Moskau am Tag des Sieges

Vera Lengsfeld hat Moskau um diesen 8. Mai herum besucht und schildert ihre Eindrücke in dieser Stadt und von den Gedenkveranstaltungen zum Tag des Sieges über Hitlerdeutschland. Nachstehend ist der letzte Teil ihres Berichtes wiedergegeben, in dem sie bemerkenswerte Vergleiche mit dem Zustand in Berlin anstellt.
(Foto: pixabay)

… Am frühen Nachmittag versammeln sich die Demonstrationsteilnehmer für den Marsch des „Unsterblichen Regiments“ am Puschkinplatz. Viele haben Schilder mit Fotos ihrer Familienangehörigen in den Händen, weiß-rote Luftballons, die russische Nationalflagge oder die Fahne der Roten Armee. Andere halten die Bilder ihrer Lieben im Arm, so wie sie von der Wand genommen wurden. Man liest auf den Aufschriften, wie lange der Soldat oder die Krankenschwester gedient haben. Manchmal, wann sie gefallen sind. Ein 19.. deutet an, dass derjenige vermisst gemeldet wurde. Es ist ein rührender Anblick. Viele der Gesichter auf den Fotos sind erschreckend jung. Schon mit 17 Jahren wurden die Soldaten an die Front geschickt. Es sind auffällig viele Mittelasiaten und Sibiriaken dabei. Besonders gegen Ende des Krieges wurden immer neue „frische“ sibirische Verbände im Krieg verheizt.

Nicht die Generäle, schon gar nicht der Generalissimus, haben den Krieg gewonnen, sondern diese Menschen. Es hat sehr lange gedauert, bis sie die Ehrung erfahren haben, die sie verdienen. Die Millionen Toten wurden vom Sowjetregime als „Heldentote“ instrumentalisiert und damit der Gesellschaft entrückt. Mit diesem Marsch der Angehörigen werden sie zurück geholt.

Im letzten Jahr hatten sich 600 000 Menschen spontan versammelt. In diesem Jahr sollen es 750 000 gewesen sein.

Als der Zug in den Roten Platz einbog, erwartete uns eine Überraschung. Das Leninmausoleum, auf dessen Dachterrasse sich in den vergangenen Jahrzehnten die Partei- und Staatsführer und ihr Gefolge präsentiert hatten, war hinter einer großen bunten Wand verschwunden. Auf den Bänken vor dieser Wand saßen die Kriegsveteranen, denen von den Vorbeiziehenden für ihren Einsatz und ihren Sieg gedankt wurde. Ein spontanes „Spasibo“ aus tausenden Kehlen. So belohnt die Zivilgesellschaft die von der Politik Vergessenen.

Die Stimmung war keineswegs feindselig. Wir konnten Deutsch reden, ohne befürchten zu müssen, angemacht zu werden.

Überhaupt sind die Menschen hier höflich, freundlich und rücksichtsvoll.

Moskau ist auffallend sauber. Keine Spur von Verwahrlosung. Der Rote Platz als Müllhalde, zu der sich der Alexanderplatz entwickelt hat, ist undenkbar. Keine Graffiti verunzieren die sorgfältig restaurierten Gebäude. Auch die Züge und die Bahnhöfe der Metro sind frei von herumliegenden Flaschen, Tüten oder gar Essensresten, wie es bei uns üblich geworden ist. Keinem Moskauer würde es einfallen, seinen Burger im Zug zu mampfen oder seinen Sitznachbarn mit den Krümeln seines Croissants zu beglücken. Die Jungen machen den Alten höflich Platz. Mein 60+Begleiter bekam fast Herzrasen, als ein hübsches Mädchen für ihn aufstand.

Die Liebe zur Heimat scheint den Menschen zu einem angenehmeren Mitbürger zu machen, als die verbissenen Weltoffenen und Toleranten, die bei uns sich mit den Ellenbogen stets die besten Plätze sichern und mit ihrem Gepäck die Nachbarsitze blockieren.

Wenn man den Vergleich vor Augen hat, wie es anderswo zugeht, fragt man sich, wo der Westen seinen Dünkel hernimmt. Ostrom existierte jedenfalls noch tausend Jahre nach dem Untergang Westroms.

Vollständiger Artikel von Vera Lengsfeld hier.

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