Offener Brief an Merkel zu ihrer Rede in Sydney

Von Karl-Jürgen Müller aus Konstanz (gefunden bei ceiberweiber)

Der Lehrer von Beruf spricht in einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel aus, was viele Menschen nicht nur in Deutschland denken, wenn sie hören, wie die angeblich „mächtigste Frau der Welt“ gegen Russland und Präsident Wladimir Putin hetzt. Sowohl der Wortlaut von Merkels Rede in Sydney als auch die begeisterten Reaktionen in NATO-Medien machen deutlich, dass sie keineswegs „mächtig“ und verantwortungsvoll agiert, sondern sich erneut als Befehlsempfängerin Washingtons entlarvt.

Kommen Sie zur Wahrheit, Frau Merkel!
Offener Brief an den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland,  
Dr. Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Bundeskanzler,

in Ihrer Rede vor dem «Lowy Institut für Internationale Politik» im australischen Sydney sind Sie am 17. November erneut auf die Situation in der Ukraine eingegangen und haben dabei ein Urteil über Russland und die russische Politik gefällt. Am nächsten Tag kommentierten deutsche Medien, Sie hätten eine «Brandrede» gehalten und dem russischen Präsidenten die «Leviten» gelesen. Sie seien «mit Ihrem Latein – und ihrer Geduld … am Ende» und hätten jetzt eine «deutliche Warnung» ausgesprochen. «Wirklich über den Weg getraut» hätten Sie «Putin noch nie» (Anmerkung: ein paar Kostproben der Berichterstattung gibt es nach diesem Text).

Wir beide wissen sehr genau, dass dies alles Unsinn ist. Für einen historisch und politisch gebildeten Menschen ist es beklemmend, mit ansehen zu müssen, wie sich die konzertierte Aktion aus Medienhetze und eiskalter Machtpolitik die Bahn zu brechen versucht und dabei alle Skrupel abgelegt hat. Ihre ganze Rede in Sydney war ein Konglomerat ideologischer Versatzstücke zur Kaschierung US-amerikanischer, EU-europäischer und auch deutscher Machtpolitik, die allerdings weder im deutschen, noch im europäischen Interesse liegt, auch nicht im Sinne deutscher oder europäischer Wirtschaftsinteressen ist.

In diesem Jahr 2014 ist der politische Missbrauch der Massenmorde und der Millionen von Opfern des Ersten Weltkriegs weit verbreitet. Sie haben sich nahtlos in diese Reihe gestellt, um so zur Attacke gegen Russland und die russische Politik auszuholen. Ihre Lügen über den inneren Zustand und die Ziele der Europäischen Union spotten jeder Beschreibung, aber das soll heute nicht mein Thema sein. Dann haben Sie gesagt, wir müssten derzeit erleben, «dass es auch in Europa immer noch Kräfte gibt, die sich dem gegenseitigen Respekt und einer Konfliktlösung mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln verweigern, die auf das angebliche Recht des Stärkeren setzen und die Stärke des Rechts missachten. Genau das ist mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland zu Beginn dieses Jahres geschehen.

Russland verletzt die territoriale Integrität und die staatliche Souveränität der Ukraine. Ein Nachbarstaat Russlands, die Ukraine, wird als Einflusssphäre angesehen. Das stellt nach den Schrecken zweier Weltkriege und dem Ende des Kalten Krieges die europäische Friedensordnung insgesamt infrage. Das findet seine Fortsetzung in der russischen Einflussnahme zur Destabilisierung der Ostukraine in Donezk und Lugansk.» Weiter sagten Sie: «Ich frage: Wer hätte es für möglich gehalten, dass 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, nach dem Ende des Kalten Krieges und der Teilung Europas und dem Ende der Teilung der Welt in zwei Blöcke so etwas mitten in Europa geschehen könnte? Altes Denken in Einflusssphären, womit internationales Recht mit Füßen getreten wird, darf sich nicht durchsetzen. Ich bin überzeugt: Es wird sich auch nicht durchsetzen, mag der Weg auch noch so lang, noch so beschwerlich sein und noch so viele Rückschläge mit sich bringen.»

