Der «Black Friday» beschert Herstellern und Händlern Milliardenumsätze – und zeigt, wie manipulierbar Konsumenten sind.
Menschen übernachten vor Geschäften und anderen Konsumtempeln, reihen sich während Stunden in langen Schlangen ein. Sie schubsen, drängeln, kämpfen. Sie beschimpfen sich und reissen einander irgendwelche Konsumgüter aus den Händen. Pole-Position sichern, sprinten, rempeln, Produkt verteidigen, kaufen.
Eigentlich ist der vierte Freitag im November ein Tag wie jeder andere. Aber wenn die Sonne aufgeht, scheint sie auf eine Gesellschaft, die Anstand und Moral hinten anstellt und sich dem Konsumrausch ergibt. Es ist «Black Friday»: Händlerinnen und Händler locken mit Schnäppchen und Rabatten und lancieren so das Weihnachtsgeschäft, das so gar nichts mit Nächstenliebe zu tun hat. Kundinnen und Kunden folgen dem Ruf und werden zur kaufenden Masse. Eine Masse, die in Gegenwart von Rabatt- und Prozentschildern aufhört zu denken.
Die Folge sind – vor allem in den USA – Szenen, die man aus Krisengebieten oder Flüchtlingslagern kennt, in denen Nahrungsmittel knapp geworden sind. Nur das jene Menschen nicht um vermeintlich verbilligte Luxusgüter, sondern um ihr nacktes Überleben kämpfen. Trotzdem gleichen sich die Szenen – und die Resultate: Bisher forderte der «Black Friday» im angelsächsischen Raum mindestens zwölf Leben. Leben, die unter anderem durch Schusswaffen, Stichwunden oder alkoholisierte Autofahrer beendet wurden. Inmitten der kaufwütigen Masse kommt der Tod auch in Form von Herzinfarkten und Massenpaniken. Menschen werden erdrückt oder sterben, weil andere über sie hinweg trampeln.
Grösser, lauter, billiger
Wie vieles, das gross und laut ist, kommt der «Black Friday» ursprünglich aus den Vereinigten Staaten. Nach dem amerikanischen Erntedankfest «Thanksgiving» am Donnerstag, nehmen sich viele US-Amerikaner am Freitag frei und starten die Weihnachtseinkaufssaison. Läden und Handelsketten öffnen bereits früh am Morgen und locken mit Sonderangeboten, Rabatten und Werbegeschenken. Immerhin gilt der Tag als wichtiger Indikator des Weihnachtsgeschäfts. Seit 2005 werden in den USA am «Black Friday» die höchsten Tagesumsätze des Jahres erzielt. 2017 gaben Amerikanerinnen und Amerikaner am «Schwarzen Freitag» fast acht Milliarden Dollar aus. Tendenz: steigend.
Dies vor allem, weil das ursprünglich eintägige «Shopping-Event» ständig verlängert wird und sich auch auf den Internet-Handel ausgeweitet hat. So locken viele Online-Händler am Montag nach dem «Black Friday» mit dem sogenannten «Cyber Monday». Und findige Geschäftsleute installieren eigene Aktions- und Rabatttage, die über das ganze Jahr verteilt stattfinden und nicht mehr nur auf einen bestimmten Tag im Jahr begrenzt sind. «Amazon» führte zum Beispiel den «Prime Day» ein, während dem die Produkte noch günstiger als am «Black Friday» sein sollen. Andere Händlerinnen und Händler lancierten den «Schwarzen Freitag» im Juli, um auch im Sommer einen Schnäppchentag anbieten zu können.
«Black Friday» breitet sich aus
Im Jahr 2013 erreichte der «Black Friday» Deutschland – nachdem der US-Konzern «Apple» bereits seit 2006 mit Rabatten an einem «eintägigen Shopping Event» geworben hatte. Obwohl der Konzern die Bezeichnung «Black Friday» nicht aussprach, war sein Siegeszug nicht mehr aufzuhalten. 2013 bewarben etwa 500 deutsche Händlerinnen und Händler am letzten Freitag im November vergünstigte Produkte. Vier Jahre später kannten bereits 89 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland die Bezeichnung «Black Friday». 2018 waren es dann 94 Prozent.
2016 wurden in Deutschland am «Black Friday» 360 Millionen Euro umgesetzt, am gesamten «Black Friday»-Wochenende waren es mehr als eine Milliarde Euro. Der Handelsverband Deutschland prognostizierte für das «Black Friday»-Wochenende 2018 eine Umsatzsteigerung auf 2,4 Milliarden Euro. In diesem Jahr wird mit einem Umsatz von 3,1 Milliarden Euro gerechnet. Über 80 Prozent der 16- bis 34-jährigen Deutschen, wollen in diesem Jahr den Tag nutzen, um auf Shoppingtour zu gehen.
