Omikron: Eine Pandemie der Geimpften?

Die Rufe nach einer Impfpflicht werden lauter, begründet wird dies auch mit der neuen Omikron-Variante des Coronavirus. Doch wie neue Daten des Robert-Koch-Instituts zeigen, sind fast alle Betroffenen zwei- oder dreifach geimpft. Und nur wenige mussten in eine Klinik.

von Susan Bonath (rtdeutsch)

Die neue Virusmutation Omikron soll einen nie dagewesenen Corona-„Tsunami“ mit sich bringen. So warnen die Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD), einige Wissenschaftler und viele Medien. Wegen Omikron müsse ganz schnell die allgemeine Impfpflicht her, mehr noch: Die Zeit dränge und die Politik könne hierfür „nicht auf Klarheit warten“, mahnte die Frankfurter Rundschau jüngst.

Doch neue Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) scheinen diese Schlussfolgerungen ad absurdum zu führen und werfen drängende Fragen nach Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Impfpflicht auf. Demnach steckten sich in Deutschland seit Ende November überproportional viele doppelt und sogar dreifach Geimpfte mit der Omikron-Variante des Coronavirus an, während Ungeimpfte kaum betroffen waren. Offenbar sind vollständig Geimpfte sogar anfälliger für diese Mutation.

Fast alle Omikron-Betroffenen zwei- oder dreimal geimpft

Die RKI-Zahlen in dessen jüngstem Wochenbericht sind in der Tat erstaunlich. Auf Seite 13 schreibt das Institut, dass zwischen dem 21. November und 27. Dezember 2021 insgesamt 10.443 sogenannte Omikron-Fälle ermittelt wurden. Allerdings wurde dem RKI nur bei 4.206 Fällen, also rund 40 Prozent, der Impfstatus mit übermittelt, wie aus den Ausführungen auf Seite 14 hervorgeht. Von den 4.206 Omikron-Fällen mit bekanntem Impfstatus waren demnach 4.020 Personen vollständig geimpft. Von diesen hatten sogar 1.137 Menschen bereits ihre dritte Impfung erhalten. Gerade einmal 186 positiv Getestete waren nicht oder nicht vollständig mit einem der vier bedingt zugelassenen COVID-19-Vakzine geimpft.

Das heißt: Von allen Omikron-Positiven mit bekanntem Impfstatus hatten 95,6 Prozent zwei oder drei Dosen erhalten, auf lediglich 4,4 Prozent der Betroffenen, traf das nicht zu. Zum Vergleich: Laut RKI waren Ende November rund 68 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig, also mindestens zweifach geimpft, Ende Dezember zählte die oberste Gesundheitsbehörde gut 71 Prozent. Diese Zahlen legen zumindest nahe, dass vollständig Geimpfte sogar ein höheres Ansteckungsrisiko mit Omikron haben könnten, als jene, die die Spritze bis heute ablehnen.

Nur wenig moderater sieht es bei den dreifach Geimpften, also den bereits „Geboosterten“ aus. Unter den Omikron-Fällen zwischen dem 21. November und 27. Dezember 2021 mit bekanntem Impfstatus betrug ihr Anteil laut Institut 27 Prozent. Dabei waren dem Impf-Monitoring des RKI zufolge am 28. November erst 9,6 Prozent der Gesamtbevölkerung geboostert, am 30. Dezember waren es dann allerdings schon 38 Prozent.

Husten, Schnupfen, Halsweh und kaum Klinikeinweisungen

Auch über die angeblich große Gefahr durch Omikron wäre dringend zu diskutieren. Dem RKI lagen laut Wochenbericht bei 6.788 der insgesamt 10.443 bekannten Omikronfälle Angaben zu Symptomen vor. Diese seien „überwiegend leicht“ gewesen. So schreibt das RKI:

Am häufigsten wurde von Patientinnen und Patienten mit Symptomen Schnupfen (54 Prozent) Husten (57 Prozent und Halsschmerzen (39 Prozent) genannt.“

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Insgesamt, so heißt es weiter, seien bisher 124 positiv auf Omikron Getestete in einer Klinik behandelt worden. Ob davon jemand auf der Intensivstation war, ist unbekannt. Bezieht man dies auf die 6.788 Fälle mit übermittelten Symptomen, waren das 1,8 Prozent. Geht man davon aus, dass bei Betroffenen, von denen keine Symptome übermittelt wurden, auch keine Symptome inklusive Klinikeinweisungen vorlagen, mussten lediglich 12 von 1.000 in ein Krankenhaus. Wobei zugleich bedacht werden muss: Nicht jeder, der in einer Klinik positiv getestet wird, ist zwangsläufig wegen COVID-19-Symptomen dort.

Das RKI berichtet außerdem von vier Todesfällen mit einem positiven Omikron-Test – 0,038 Prozent aller bekannten Fälle. Auch hier ist nicht bekannt, ob diese tatsächlich an COVID-19 starben oder nur mit einem positiven Test.

Würde man diese ersten Daten auf das düsterste Szenario einer prophezeiten Omikron-Welle anwenden und davon ausgehen, dass zehn Prozent der Bevölkerung (8,3 Millionen Menschen, die Inzidenz betrüge dann 10.000) gleichzeitig infiziert wären, könnte sich Folgendes ergeben: Rund 100.000 (1,2 Prozent) Betroffene müssten dann möglicherweise in einem Krankenhaus behandelt werden, etwa 3.150 Personen könnten eventuell sterben, ob an oder mit Corona, sei dahingestellt.

Kliniksterben und Bettenabbau im großen Stil

Insgesamt verfügen deutsche Krankenhäuser ungefähr über knapp eine halbe Million Betten. Zwischen 1998 und 2019 ist ihr Bestand um fast 100.000 geschrumpft. Personalabbau und Schließungen von Krankenhäusern gingen auch mit Corona weiter. Allein 2021 wurden offenbar neun Kliniken vollständig und 22 Kliniken teilweise geschlossen, wie die taz berichtete. In einem ARD-Bericht vom Februar 2021 war von weiteren 20 abgebauten Krankenhäusern im ersten Pandemie-Jahr die Rede.

Auch von einer Anfang 2020 von der Bundesregierung mit fast 700 Millionen Euro bezuschussten Aufstockung der Intensivbetten kann keine Rede sein. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) verzeichnete nach eigenen Angaben am 21. Oktober 2020 noch 27.170 personell betreibbare Betten für Erwachsene, gut ein Jahr später waren es nur noch 22.170, also genau 5.000 weniger.

Am 31. Dezember 2021 verzeichnete die DIVI sogar nur noch 21.795 belegbare Betten für Erwachsene und damit erneut fast 400 weniger als zwei Monate zuvor. Für Patienten sind demnach derzeit knapp 2.900 freie Intensivbetten vorhanden. Genau ein Jahr zuvor waren rund 1.300 Betten mehr belegt als Silvester 2021. Sollen die Bürger ihre Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte etwa nicht wegen Omikron, sondern wegen des (marktkonformen) Kliniksterbens aufgeben?

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