetze zu erreichen, die für die Banken gut sind, das Gesetz schreiben durfte, das die Banken retten sollte. Am Ende hat das Gesetz den deutschen Staat 60 Milliarden gekostet und den Banken, die die Krise verursacht hatten, das Geld geschenkt. Die Details finden Sie hier.

Vielleicht ist es überflüssig, daran zu erinnern, aber der damals zuständige Minister Steinbrück wurde danach ein hochbezahlter Redner bei Veranstaltungen der Bankenwirtschaft. Für Vorträge hat er danach hunderttausende Euro kassiert und außerdem wurde er nach seiner Zeit als Minister auch noch hochbezahlter Berater bei einer Bank.

Rent a Minister

Im November 2016 wurde bekannt, dass die SPD eine Preisliste hatte, auf der Lobbyisten Treffen mit SPD-Ministern und SPD-Staatssekretären zu festgelegten Preisen buchen konnten. Die SPD hat von Lobbyisten Geld für Treffen genommen und das geben Lobbyisten nur aus, wenn sie sich einen Vorteil versprechen. Das ist per Definition Korruption.

Ende November 2016 hat der Spiegel in einigen wenigen Artikeln darüber berichtet. Ich zeige drei Beispiele auf.

In dem ersten der drei Artikel konnte man lesen:

„Teilgenommen haben laut „Frontal21″ an derartigen Gesprächen Justizminister Heiko Maas, Arbeitsministerin Andrea Nahles, Umweltministerin Barbara Hendricks, Familienministerin Manuela Schwesig, SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann, SPD-Generalsekretärin Katarina Barley, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Matthias Machnig und der SPD-Bundestagsabgeordnete Hubertus Heil.“

Aber all diese Politiker sind im Amt geblieben, keiner von denen ist zurückgetreten. Und auch die Staatsanwaltschaft hat nie ermittelt, obwohl man in dem gleichen Artikel lesen konnte:

„Für Sophie Schönberger, Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Konstanz ist diese Art des Sponsorings „eine sehr intelligente, aber im Endeffekt trotzdem rechtswidrige Umgehung der Parteienfinanzierung“. Es könne nicht sein, dass „durch die Zwischenschaltung einer GmbH legal wird, was sonst illegal wäre“.“

In dem zweiten Artikel ließ der Spiegel die Agentur der SPD, die die Treffen vermittelt hat, sagen:

„Laut NWMD gehe es keineswegs darum, Gesprächstermine mit Entscheidern gegen Geld zu „verkaufen“. Vielmehr versuche man, Partner zu finden, die jene Kosten tragen, die mit einer solchen Veranstaltung verbunden seien.“

Kritische Fragen oder Anmerkungen des Spiegel dazu? Fehlanzeige.

Im dritten Artikel meldete der Spiegel dann:

„Die umstrittene Gesprächsreihe wird eingestellt“.

Damit war das Thema für den Spiegel erledigt.

In keinem der Artikel gab es eine kritische Frage des Spiegel, es gab keine Forderung nach strafrechtlichen Ermittlungen oder zumindest strafrechtlicher Prüfung durch den Staatsanwalt. Das böse Wort „Korruption“ fand sich kein einziges Mal beim Spiegel.

Und warum hat die Staatsanwaltschaft nicht ermittelt, wenn der Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung und sogar der Korruption im Raum stand? Weil es Paragraf 146 GVG gibt und der Justizminister die Ermittlungen verbieten konnte.

Und wer war damals Justizminister? Heiko Maas, der selbst einer der Verdächtigen in dem Fall gewesen wäre.

So funktioniert Propaganda in Deutschland. Wenn SPD-Minister in Korruptionsverdacht geraten, dann wird kurz berichtet, keine kritische Frage gestellt, die Ausreden der Verantwortlichen werden zitiert und dann wird das Thema von den Medien begraben.