In der Schweiz lancierten im Jahr 2007 die ersten Online-Händlerinnen und -Händler eigene «Black Friday»-Angebote. 2015 folgte mit «Manor» der erste grosse Detailhändler und erzielte an einem Tag einen dreimal höheren Umsatz als an einem normalen Freitag. Ein Jahr später folgten andere grosse Shops, der «Black Friday» hielt seinen definitiven Einzug in die Schweiz. 2018 sollen Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Schweiz einen Umsatz von 440 Millionen Franken erzielt haben – an einem einzigen Tag.
«Ein Tag, der günstige Preise verspricht, sie aber nicht bietet»
Eigentlich ist es erstaunlich, dass sich die Konsumgesellschaft mit vielfach nur vermeintlichen Vergünstigungen und Rabatten zum Kauf verleiten lässt. Immerhin leben wir in einer aufgeklärten Gesellschaft, denken rational und haben unzählige Informationen zur Verfügung, die alle Ähnliches sagen: Angebote, die mit Slogans à la «Das beste Angebot des Jahres», «Top-Deal», oder «75 Prozent Rabatt» beworben werden, sind vielfach Konsumentenfallen.
So hat etwa das Vergleichsportal «Netzsieger» während einem Monat die Preise für Fernseher, Smartphones, Kühlschränke und Waschmaschinen der Händler «Amazon», «Alternate», «Mediamarkt» und «Saturn» beobachtet. Das Fazit: Alle Produkte unterliegen starken Preisschwankungen, nur bei einem der acht untersuchten Geräten ist der Preis kontinuierlich gesunken. Bei einigen Geräten sei der Preis kurz vor dem «Black Friday» gar um rund 70 Euro gestiegen.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die ZDF-Sendung «WISO» im Jahr 2017. Ein Team begann zwei Monate vor dem «Black Friday» mit der Beobachtung der Preise von 3068 Produkten und führte die Preisanalyse bis vier Monate nach Ende des «Schwarzen Freitags» fort. In dieser Zeitspanne änderten sich die Preise bei den meisten Produkten nicht. Die Bilanz der Sendung: «Ein Tag der günstige Preise verspricht, sie aber nicht bietet.» Auch «Stiftung Warentest» kommt zum Schluss, dass Waren, die ohnehin gut verkauft werden, am «Black Friday» selten im Preis sinken.
Die Tricks der Händlerinnen und Händler
Trotzdem haben viele Kundinnen und Kunden den Eindruck, am «Black Friday» Geld sparen zu können. Das hängt mit einem Trick der Händlerinnen und Händler zusammen, die ihr Produkt zum Beispiel mit 50 Prozent Rabatt auf den «Originalpreis» anschreiben – und den angeblich verbilligten Verkaufspreis der «unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers» (UVP) gegenüberstellen. Nur: Der UVP ist extrem hoch angesetzt, in Wirklichkeit kassieren kaum eine Händlerin oder ein Händler die empfohlenen, horrenden Preise. Sie nutzen ihn aber um den Konsumenten einen immensen Preisnachlass vorzugaukeln, den es so aber nicht gibt. So wird aus angeblichen Rabatten von 50 Prozent in der Realität ein Preiserlass von vielleicht noch zehn Prozent.
Dann sind die kräftig beworbenen «Schnäppchen» eine Versuchung für den Konsumenten oder die Konsumentin. So konnten Neurowissenschaftler in Versuchen nachweisen, dass bereits der Anblick von Prozentzeichen auf einem Preisschild das Belohnungssystem im Hirn aktiviert. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass ein Schnäppchen-Jäger am «Black Friday» Spontankäufe tätigt. Viele Händlerinnen und Händler versuchen gezielt, diese Tendenz weiter zu verstärken: Mit kurzen Angebotsfristen oder ablaufenden Uhren setzen sie Druck auf mögliche Kundinnen und Kunden auf und versuchen so, sie zu unüberlegten Käufen zu drängen.
Trend zur Discount-Gesellschaft
Im Übrigen gilt der «Black Friday» auch als Tag, an dem sich Menschen im Kaufrausch keinen Deut um die Herkunft der Produkte kümmern. Die Einhaltung von menschenwürdigen Standards bei der Herstellung, ökologische Transportwege, Fair-Trade: Im Trubel um die vermeintlichen Schnäppchen bleibt keine Zeit für Kleingedrucktes und Hintergrundinformationen.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Zwar sorgen die Rabatttage für mehr Verkäufe, da Rabatte aber eine starke Droge sind, stärken solche Aktionen auch den Trend zur Discount-Gesellschaft. Wie Marketingexperten sagen, werde es dadurch immer schwieriger, Produkte zu «normalen» Preisen zu verkaufen.