Nun muss ich allerdings sagen, dass nicht nur Ihre Charakterisierung der russischen Politik einer Überprüfung nicht standhält, sondern dass Sie auch der russischen Politik etwas unterstellen, das die Politik anderer Mächte der vergangenen 25 Jahre viel besser charakterisiert, nämlich die Politik der USA, der Nato, der EU und leider auch Deutschlands. Ich muss Sie daran erinnern, dass es die USA, die Nato, die EU und Deutschland waren, die seit 1990/1991 den «gegenseitigen Respekt» gegenüber anderen Staaten nicht mehr gewahrt haben. Diese Mächte haben sich einer «Konfliktlösung mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln» verweigert, haben auf «das angebliche Recht des Stärkeren» gesetzt und die «Stärke des Rechts» missachtet. Sie haben die «territoriale Integrität» zahlreicher Staaten missachtet und verletzt und wollten die ganze Welt als ihre «Einflusssphäre» sehen.

Ich kann Ihre Formulierung wörtlich übernehmen: «Das stellt nach den Schrecken zweier Weltkriege und dem Ende des Kalten Krieges die europäische Friedensordnung insgesamt infrage.» Ja, es ist vollkommen richtig, wenn Sie sagen: «Altes Denken in Einflusssphären, womit internationales Recht mit Füßen getreten wird, darf sich nicht durchsetzen.» Nur muss sich dieser Satz an andere Mächte richten. Professor Wjascheslaw Daschitschew, Berater des ehemaligen sowjetischen Präsidenten Gorbatschow in Fragen der Ost-West-Entspannung und heute Mitglied der russischen Akademie der Wissenschaften, hat in den vergangenen Jahren mehrfach an die am 21. November 1990 verabschiedete Charta von Paris erinnert und den Westen ermahnt, zu dieser Grundlage zurückzukehren und seine imperiale Politik aufzugeben. Darüber ist der Westen bis heute hinweggegangen.

Ein paar wenige Stichworte wie Nato-Osterweiterung, Krieg gegen Jugoslawien 1999, Irak-Krieg im Jahr 2003, Krieg gegen Libyen im Jahr 2011, die aktive Beteiligungen an zahlreichen Staatsstreichversuchen und Staatsstreichen der vergangenen Jahre – auch in der Ukraine –, der Aufbau und die Instrumentalisierung politischer Extremisten und Terroristen sowie die Versuche, die Grenzen in manchen Regionen der Welt neu zu ziehen, weisen auf die Erscheinungsformen einer im wesentlichen imperialen Gewaltpolitik des Westens in den vergangenen 25 Jahren hin – ohne Rücksicht auf Recht und Völkerecht. Das Buch des US-amerikanischen Sicherheitsberaters Zbigniew Brzezinski «Die einzige Weltmacht», im englischen Original aus dem Jahr 1997, wurde auch von mir gelesen – und nicht nur von mir. Ich muss es Ihnen auf den Kopf zusagen: So lange Sie und die anderen westlichen Politiker so weiter machen wie bisher, wird es keine Verständigung mit der russischen Politik geben können.

Ich muss bei Betrachtung der vergangenen 25 Jahre sogar den Eindruck gewinnen, dass der Westen und auch Sie, Frau Bundeskanzler, gar nicht an einer wirklichen Lösung des Konfliktes über gleichwertige Verhandlungen aller beteiligten Partner interessiert sind, sondern die Situation weiter eskalieren lassen wollen und in dem Wahn leben, Sie könnten in diesem Konflikt Russland in die Knie zwingen und «siegen». Darin unterscheiden Sie sich leider in keiner Weise von den Hasardeuren, die ihre Staaten und Völker in den Ersten Weltkrieg geführt haben. Allerdings wirken Sie auf mich verlogener, weil Sie so tun, als wollten Sie die «Fehler» von damals vermeiden und alles tun, um den Frieden zu sichern. Die Tatsachen jedoch sprechen eine andere Sprache.

