In den deutschen Medien geistert ein Sommerphantom: eine angebliche Entspannung in dem Konflikt zwischen Katalonien und Spanien. Bei den Berichterstattern, welche diese „gute Mär“ ausposaunen, kann man nur vermuten, dass sie entweder reines Wunschdenken verbreiten oder einfach selber sehr schlecht informiert sind. Weder das eine noch das andere kann man als löblich bezeichnen.
Gewiss, der neue spanischer Ministerpräsident bemüht sich in den Gesprächen mit der jetzigen katalanischen Regierung um einen anderen, höflicheren Ton als sein Vorgänger Rajoy. Aber jenseits der Worte bleibt er in der Sache immer noch genau so nachgiebig. Unter anderem weil ihm schon durch seine eigene Partei und durch die gegen Katalonien aufgehetzte spanische öffentliche Meinung die Hände gebunden sind. Schon die Möglichkeit, dass in den jüngsten wiederaufgenommenen bilateralen Gespräche zwischen Delegationen beider Regierungen man auch über Selbstbestimmung, über Referendum und über die Gefangenen sprechen könnte, hat eine Welle der Empörung in Spanien hervorgebracht und man hat Sánchez schon als Verräter und charakterlos bezeichnet. Wie kann man unter diesen Voraussetzungen erwarten, dass auch nur ein Hauch von Entspannung entstehen könnte?
Nun, in den erwähnten Gesprächen hatte die spanische Seite nichts Neues anzubieten. Nicht mal etwas konkretes, dass über nebulösen Formulierungen hinaus gegangen hätte. Was Ministerpräsident Sánchez versucht, ist einfach die Uhr zurückzustellen, als ob in den letzten zehn Jahren nichts besonderes geschehen wäre, als ob seine Partei nicht kräftig bei allem in Katalonien geschehenen Unrecht mitgewirkt hätte, als ob durch einen Wunder die gründliche, endgültige Zerstörung des Vertrauens der Katalanen in die Versprechungen aus Madrid von heute auf morgen ohne wesentliche und mutige Schritte wiederhergestellt werden könnte.
Mehrere katalanische Spitzenpolitiker, in Katalonien oder im Exil, haben es an die Adresse von Ministerpräsident Sánchez klipp und klar gesagt: es ist nicht mehr die Zeit von schönen Worten sondern der Taten. Und darunter versteht man, dass es keine Entspannung und keine richtigen Verhandlungen geben kann, ohne eine entscheidende Vorbedingung: die Freilassung der ungerecht inhaftierten Politiker und Aktivisten und die freie Rückkehr der ungerecht verfolgten Exilanten. Wobei man die Ausrede, dass es eine Angelegenheit der Justiz und nicht der Regierung sei, nicht gelten lassen wird. Die spanische Regierung hat sehr wohl die Möglichkeit der Farce dieser politisierten Justiz einen Ende zu machen, und das weiß sie ganz genau. Die katalanische Seite hat auch klar definiert, was sie für die einzige mögliche Lösung des Konflikts hält: die Abhaltung eines vereinbarten Unabhängigkeitsreferendums . Bei dem Treffen der zwei Regierungschefs in Madrid vor wenigen Wochen hat Präsident Torra dem Ministerpräsidenten Sánchez, unter anderem, ein zweiseitiges Papier übergeben, in dem vier mögliche Wege gezeigt wurden, um ein solches Referendum innerhalb des Rahmens der spanischen Verfassung abhalten zu können. Weil nur so, ist dieser politische Konflikt politisch zu lösen.
Wie Präsident Puigdemont gesagt hat: Ministerpräsident Sánchez sollte die sommerliche Pause ausnutzen, um „seine Hausaufgaben“ zu machen. Weil nach dem Ende der Ferienzeit und der Wiederaufnahme der parlamentarischen Arbeit in Madrid und Barcelona die Gnadenfrist vorbei sein wird.
Am 11. September, Nationaler Feiertag Kataloniens, ist wieder eine Massendemonstration in Barcelona vorgesehen. Entlang der Avinguda Diagonal, auf einer Länge von mehr als 5 km. wird es eine Welle entstehen (wie „La ola“ in den Fußballstadien), unter dem Motto „Für die Republik“. Die wird vom Fernsehen in der ganzen Welt gezeigt, und sie wird beweisen, dass die ganze Willkür, die ganze Gewalt, das ganze Unrecht der Ewiggestrigen Spaniens nichts genutzt hat, und das katalanische Volk nach wie vor weiter -auf friedliche und demokratische Weise- selbst über seine eigene Zukunft weiter entscheiden will.
Es sollte noch vieles geschehen, um die Zeichen von Sturm wieder auf Gutwetter wechseln zu lassen. Entspannung ist nicht unmöglich, aber zur Zeit ist sie also nur ein Phantom, das in den Köpfen von Leuten spuckt, die sich weigern die Wirklichkeit zu anerkennen.
Quelle: peregraurovira
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