Die Maskenaffäre

2021 gab es die Maskenaffäre, bei der die Bundestagsabgeordneten Sauter und Nüßlein „Provisionen“ in Millionenhöhe erhalten haben, nachdem sie für Maskenhersteller einen Deal mit dem Gesundheitsministerium eingefädelt und die Masken zu einem weit überhöhten Preis an das Ministerium vermittelt hatten. Im November 2021 hat ein deutsches Gericht ihnen bescheinigt, dass sie legal gehandelt haben und sie durften die Provisionen in Millionenhöhe behalten.

In diesem Falle durfte die Staatsanwaltschaft ermitteln, denn alle Beteiligten wussten, dass kein Gericht die Abgeordneten verurteilen würde, denn sie hatten vollkommen legal gehandelt. Das schauen wir uns genauer an.

Da die Staatsanwaltschaft gegen Nüßlein und Sauter ermittelt und sogar Hausdurchsuchungen durchgeführt hat, haben die beiden Beschwerde gegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft eingelegt und am 19. November recht bekommen. Das Gericht hat das sehr interessant begründet:

„Der Bundesgesetzgeber hat den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung ausschließlich zum Schutz der Arbeit von Parlaments- und Fraktionsgremien geschaffen. Erfasst werden daher nur Bestechungshandlungen, durch die die Tätigkeit im Rahmen der parlamentarischen Arbeit im Plenum, den Ausschüssen sowie den Arbeitskreisen und -gruppen der Parteifraktionen beeinflusst werden soll.“

Bestechung von Abgeordneten ist also legal, solange die Bestechung nicht die parlamentarische Arbeit betrifft. Das ist in der Praxis kaum nachzuweisen, es sei denn, die Beteiligten legen schriftlich fest, dass der Bestechende dem Abgeordneten das Geld explizit dafür gibt, dass der Abgeordnete zum Beispiel für oder gegen ein Gesetz stimmt. Dass so etwas nachgewiesen werden kann, ist in der Praxis nicht denkbar, Bestechung von Abgeordneten ist in Deutschland demnach legal.

Weiter sagte das Gericht:

„Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers macht sich dagegen ein Mandatsträger durch die Annahme von unberechtigten Vermögensvorteilen nicht strafbar, wenn er – wie vorliegend geschehen – lediglich die Autorität seines Mandats oder seine Kontakte nutzt, um Entscheidungen von außerparlamentarischen Stellen, z.B. Behörden und Ministerien, zu beeinflussen. Dieser eindeutige Wille des Gesetzgebers war von den Senaten bei ihren Entscheidungen hinzunehmen.“

Hier kann man deutlich sehen, dass das Gericht stinksauer über diesen Paragrafen ist. Es spricht von unberechtigten Vermögensvorteilen“, es stellt also fest, dass die Annahme der Gelder – höflich ausgedrückt – nicht in Ordnung war. Und das Gericht weist zweimal daraufhin, dass das der „eindeutige Wille“ des Gesetzgebers ist. Das Gericht sagt damit durch die Blume, dass es diese beiden korrupten Abgeordneten sehr gerne verurteilt sehen würde, dass das Gericht aber aufgrund des eindeutig formulierten Paragrafen 108e StGB keine andere Wahl hat, als den beiden Recht zu geben.

Meines Wissens ist es für eine Urteilsbegründung ausgesprochen ungewöhnlich, dass die Richter ihre eigene Meinung so offen zum Ausdruck bringen und geltendes Recht so offen kritisieren.

Noch mehr Masken

Die Masken gegen die Pandemie waren für die zuständigen Politiker in Deutschland ein regelrechtes Geschäftsmodell.

Der damalige Gesundheitsminister hieß Jens Spahn und er war und ist verheiratet mit Daniel Funke, einem Lobbyisten. Das schwule Paar lebt auf großem Fuß und hat sich 2020 eine Villa für über vier Millionen Euro in Berlin gekauft, die es sich eigentlich nicht leisten kann, aber die Kredite haben sie trotzdem von der Sparkasse Westmünsterland bekommen, bei der Spahn von 2009 bis 2015 Verwaltungsratsmitglied war. Darum soll es hier aber nicht gehen, bei Interesse können Sie die Details hier nachlesen.