Ich muss Ihnen auch sagen, dass ich nicht nur Ihre Reden und Interviews, sondern mit großem Interesse auch diejenigen des russischen Präsidenten Putin lese. Dessen Interviews und Reden beeindrucken mich in Kenntnisstand, politischer Analyse, Forderungen und Tonlage. Was er sagt, ist für mich weitgehend nachvollziehbar und deckt sich dort, wo ich es beurteilen kann, mit dem, was ich weiss. Ich bin immer offen für Gegenbeweise, habe diese aber noch nicht gesehen. Ich weiß nicht, ob Sie wirklich davon überzeugt sind, dass Ihre plumpe Propaganda bei den Bürgern verfängt, oder ob Sie auf Grund der in vielerlei Hinsicht desaströsen Lage innerhalb der westlichen Welt und deren Niedergang nichts weiter als den krampfhaften Versuch machen, eben wie Hasardeure die «Flucht nach vorne» anzutreten, und dabei alle Skrupel verloren haben.

Mir als deutschem Bürger jedenfalls verschlägt Ihre Politik und die der anderen Regierungen in den USA und in der EU täglich die Sprache. Mit einer ungeheuren Arroganz der Macht gehen Sie über alle hinweg, die fundierte Kritik üben, nach Alternativen suchen und auf Alternativen hinweisen. Offensichtlich wollen Sie so tun, als wenn auch Ihre jetzige Politik gegen Russland «alternativlos» sei. Ich nehme Ihnen das nicht ab, und ich weiß, dass viele Leute so denken. Sie regieren offenkundig am deutschen Volk vorbei, und ich frage mich, welches Verständnis Sie von Ihrem Amtseid haben. Es heißt nicht ohne Grund, dass Sie verpflichtet sind, Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden.

Auch ich frage mich: «Wer hätte es für möglich gehalten, dass 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, nach dem Ende des Kalten Krieges und der Teilung Europas und dem Ende der Teilung der Welt in zwei Blöcke so etwas mitten in Europa geschehen könnte?» Und selbstverständlich hoffe ich sehr, dass sich Ihre Politik nicht «durchsetzen [wird], mag der Weg auch noch so lang, noch so beschwerlich sein und noch so viele Rückschläge mit sich bringen.»

Konstanz, den 18. November 2014

Karl-Jürgen Müller  (Berufsschullehrer in Konstanz am Bodensee für Deutsch, Geschichte und Politik, Mitarbeiter der Schweizer Wochenzeitung Zeit-Fragen)

Anmerkung: Die Berichterstattung in angeblich freien Medien vermittelt zweierlei: zum einen werden Merkels Behauptungen, die man bei objektiver Betrachtung auf USA/NATO und nicht auf Russland anwenden muss, zur einzig möglichen „Wahrheit“ gemacht. Welche Zeitung man auch aufschlägt, welche Sendung man sieht, ob in Deutschland oder Österreich – der Tenor ist, mit nuancierter Wortwahl, stets der gleiche. Auf der anderen Seite wird die Person Merkel psychologisch effektiv inszeniert, indem man sie zur starken Frau macht, die ihre vermeintliche Eigenständigkeit durch „Wut“ auf den „Aggressor“ Putin zeigt (der im ARD-Interview den „starken Mann“ markiert habe, behauptet „Bild“).

Beispiel 1: Tagesschau-Webseite: „Neue, ganz neue Töne von Angela Merkel. Die Kanzlerin geradezu im ‚Gauck-Sound‘. Bis zu ihrer Rede in Sydney hatte es die Bundeskanzlerin auf das Sorgsamste vermieden, hörbarer als in Zimmerlautstärke, über Wladimir Putin zu sprechen. Klartext ist noch milde formuliert, wenn man die Rede Merkels in Australien ausdeutet. Doch was heißt hier deutet – da gibt es nichts mehr zu deuten oder zu rätseln. Das war und ist eine ganz klare An- und Absage an Putins politischen Kosmos. Das kann man alles wörtlich nehmen – Missverständnisse völlig ausgeschlossen: Angela Merkel hat es satt. Sie ist es leid, und sie sagt es. Was diese australische Rede allerdings zur vollen Höhe ihrer Bedeutung bringt, ist der Umstand, dass die Kanzlerin ihre Ansprache nach einem mehrstündigen Vier-Augen-Treffen mit Putin hielt. Es muss Merkel in der Bilanz des Treffens mit Putin wohl völlig klar geworden sein, dass mit ihm auf der Geschäftsgrundlage des geltenden Völkerrechts nicht zu reden ist.“ (Auf dieser Webseite findet man immer wieder Desinformationen, zum Beispiel das Abkupfern einer Newsweek-Story gegen Putin).