Das eigentliche Ziel des «Black Fridays» ist die Ankurbelung des Konsums in einem gesättigten Markt. Die Händlerinnen und Händler wollen ihre Lagerhallen leeren und verleiten die Konsumenten mit ausgeklügelten Marketingstrategien dazu, noch mehr zu kaufen – selbst Dinge, die sie eigentlich gar nicht brauchen.
Obwohl all diese Fakten bekannt sind, werden auch am heutigen «Black Friday» wieder Millionen Menschen ihre bevorzugten Konsumtempel stürmen und sich um ihre «Schnäppchen» balgen.
*******
Was soll ich sagen? Ich war heute beim Media Markt (max 5 Min. mit dem Fahrrad) und habe einen Herd für meinen Nachbarn bestellt. Auf den Parkplätzen ein Gedrängel um freie Plätze. Als ich in das Gebäude ging, traf mich fast der Schlag. An der Kasse eine Schlange von ca. 50 bis 70 Leuten. Oh, Schitt, dachte ich mir. Gezielt ging ich in die Abteilung Küchengeräte und auf das Produkt zu, das ich mir vor einer Woche ausgesucht hatte. Anschließend suchte ich einen Verkäufer, um den Deal möglichst schnell abzuschließen und um möglichst rasch wieder aus dem überfüllten Laden zu kommen.
Ganz in der Nähe war ein Arbeitstisch, an dem die Verkäufer ihre Aufträge aufnehmen. Ich sagte dem Verkäufer dort, wie er gerade eine Bestellung aufnahm, dass ich anschließend eine Bestellung ordern möchte. Der Deal mit dem Herd dauerte keine 10 Minuten. Dann sagte ich dem Verkäufer: Ich muss doch jetzt wohl nicht eine halbe Stunde an der Kasse stehen, um das zu bezahlen? „Mal schauen, was ich machen kann“sagte er, und tippte eine dreistellige Zahl in sein Telefon. Dann sagte er mir, dass ich den Betrag auch im Nebengebäude bei der Reparaturabteilung bezahlen könne, was ich dann auch tat.
Fazit:
Nie wieder werde ich an einem Black Friday in ein Konsum-Tempel gehen.
Wandere aus, solange es noch geht!
Ich freue mich auch, daß Zulu wieder da ist. Ohne unser „Nesthäkchen“ macht es hier doch keinen Spaß. Das hat zuerst „Angsthase“ ausgesprochen.
Ehrlich gesagt, fällt es mir auch schwer auf das zu verzichten, was anscheinend allen anderen so großen Spaß macht: Shopping.
Aber in meinem Alter muß man daran denken, daß alles was man kauft doch letzendlich im Container landet. Bei uns in der Nähe fungieren Türken als Abdecker, und was steht nicht alles auf der Straße, wenn ein Haushalt aufgelöst wird. Wir produzieren doch eigentlich nur für die Tonne; denn das meiste was wir haben, könnten noch Generationen nutzen. Wie soll man rostfreies Besteck verbrauchen? Oder die 15 Geschirrservice, die ich auch von meinen unverheirateten Tanten übernommen habe. Die wollten sich mal verehelichen und dann kam der 2. Weltkrieg und die Männer fielen an der Front! Alles wegwerfen und jetzt ein neues schönes Weihnachtsgeschirr von Villeroy und Bosch bei XXX Lutz kaufen? Verführerisch, aber aus philosphischen Grünen muß ich „nein“ sagen; denn „haben“ statt „sein“, kann auch nicht die richtige Maxime für mich sein. Und wie pervers unsere Gesellschaft ist, kann man sehen an der Aldi-Süd-Reklame. Angeblich gingen die Gebrüder Aldi in die Kirche, aber mit dieser Reklame im Herzen? „Oh, du entspannte Einkaufzeit. Wir geben vor den Feiertagen alles und besetzen unsere Kassen verstärkt. So können Sie eine stressfreie Weihnachtszeit genießen. Fröhliches Einkaufen wünscht ihr Aldi-Süd-Team.“
Es ist doch erstaunlich wie sehr die Menschheit von äußeren Anregungen abhängig ist. Mit Tausenden von Mitmenschen in einem großen Kahn durch die Weltmeere zu schippern wurde plötzlich mit zuckersüßen Worten die Kreuzschifffahrt bei „Verrückt nach Meer“ angepriesen und plötzlich kann keiner mehr sich dieser Glückseligkeit entziehen und will mit der „einsamen Masse“ der eigenen Eisamkeit entfliehen.
