Friedensnobelpreis für die EU

Ein lesenswerter Kommentar von Gert Flegelskamp zum „Friedensnobelpreis an die EU“

Der Friedensnobelpreis wurde 2012 an die EU verliehen, so kann man es heute in der Zeitung lesen. Nun, bei den Friedensnobelpreisen fallen mir auf Anhieb Kissinger und Obama ein, denen er auch verliehen wurde. Dabei geht mir durch den Kopf. Dass die Vorsilbe „ver“ eigentlich negativ besetzt ist, wenn ich an Wörter wie verkommen, vergeigt, verkehrt, verdammt, verschroben, verlustig, verbiestert usw. denke. Erweiter ich meine Denke dann auf Orden und bestimmte Preise, die „verliehen“ werden, halte ich diese Negativbesetzung der Vorsilbe durchaus für schlüssig.

Lassen wir mal außen vor, dass der Vorsitzende des Nobelpreiskomitee, Thorbjørn Jagland, auch Generalsekretär des Europarats ist. Nun hat der Europarat nichts mit der EU im engeren Sinne zu tun´, darf also nicht mit dem europäischen Rat verwechselt werden. Aber insgeheim weiß wohl jedermann, dass sich solche Institutionen gegenseitig „befruchten“ und so ein wenig sehe ich diesen Preis für die EU als Teil einer solchen „Befruchtung“ unter dem Aspekt, dass in den Bevölkerungen der EU das großartige Projekt EU inzwischen stark in Zweifel gezogen wird.

Die EU hat uns 60 Jahre Frieden in Europa beschert, so die Begründung des Nobelpreiskomitees. Realitätsbezug scheint nicht die Stärke dieses Komitees zu sein. Warum ich das so sage, möchte ich natürlich auch begründen.

Punkt 1:

Kriege gehen in der Regel nicht von den Völkern aus, sondern in der Regel von Regierungen oder Feudalherren und inzwischen vermehrt von unsichtbaren Hintermännern, die die gesamte Finanzwirtschaft und die multinationalen Konzerne dominieren. Die Menschen im jeweiligen Kriegsland wollten mehrheitlich zu keiner Zeit einen Krieg und mussten erst mit viel Propaganda dahin gebracht werden, einen solchen Krieg auch zu akzeptieren. Ein vom Volk initiierter Krieg wurde nie als solcher bezeichnet und richtete sich auch nicht gegen andere Länder, sondern gegen das interne System, wie z. B. die Französische Revolution. Zu einem Grenzüberschreitenden Krieg wurden Revolutionen immer nur dann, wenn sich andere Völker auf Befehl ihrer Regierungen einmischten.

Punkt 2:

Den Zustand in Europa als Frieden zu bezeichnen, ist mehr als gewagt. Nur wurde der Krieg institutionalisiert und richtet sich zumeist gegen die eigene Bevölkerung (Arbeitslosigkeit, Niedriglohn und Zeitarbeit, Zerstörung der Rentensysteme, ESM usw.), wobei Auslöser dieser Vorgänge die EU ist und als Mittler der WTO und anderer supranationaler Einrichtungen entsprechende Vorgaben an die nationalen Staaten gibt.

Punkt 3:

Der Krieg wird inzwischen exportiert, nicht nur damit, dass in Europa mit die größten Waffenexporteure ihren Sitz haben, sondern auch mit der zwar nicht direkt zu Europa gehörenden NATO, die aber als Bindeglied zwischen der EU und den USA angesehen werden kann und bei allen Entscheidungen der EU sprechen die Vereinigten Staaten ein gewichtiges Wort mit, auch wenn das in der Presse oft anders dargestellt wird. Auch waren und sind europäische Staaten an allen Kriegen der USA beteiligt gewesen, die derzeit laufen oder in jüngster Vergangenheit ausgeführt wurden, allen voran die Briten, aber auch die Polen, die Franzosen, die Deutschen, die Italiener etc.

