Gauck und die Spinner

von Gert Flegelskamp (flegel-g)

Ich habe im Tageskommentar von Egon W. Kreutzer die Stellungsname zum Urteil des BVerfG über die ein wenig anrüchige Artikulation des Bundespräsidenten gelesen. Anders als Herrn Kreutzer verwundert mich die Urteilsfindung der Verfassungsrichter nicht sonderlich, höchstens die juristische Akrobatik in der Begründung. Das liegt wohl daran, dass es aus meiner Sicht bereits etliche höchst merkwürdige Auslegungen dieser Richter und Richterinnen gegeben hat, die ich als Andienung an politische Wünsche ansehe und nicht als klare juristische Stellungsname. Da gibt es bspw. einige sehr merkwürdige Urteile zu Renten und Pensionen oder die Anerkennung, dass bei EU-Recht der EuGH das letzte Wort hat, auch wenn die dortige Rechtsprechung deutschen Grundrechten widerspricht.

Nun hat das BVerfG dem Bundespräsidenten einen Freibrief erteilt, sich von seinen Aufgaben Repräsentant aller Deutschen zu entfernen, wenn es opportun erscheint. Und opportun ist es, Gegner der politischen Vorhaben zu diskreditieren und mit Worten zu belegen, die vom gleichen Gericht bereits in einem anderen Fall als „böses“ Schimpfwort festgelegt wird, dass man bei der Verwendung gegen offizielle Stellen mit empfindlichen Geldstrafen bestraft.

Aber lt. BVerfG ist es legitim, wenn ein Bundespräsident das mit Blick auf die rechte Szene verwendet. Dabei ist die „rechte Szene“ ein sehr verwaschener Begriff, denn es hat sich in diesem Land eigebürgert, dass man Gegner ja nach Bedarf mal links und sozialistisch und dann wieder rechts verortet. Mich verwirrt das immer wieder, weil mir ein eindeutiger Bezugspunkt fehlt. Bin ich nun links und sozialistisch oder doch eher rechts und konservativ?

Auch die Süddeutsche hat mit ihrem Redakteur Prantl das Thema mit einem zweiseitigen Artikel aufgenommen und Herr Prantl macht ebenfalls eine gewaltigen Spagat in seiner Argumentation.

Stellt sich die Frage, was ich von BP Gauck halte. Diese Antwort fällt mir leicht. Ich habe bisher immer geglaubt, dass Lübke der schlechteste Präsident war, den die BRD je hatte. Seit Gauck weiß ich, dass ich Lübke Unrecht getan habe.

Aber ich gebe Herrn Prantl recht, wenn er Demokratie als Inszenierung bezeichnet. Das ist sie und das Drehbuch wird immer schlechter. Dabei gehen naive Gemüter ja davon aus, dass Demokratie Freiheit und Gerechtigkeit bedeute und das Volk der Souverän sei.

Von dieser Sicht entfernen sich allerdings inzwischen immer mehr Menschen, weil sie erkennen müssen, dass nichts davon zutrifft. Demokratie ist wie ein schlechter Film. Der Zuschauer, gemeinhin Volk genannt, hat kaum einen Einfluss auf die Besetzung. Das Drehbuch, im Normalfall auch Parteiprogramm genannt, wird bei Produktionsbeginn von den Produzenten und Darstellern derart verändert, dass es mit dem ursprünglichen Drehbuch keine Ähnlichkeit mehr hat und der Film einfach grottenschlecht werden muss.

Deshalb glaube ich, dass Demokratie nicht inszeniert werden darf, sondern praktiziert und gelebt werden muss und dem Zuschauer (als Zwangskonsument des Films) das Recht zugestanden werden sollte, die schlechten bis miserablen Sequenzen des Films zu ändern oder zu schneiden und die schlechten Darsteller durch bessere auszutauschen.

Demokratie sollte auch bedeuten, dass der Zuschauer entscheiden kann, dass er keine Horror- und Kriegsfilme erleben möchte. Doch auf solche Wünsche nimmt eine „inszenierte Demokratie“ keine Rücksicht.

Und ein Bundespräsident, der die Neutralität seines Amtes ständig verletzt, politisch wie zu Russland eindeutig Partei ergreift anstatt vermittelnd zu wirken, der sich im freundschaftlichen Verbund mit Faschisten fotografieren lässt, ein solcher Mann ist eindeutig eine Fehlbesetzung.

Auch wenn sich Herr Prantl begeistert über die Art der Wahl des BP auslässt, hat sie mit Demokratie, so wie ich sie verstehe, wenig zu tun. Russland wählt seinen Präsidenten mit Volkes Stimme, also durch eine landesweite Wahl. In Deutschland muss man sehr privilegiert sein, um ein Wörtchen bei der Präsidentenwahl mitreden zu dürfen. In Deutschland ist ein so gewählter Präsident ein Demokrat, auch wenn er Gegner als Spinner bezeichnet. In Russland ist der Präsident ein Diktator, was nach deutschem Verständnis wohl alleine daran erkennbar wird, dass er Politik für Russen und für Russland macht. Wo kämen wir hin, wenn wir das auch machten und was würden Obama, Cameron oder Hollande oder die EZB und die EU-Kommission dazu sagen?

 

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