Die Frage, um die es mir hier geht, ist eine andere: Ist es eigentlich statthaft, dass jemand Minister wird, der mit einem Lobbyisten verheiratet ist? Immerhin ist es der Job von Lobbyisten, die Regierung in die vom Arbeitgeber des Lobbyisten gewollte Richtung zu beeinflussen. Und was ist da praktischer für den Lobbyisten, als im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Minister im Bett zu liegen?

Der Ehemann von Spahn arbeitet für Burda, also einen Medienkonzern. Und auch dieser Medienkonzern hat zu Beginn der Pandemie plötzlich angefangen, dem von Jens Spahn geleiteten Bundesgesundheitsministerium überteuerte Schutzmasken gegen die Pandemie zu verkaufen. Im Spiegel konnte man lesen:

„Auf Nachfrage des SPIEGEL teilte das Ministerium mit: »Der Vertrag mit der Burda GmbH ist nach Angebotseingang nach einem standardisierten Verfahren zu marktüblichen Preisen geschlossen und abgewickelt worden.« Ein Burda-Sprecher sagte dem SPIEGEL: »Der Vorstand der Hubert Burda Media hat dem Gesundheitsministerium im April 2020 angeboten bei der Maskenbeschaffung zu helfen, als die Bundesregierung auf dringender Suche nach Schutzmasken war.« Dabei handelte es sich laut Auskunft des Firmensprechers um den Burda-CEO Paul-Bernhard Kallen, der sich direkt an Minister Spahn gewandt hat.“

Ich will gerne glauben, dass der Chef von Burda (und damit von Spahns Mann) bei Spahn angerufen hat. Aber was ich kaum glauben kann ist, dass der Chef von Spahns Mann nicht zuerst mit seinem Angestellten gesprochen hat, der jeden Abend mit dem Minister in einem Haus schläft. Die Verbindung ist zu praktisch, als dass ich glauben kann, der Chef von Burda hätte da nicht „vorgefühlt“.

Und noch eine Frage: Wieso handelt ein Medienkonzern wie Burda mit Masken?

Und die nächste Frage: Bei all den Skandalen um CDU/CSU-Abgeordnete, die auch an Maskenverkäufen an das Gesundheitsministerium verdient haben, legt das Ministerium größten Wert darauf, dass der Herr Minister Spahn damit nichts zu tun gehabt hat, alles sei auf dem normalen Dienstweg geschehen und die Entscheidungen seien weit unterhalb des Ministers getroffen worden. Aber ausgerechnet bei dem Deal mit Burda, also dem Arbeitgeber von Spahns Mann, war der Minister persönlich involviert. Der Spiegel schreibt dazu noch:

„Burda teilte auf Anfrage des SPIEGEL mit, dass Funke »zu keinem Zeitpunkt über die Transaktion informiert oder involviert« gewesen sein soll. Es sei auch keinerlei Provision gezahlt worden. Diese Stellungnahme gab Burda auch für Funke mit ab, der auf eine SPIEGEL-Anfrage nicht reagierte.“

Das reichte dem Spiegel als Erklärung aus und er fragte nicht, ob das plausibel ist.

Danach wechselte der Spiegel schnell das Thema und berichtete wieder über all die anderen Fälle in der Maskenaffäre. Erst viel später konnte man dann in dem Spiegel-Artikel lesen:

„Andere Unternehmen, die dem Ministerium ohne Kontakte in die Politik Masken angeboten haben, bekamen nach eigenen Angaben nicht mal eine richtige Antwort vom Gesundheitsministerium. Weshalb viele Händler sich bis heute fragen, ob für ein solches Geschäft politische Beziehungen ins Ministerium nötig waren.“

Die Frage ist berechtigt und das wäre der nächste Skandal, denn all das ist in dem Jahr passiert, als Schutzmasken Mangelware waren. Wenn sich herausstellt, dass das Gesundheitsministerium, das damals händeringend weltweit Masken gesucht und sie zu völlig überhöhten Preisen eingekauft hat, gleichzeitig Angebote von Maskenverkäufern unbeantwortet gelassen hat, dann wäre das wahlweise Inkompetenz oder tatsächlich Vetternwirtschaft und Korruption, wenn nur die politischen Kumpels von Spahn Maskenlieferungen an das Ministerium einfädeln durften.