Punkt 4:

Woran liegt es, dass intern in dem Gebiet der EU keine Kriege mehr stattfinden? Weil uns die EU davor bewahrt hat? Da kann ich nur sagen: Gott bewahre! Zunächst, die EU gab es vor 60 Jahren noch nicht, aber damals wurde der Grundstein für die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) gelegt, das Fundament der EU. Sehen wir mal von der Frage ab, ob das nicht bereits ein lange vorher geplantes Unterfangen war, sondern beschäftigen uns einfach mit der damaligen und heutigen Realität. Vor dem 2. Weltkrieg war die Wirtschaft weitestgehend eine nationalstaatliche Angelegenheit. Deutsche Unternehmen waren fast in vollem Umfang auch in deutscher Hand und das war in den anderen Ländern der EU auch so. Nach dem Krieg war die Wirtschaft weitgehend zerstört, Zwar hatten die deutschen Wirtschaftsbosse dafür gesorgt, dass sie ihre Schäflein ins Trocken brachten, nämlich dorthin, wo sie die Bomben der „Feindstaaten“ ebenso wenig fürchten mussten, wie die selbst abgeworfenen Bomben, dennoch wurde es erforderlich, dass der Wiederaufbau auch mit fremden Geld (nicht nur mit den Mitteln des Marschallplans) finanziert werden musste. Gerne standen ausländische Investoren bereit, finanziell einzusteigen. Waren diese Investoren zunächst überwiegend amerikanische Kapitalisten, breitete sich dieses System vor allem mit dem so genannten Shareholder Value wie ein Flächenbrand aus. Wenn wir uns heute die so genannten deutschen Unternehmen ansehen, wissen wir nicht, wie viel von diesen Unternehmen eigentlich noch wirklich in deutscher Hand ist.

Da Kriege nie wirklich wegen unüberwindlicher Abneigung geführt wurden (die wurde erst mit entsprechender Propaganda eingeimpft), sondern immer wegen wirtschaftlicher Interessen, wären nun Kriege innerhalb Europas wirklich kontraproduktiv, würden sich doch etliche der potentiellen Kriegsgegner damit selbst schädigen. Und schließlich ist die Welt ja inzwischen nur noch ein Dorf, weil man jeden Punkt der Erde in relativ kurzer Zeit erreichen kann und da gibt es noch so viele Völker, die man mit dieser Form Europäischen Friedens infizieren kann, wobei man notfalls auch ein wenig nachhilft, falls man dort nicht so begeistert von dieser Friedensform ist, wie nun bspw. das Nobelpreiskomitee. Und diese Nachhilfe bringt ja gleichzeitig noch Geld in die Kassen der Rüstungsindustrie.

Um diese weniger populären „Friedensbemühungen“ auch praktisch umsetzen zu können, verpflichtet der Lissabonvertrag ja die Staaten, sich ständig aufzurüsten und so genannte Battle Groups auf die Beine zu stellen, die man schnell und unkompliziert überall einsetzen kann, auch innerhalb der EU, falls das dumme Volk eines Staates mal auf die Idee kommt, diesem Geschehen ein Ende zu bereiten.

Mein Fazit:

Diese Verleihung des Nobelpreises ist ein Gefälligkeitsakt, der auf dem Umstand basiert, dass der Nobelpreis ein hohes Ansehen genießt. Es soll die EU-Bürger dazu bringen, die derzeitigen Probleme in der EU als vorrübergehende Erscheinung zu betrachten und damit eine Abkehr von der EU verhindern (zumindest solange, bis man die militärischen Optionen zur „Beruhigung aufgebrachter Bürger“ überall etabliert hat.

Mir wird schlecht, wenn ich die zumeist honigtriefenden Zeitungsberichte dazu lese. Allerdings hat WELT Online einen eher kritischen Artikel mit dem Titel Die gefährliche Auszeichnung der Krisen-EU dazu veröffentlicht. Das hat mich schon ein wenig erstaunt, aber ich habe keine Sorge, in den nächsten Tagen wird wohl auch dort ein anderer Text zu finden sein. Ha, solange muss ich nicht warten, ist schon passiert.

Ich denke, dass der Nobelpreis zwar ein überaus positives Image hat, aber, zehrend von diesem Image, auch schon lange nicht mehr auf wirklich objektiver Basis beruht. Doch das ist natürlich meine ganz persönlich Sichtweise.

Ich träume noch immer ein wenig von diesem geflügelten Wort: „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin!“ Aber so etwas kann auch nur ein dummes Kind äußern. Wir Erwachsenen sind ja klug und wenn man uns zum Krieg ruft, dann gehen wir auch und merken erst, wenn wir mittendrin sind, dass wir die Dummen sind. Aber mit ’ner Kugel im Kopf ist das auch nicht mehr wichtig, oder?

Quelle: flegel

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