Und Black Friday und Black Week ist auch so ein Phänomen. Als ich am 23. November bei XXX Lutz in Bopfingen essen wollte, konnte ich kaum einen Parkplatz finden, mußte lange warten bis das Essen kam, weil sich die ganze Menschheit im glückllichen Kaufrausch befand. 40 % Reduktion auf alles, nur auf das nicht, was mich interessiert hätte – und der Parkplatz voller schicker Autos, deren Preis ich schlecht abschätzen kann, weil der Rundfunk immer nur Monats-Leasing-Raten angibt. Natürlich kommt man sich ein bißchen deplaziert vor als schuldenfreier alter Knacker mit einem Audi 80 Jahrgang 1993.
Und sogar Edeka Bengelmann machte die Black Week mit: 100 Gramm Fleischwurst zu 0,49 Euro. Da habe ich mir gleich 500 Gramm gekauft und eingefroren.
Ich wüßte nicht, wo ich Zulu ein „Nesthäkchen“ genannt habe :-). Ich bin allerdings froh, dass er wieder da ist. Heutzutage kann man ja nie wissen.
Shopping ist ätzend! Zumal, wenn Mann nicht alleine unterwegs ist! ICH weiß, was ich will und was ich (wir) brauchen(n)und außerdem gibt es Einkaufszettel. Aus Papier wohlgemerkt! Der wird abgehakt und gut ist!
Einkaufen nur weil es angeblich billiger ist oder um des Einkaufens willen? Ohne mich!
„Wir prahlen, Sie zahlen! Kaufen Sie heute und sparen!“ Höö?
„Ja, zu 0%-Zinsraten!“ Das klingt aber gut. So´n Thermomix oder Kaffeevollautomat für´n paar Tausender gehört schließlich in jeden Haushalt. Wie soll man sonst überleben? 😛
Alles Humbug. Manche Güter befinden sich nicht mal annäherend in der Nähe der UVP und NIEMALS in der Nähe der eigentlichen Herstellungskosten; siehe Schlaufon´s. Ich achte zwar auch sehr auf Schnäppchen, aber bei Verbrauchsgütern wie Lebens- oder Reinigungsmittel. Da kann man immer gleich mehr mitnehmen. Wird ja nicht schlecht und man braucht es eh. Aber deswegen am Freitag oder Montag diesen Wahnsinn antuen? Nei danke.
Warschau Dieter: War mal so blauäugig und bin direkt NACH Weihnachten zu Saturn. Oh Du fröhliche…das ist fast noch schlimmer, haha!
Jaa, er lebt noch! 😉
Logo! Hatte mir nur mal etwas „Entzug“ verordnet. Mehr Sport, mehr Obst & Gemüse, keinen Alkohol, keine Horrornachrichten sondern ausgedehnte Spaziergänge. Fühlt sich gut an. 🙂
Angsthase wollte schon eine Vermißtenanzeige aufgeben! 😉
Das Schöne hier ist, dass der Humor noch nicht verloren gegangen ist. Wo bekomme ich denn jetzt die „Sonnenbrille“ her. 🙂
Davon lebt das System: Konsumationswahn toal! Verbrauch um jeden Preis. Auch von
Menschen. Der Zusammenbruch kommt!
Naja, ich persönlich bin erst dieses Jahr auf den Black Friday überhaupt aufmerksam gewesen. Und bei meinem bevorzugten Online Händler Aliexpress gab es auch endlos Scheinangebote.
Allerdings gibt es da ein Browserplugin, mit dem man die Preisentwicklung der letzen 6 Monate sieht. Und da zeigt sich, dass die Rabatte für fast alle Angebote innerhalb der normalen Spanne liegen. Auch wenn da -80% und ein vorheriger Fantasiepreis drangepint wird.
Ich denke, dass mich die Armut sehr viel materialistischer gemacht hat, als ich es zu Zeiten in meinem Leben war, wo Geld immer ausreichend verfügbar war.
Nächstes großes Anschaffungsprojekt wird wohl eine Mechanik zur Höhenverstellbarkeit des Schreibtisches sein, damit ich nicht soviel sitze sondern zwischen Stehen und Sitzen wechseln kann. Aber dafür ist zumindest diesen Monat nicht genug im Sparstrumpf.
Mich tangiert dieser Black Friday weder im Internet noch in den Geschäften. Wenn ich etwas kaufen möchte, mache ich mit meinem Mann zusammen einen schönen gemütlichen Einkaufs-Bummel, gerne zwischendrin unterbrochen durch einen leckeren Kaffee. In das Bekloppten-Getümmel würde ich mich nie stürzen.
Yep, man kauft, was man braucht, wenn man es braucht! 🙂