Burda hingegen wurde im Spiegel als selbstlose Firma dargestellt:

„Das Maskengeschäft ist nach Darstellung von Burda über eine Firma in Singapur zustande gekommen, an dem das Unternehmen eine zehnprozentige Beteiligung hält. Der Preis der Schutzmasken habe 1,73 Dollar pro Stück betragen. Die Masken seien dem Bundesgesundheitsministerium am 17.04.2020 in Shanghai übergeben worden, welches dann den Transport per Luftbrücke nach Deutschland übernommen und finanziert habe. Burda habe den Kaufpreis vorgestreckt, später habe das Ministerium den Preis von gut 909.000 Euro erstattet. »Hubert Burda Media hat die Kosten für die Masken 1:1 weitergereicht«, teilte der Sprecher dem SPIEGEL mit.“

Das ist nett von Burda, oder? Sie haben nur den Preis 1:1 weitergereicht und wollten gar nichts daran verdienen. Es kann sogar sein, dass Burda nichts verdient hat, das ist sogar nicht unüblich. Firmen organisieren es aus steuerlichen Gründen gerne so, dass sie in Ländern mit höheren Steuern wie Deutschland keine Gewinne machen, auf die sie dann Steuern zahlen müssten. Die Gewinne machen Tochterfirmen im Ausland, wo die Steuern niedriger sind. Der Trick ist uralt.

Damit kommt die nächste Frage, die der Spiegel nicht stellt: Hat die Tochterfirma von Burda in Singapur eventuell einen kräftigen Aufschlag genommen, an dem der Mutterkonzern dann mitverdient hat?

Aber die deutschen Medien haben keine dieser Fragen gestellt.

Illegale Kriege

Zum Schluss will ich noch auf die „Auslandseinsätze“ der Bundeswehr kommen, die ich als einen Hauptgründe dafür bezeichnet habe, dass die Abgeordneten des Bundestages die Paragrafen 146 und 147 GVG nicht abschaffen können, weil sie dann umgehend lebenslang ins Gefängnis gehen würden.

In Deutschland ist es sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach dem Strafrecht verboten, einen Angriffskrieg zu planen, vorzubereiten oder einzuleiten, wie es in § 13 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) heißt. Früher war dies identisch in § 80 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt.

Der Krieg gegen Jugoslawien 1999 war eindeutig völkerrechtswidrig, wie sogar der damalige Kanzler Schröder zugibt. Warum kann Schröder das öffentlich sagen ohne Strafe zu befürchten? Immerhin sagt das § 13 VStGB eindeutig:

„Wer einen Angriffskrieg führt oder eine sonstige Angriffshandlung begeht, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.“

Und der Jugoslawienkrieg war eine „offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen“. Denn nach der Charta der UN ist ein Krieg nur dann kein Verstoß gegen die Charta, wenn ein Land sich gegen einen Angriff verteidigt oder wenn der UN-Sicherheitsrat dafür ein Mandat erteilt hat.

Jugoslawien hat aber kein anderes Land angegriffen und schon gar nicht Deutschland oder ein anderes Nato-Mitglied. Auch der Sicherheitsrat hatte kein Mandat erteilt. Damit war der Krieg ein Verstoß gegen die UN-Charta und Schröder müsste mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechnen.

Aber er macht sich offensichtlich keine Sorgen, dass ein Staatsanwalt Anklage erheben könnte. Auch Merkel müsste eigentlich mit einer Anklage rechnen, denn für den Einsatz der Bundeswehrtornados in Syrien galt das gleiche. Dort haben Tornados der Bundeswehr den syrischen Luftraum ohne Erlaubnis der syrischen Regierung verletzt.