Beispiel 2: Kronen Zeitung: „Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die letzte Putin-Versteherin unter den europäischen Spitzenpolitikern, hat jetzt in einer Rede in Sydney überraschend deutlich ein Donnerwetter gegen den Kremlchef losgelassen. Sie sagte unter anderem: ‚In Europa gibt es noch Kräfte, die auf das angebliche Recht des Stärkeren setzen. Genau das ist durch diese völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland geschehen‘ – und das stelle Europas Friedensordnung infrage. Dann erinnert sich die Ex- ‚Ossi‘: ‚Wer hätte es für möglich gehalten, dass 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer so etwas mitten in Europa geschehen kann: ein altes Denken, das internationales Recht mit Füßen tritt.’….. Angela Merkel ist also die Geduld gerissen, aber in Österreich (und Serbien) bilden die Putin- Versteher noch immer eine treue Gefolgschaft: Man wirft sich dem ‚christlichen‘ Putin in die Arme, um eigentlich den Ärger über die USA und die NATO abzureagieren.“ (Näheres zur Rolle der Kronen Zeitung beim Pushen bzw. Bashen von Politikern, die NATO-Vasallen sind bzw. nicht sein wollen).

Beispiel 3: Focus: „Einer enttäuschten Kanzlerin platzt der Kragen wegen ‚Polit-Rambo Putin‘ – Angela Merkel hat im australischen Sydney mit deutlichen Worten die Politik von Wladimir Putin in der Ukraine-Krise kritisiert. Die deutsche Presse stimmt großteils in Merkels Putin-kritische Rede ein, manche weisen jedoch auch auf Gefahren ihres Vorstoßes hin. Viele deutsche Pressevertreter stimmen in Merkels Putin-Kritik ein und können verstehen, dass Merkels Geduldfaden im Umgang mit dem russischen Präsidenten langsam zu reißen droht. Vor allem die für Merkelsche Verhältnisse ungewohnt emotionale Rede lässt einige aufhorchen.“ Dass embedded journalists des Weißen Hauses embedded politicians verstehen, überrascht jetzt aber schon, oder? Ergänzend gibt es noch ein „Video: Merkel schleudert Putin eisige Blicke entgegen“ und eine Presseschau (zur Funktion von Focus und Co. siehe etwa Aus dem NATO-Desinformationsbazar).

Beispiel 4: Bild unter dem Titel „Merkel: Kampfansage
 an Putin – Kreml-Chef versucht im ARD-Interview Deutschland einzuwickeln – Kanzlerin warnt ihn vor Flächenbrand“: „Vier Stunden lang, bis tief in die Nacht hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (60, CDU) beim G20-Gipfel in Brisbane mit Russlands Präsident Wladimir Putin (62) unter vier Augen gesprochen. Zwischenzeitlich stieß auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dazu.“ Die Altersangaben irritieren etwas – haben sich die beiden etwa bei Parship registriert und dann gedatet, wo sie schon mal beide in Australien waren? Das war es offenbar nicht: „Doch was immer sie da besprochen haben, gebracht hat es offenbar kaum etwas. Denn Putin sagt weiterhin ‚NJET‘ zu allen Bemühungen einer diplomatischen Lösung des Ukraine-Konflikts. Am Sonntagabend feuerte der Kremlchef in der ARD dann auch prompt die nächste Provokation ab, leugnete nicht einmal mehr die Annexion der Krim durch Russland. Um 21.59 Uhr fragte Reporter Hubert Seipel im deutschen Fernsehen Putin: ‚Sie haben die Krim annektiert am 18. März.‘ Und Putin nickte, sagte, dass er die Reaktion des Westens darauf für völlig inakzeptabel halte.“

