Die Gas-Erpressung aus Übersee

Pjotr Iskenderow (Stimme Russlands)

STIMME RUSSLANDS Der Westen fährt fort, Russlands Partnern beim Bau der South Stream-Gaspipeline „die Arme auszurenken“. Nach der Regierung Bulgariens beeilte man sich auch in Serbien, die Einstellung der Arbeiten zu verkünden. Beide Länder beriefen sich auf die Position der Europäischen Kommission. Unser Kommentator Pjotr Iskenderow versucht, näher auf die Peripetien des sich entfaltenden Konflikts einzugehen.

Erklärte der Ministerpräsident Bulgariens Plamen Orescharski die Einstellung der „laufenden Arbeiten“ zum South Stream-Pipelineprojekt mit einer eingetroffenen Anfrage der Europäischen Kommission und der Notwendigkeit „zusätzlicher Konsultationen mit Brüssel“, so versuchte die stellvertretende Ministerpräsidentin und Energieministerin Serbiens Zorana Mihajlović, quasi die Weichen auf den historischen Konkurrenten ihres Landes auf dem Balkan – auf Sofia – „umzustellen“. Aber auch sie unterließ es nicht, politische Spekulationen zu machen. Sie sagte Folgendes:

„Solange die Verhandlungen Bulgariens mit Brüssel und der EU mit Russland nicht abgeschlossen sind, werden wir im Leerlauf sein. Oder solange Russland seine Position nicht ändert. Jedenfalls bedeutet das Ergebnis beider Szenarien einen Aufschub der Arbeiten in unserem Land.“ Mit dieser Erklärung gibt Frau Mihajlović Moskau faktisch die Schuld an der Situation.

Dabei verschwieg die serbische Ministerin delikat, dass „Russlands Position“ in Bezug auf das South Stream-Pipelineprojekt schon Anfang 2008 im Rahmen der Unterzeichnung der russisch-serbischen Regierungsvereinbarung über die Zusammenarbeit in der Energiesphäre fixiert worden war. So ist es kaum erstaunlich, dass sich der Ministerpräsident Serbiens Alexander Vučić beeilte, den Eifer seiner Ministerin zu dämpfen, indem er erklärte, die serbische Regierung habe keinerlei Entscheidung über die Einstellung der Verwirklichung des South Stream-Pipelineprojekts getroffen.

Die Position der bulgarischen Kritiker des Pipelineprojekts hält ebenso keinerlei international-rechtlicher Argumente stand. Der russisch-bulgarische Vertrag über Sofias Teilnahme am Projekt und über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens für diese Zwecke wurde im Juli 2008 vom bulgarischen Parlament ratifiziert.

Der Europäischen Kommission waren all diese Jahre die Bestimmungen dieses Vertrages von 2008 bestens bekannt. Der Chef der russischen Stiftung für nationale Energiesicherheit Konstantin Simonow sagt hierzu Folgendes:

„Wenn die Europäische Union Gazprom beschuldigt, dass dieses russische Unternehmen die Entwicklung eines geeinten Gasmarktes Europas behindern würde, so mutet das seltsam an. Denn mit der Schaffung eines solchen Marktes muss sich ja gerade die Europäische Union befassen.“

Demnach gilt es, frische Wurzeln dieser Anheizung der antirussischen Hysterie und der faktischen Gas-Erpressung Bulgariens und Serbiens zu suchen. Diese Wurzeln kann man in Übersee entdecken. Der Ministerpräsident Bulgariens Orescharski gab seine Erklärung bezüglich der South Stream-Pipeline nach einem Treffen mit einer Troika amerikanischer Kongressmitglieder bekannt, die Senator John McCain leitete.

Es ist klar, dass die USA ihren Druck auf die europäischen Partner Russlands sozusagen in die antirussischen Sanktionen hüllen. Die Hauptursache ist allerdings nicht die Ukraine. Nach einer vorliegenden Meldung beschloss Washington, einen neuen Schlag gegen das South Stream-Pipelineprojekt zu führen (an dem unter anderem auch deutsches und französisches Kapital beteiligt ist), nachdem aus Baku beunruhigende Nachrichten eingetroffen waren. Eine Quelle in dem aserbaidschanischen Unternehmen SOCAR gab zu verstehen, dass das französische Unternehmen TOTAL und die deutsche E.ON ihren Anteil am Projekt des Baus der Transadria-Gaspipeline (TAP) verkaufen könnten. Bedenkt man, dass gerade die TAP berufen ist, das aktiv von der EU und den USA lobbyierte Nabucco-Pipelineprojekt zu ersetzen, so ist Washingtons und Brüssels Panik verständlich.

Es ist nicht auszuschließen, dass die bulgarischen Politiker und ihre Kollegen aus den Ländern der Region ihrerseits versuchen, die entstandene Situation auszunutzen, um sich Preiszugeständnisse für das russische Gas zu erhandeln. Eine derartige Praxis sei traditionell in Osteuropa gefragt, bemerkte im Gespräch mit der STIMME RUSSLANDS der Direktor der russischen Stiftung für energiewirtschaftliche Entwicklung Sergej Pikin.

„Europa erlebt nicht gerade beste Zeiten und sucht verschiedenste Wege, um den Gaspreis zu senken. Das betrifft besonders unsere osteuropäischen Nachbarn. Sie versuchen verschiedenste politische Möglichkeiten zu nutzen.“

Es gibt noch einen Aspekt, der die amerikanische Seite zur Eile nötigt. Der in diesen Tagen veröffentlichte Bericht der internationalen Energie-Agentur World Energy Investment Outlook 2014 sagt einen Rückgang der „Schiefergas-Revolution“ in den USA und eine größere Import-Abhängigkeit des Landes vor dem Hintergrund der sinkenden Exportmöglichkeiten Saudi-Arabiens und des Irans voraus. Deshalb müssen die USA die wichtigsten Energieressourcen und deren Transportrouten unter Kontrolle nehmen, um ihre Position am globalen Energiemarkt nicht zu verlieren. Eine Erpressung der Europäer ist unter diesen Bedingungen für Washington lediglich ein Mittel zur Gewährleistung der eigenen Interessen.

 

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