Die syrische Regierung muss uns nicht sympathisch sein, darum geht es nicht. Mein Nachbar ist mir auch unsympathisch, aber deshalb verhaue ich ihn nicht. Gesetze gelten unabhängig von Sympathien. Die Verletzung des syrischen Luftraums mit Kampfflugzeugen stellt einen Verstoß gegen die territoriale Unversehrtheit Syriens dar. Und wie wir ebenfalls in § 13 VStGB lesen können, gilt schon das als „Angriffshandlung“, auf die in Deutschland eine lebenslange Freiheitsstrafe steht:

„Eine Angriffshandlung ist die gegen die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbare Anwendung von Waffengewalt durch einen Staat.“

Aber es kommt noch besser. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat am 20. September 2018 ein Gutachten veröffentlicht, in dem auch festgestellt wurde, dass sogar jeder Abgeordneter, der für diesen Bundeswehreinsatz gestimmt hat, sich entsprechend strafbar gemacht hat:

„Strafbar machen kann sich nach § 13 Abs. 4 VStGB eine Person, „die tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken“ – mithin auch Abgeordnete eines Parlaments, das den Auslandseinsatz der Streitkräfte zu mandatieren hat.“

Nun stand dies in dem Gutachten im Zusammenhang mit einer möglichen Beteiligung der Bundeswehr an „Vergeltungsschlägen“ der USA gegen Syrien. Aber das ist nicht entscheidend, denn es gilt genauso für jeden völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, an dem sich Deutschland beteiligt und für den ein Abgeordneter gestimmt hat.

Übrigens bedeutet das auch, dass man für die Beteiligung an dem Krieg gegen Jugoslawien, der ja eindeutig völkerrechtswidrig und damit ein nach §13 VStGB verbotener Angriffskrieg war, eigentlich nicht nur Schröder, sondern alle Minister und Abgeordnete lebenslang in Gefängnis stecken müsste, die 1999 für den Krieg gestimmt haben.

Nun stellt sich die Frage, warum das nicht geschieht. Die Antwort klingt nach Verschwörungstheorie: Es geschieht nicht, weil in Deutschland die Justiz nicht unabhängig ist, denn hier greifen die genannten Paragrafen 146 und 147 GVG

Jetzt können Sie einwenden, dass die deutsche Justiz doch unabhängig von der Regierung sind, denn die Richter in Deutschland sind doch unabhängig, denen darf niemand Anweisungen geben! Das stimmt, wenn eine Anklage vor Gericht kommt, dann ist der Richter unabhängig und der Angeklagte muss sich vor dem Gesetz verantworten, wie jeder andere auch. So steht es zumindest im Grundgesetz.

Der Trick ist daher, dass man verhindern muss, dass es zu einer Gerichtsverhandlung kommt. Und das wurde in Deutschland mit diesen Paragrafen getan. Anzeigen gegen Merkel und Schröder wurden reichlich gestellt, die Staatsanwaltschaften sind diesen Anzeigen aber nicht nachgegangen, weil sie das nicht durften.

Wie gesagt, war das nur eine sehr kleine Auswahl von Beispielen, aber zum Verständnis dafür, wie der deutsche „Rechtsstaat“ in Wirklichkeit funktioniert und warum die Zusammenarbeit von „Lobbyisten“ mit der Bundesregierung „wie geschmiert“ läuft, dürften diesen Beispiele ausreichen.

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Warum die Bestechung von Abgeordneten in Deutschland nicht strafbar ist
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2 Kommentare

  1. Abgeordnetenwatch hat das Problem „Lobbyismus“ (Klartext: Bestechlichkeit) etwas thematisiert. Es ist in Kurzform auch auf meiner Seite über die Abgeordneten-(Dis)-qualifikation als Stichwort „Transparenz“ genannt. Neben vielen anderen Eigenschaften
    siehe hier: https://polpro.de/disqual.php#kan
    Denn wir brauchen keine gläsernen Bürger, es genügen transparente Abgeordnete.

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