„Will Putin Deutschland einwickeln?“, fragt das NATO-Kampfblatt (siehe auch Germany Made In USA) besorgt per Zwischenüberschrift. „In dem Interview drückt Putin aber auch ein Stück weit auf die Tränendrüse, erinnert daran, dass die Stimmung zwischen Russland und Deutschland vor der Ukraine-Krise so gut gewesen sei, wie nie zuvor. Dies sei auch eine gute Grundlage für die Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland und Europa insgesamt. ‚Es wäre sehr schade, all das zu verlieren‘, sagte Putin. Die Krise schade außerdem der Weltwirtschaft.“ – Also das geht ja gar nicht, erst kreieren Bild und Co. eifrig das (auch jetzt permanent bestätigte) Bild des harten Machos und Rambos, und dann sowas, „Tränendrüse“! Wieder der Kontrast „starke Frau“ (bzw. Friseurin aus der FDJ), denn „Merkel wäscht Putin den Kopf“: „Die sonst eher diplomatische Kanzlerin findet diesmal überraschend deutliche Worte für das Verhalten des Kreml-Chefs. Angela Merkel hielt in Sydney jene Rede, die das renommierte australische Lowy-Institut für internationale Politik einmal im Jahr herausragenden Persönlichkeiten vorbehält. Darin machte sie wieder einmal deutlich, dass sie bei aller Geduld und Zurückhaltung auch knallhart sein kann. Über den Zweiten Weltkrieg und das Ende des Kalten Krieges kommt sie schnell zu ihrer Botschaft: Die Welt muss genau hinsehen, was in der Ukraine passiert. Sonst könnte es zum Flächenbrand kommen. Weltweit.“

Wieder einmal wird unterstellt, Merkel sei bisher zurückhaltend gewesen, obwohl alle, die Medienpropaganda nicht aufsitzen, sondern objektiv betrachten, wer wie agiert und was sagt bzw. verschweigt, davon nichts gemerkt haben. Nur ganz kurz sah es so aus, als wolle sie den ukrainischen Präsidenten Poroschenko einbremsen (zu dessen Lügen siehe etwa hier). Interessant ist aber, dass Merkel nichts zum Vieraugengespräch mit Putin sagen will, weil es „vertraulich gewesen“ sei. Bild interpretiert, dass „das Treffen an ihrer offenbar zunehmenden Desillusionierung und Frustration über Putin kaum etwas geändert haben“ kann, „sonst würde Merkel kaum die nächste Gelegenheit nutzen, ihn so zu kritisieren und zu brandmarken“. Es fällt nämlich auf, dass „westliche“ Politiker schweigen, wenn sie persönlich mit Putin sprachen, was nur den Schluss zulässt, dass er ihnen unangenehme, von ihnen verdrängte Wahrheiten sagte. Etwa, wie er vor ein paar Wochen beim Waldai Club in Sotschi auch andeutete, dass Staats- und Regierungschefs der EU von den USA erpresst werden (das kann persönlich und / oder gesamtstaatlich sein, weil man durch Sanktionen, Bankstrafen, Ratings, Fake-Terror, mediale Vernichtung, physische Angriffe auf Personen einiges anrichten kann).

Wie Müller zu Recht bemerkt, sind grundsätzliche Aussagen zu Völkerrecht und Souveränität richtig, aber leeres Gerede, wenn völkerrechtswidriges Handeln der einen stets übersehen oder gar unterstützt wird (wie diese Komplizenschaft konkret aussieht, ist hier von Alois Mock und dem Balkan bis zu Elmar Brok und der Ukraine dargestellt). Und wie Müller haben viele Menschen den Eindruck, dass vermeintlich „westliche“ Politiker, für die angeblich westliche Werte in Wahrheit wertlos sind, vor allem Phrasen dreschen, während Putin reflektiert, analysiert, differenziert argumentiert. Im Grunde sind Merkel-Reden ebenso austauschbar wie jene von Bundespräsident Gauck und Politikern in Bundestag bzw. im österreichischen Parlament, von österreichischen Regierungsmitgliedern. Putin aber bringt sich als Mensch, als handelndes politisches Subjekt ein, und das kann er nur, wenn er autonom agiert – deswegen wird er so sehr diffamiert, und hält den Vasallen auch beständig den Spiegel hin; er ist, was sie nie zu sein wagen….


PS:

Rede von Angela Merkel

Interview mit Wladimir Putin (ARD)

Offener Brief an Merkel (von US-Geheimdienstveteranen zu NATO-Desinformationen)

Offene Briefe an Merkel (von Autoren wegen NSA-Überwachung, im Jahr 2013 und 2014)

Alexandra Bader
alexandra@ceiberweiber.at

(Visited 40 times, 1 visits today)
Offener Brief an Merkel zu ihrer Rede in Sydney
12 Stimmen, 4.83 durchschnittliche Bewertung (96% Ergebnis)

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*