Nach dem Crash des FDP-Fliegers: Neustart ohne Treibstoff geplant

Tageskommentar 25. 09. 2013: fortunato,
Nach dem Crash des FDP-Fliegers: Neustart ohne Treibstoff geplant

von fortunato (fortunanetz)

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die liberale Idee zeitweilig vor allem in Baden-Württemberg höchst populär. Mit Reinhold Maier stellten sie sogar einmalig einen Ministerpräsidenten für ein Bundesland. Die Popularität dieser politischen Richtung erklärt sich dort daraus, dass der typische Baden-Württemberger eher wie ein Selbständiger lebte. Ein Großteil der Bevölkerung dieses damals eher armen Bundeslandes lebte von mehr als nur einer Arbeit. Kleinbäuerliche Höfe, Handwerk und Kleingewerbe, sowie gelegentliche Ausflüge in eine abhängige Beschäftigung wurden oft kombiniert und nebeneinander ausgeübt. Eine solche Lebensführung machte viele Einwohner dieses Bundeslandes zu ‚kleinen Unternehmern‘. Entsprechend hoch war der Zuspruch zur liberalen Idee.

Doch das liberale Glück im ‚Ländle‘ währte nicht lange. Das Wirtschaftswunder und die damit aufkommende Großindustrie beförderte vor allem die abhängige Beschäftigung immer mehr. Die Region um Stuttgart herum wurde zum zweitgrößten Industriezentrum der Bundesrepublik. Und mit diesem enormen Erfolg kam auch ein anderes Denken auf.

Die FDP hatte auf Bundesebene nie die Stärke der Liberalen in Baden-Württemberg. Dennoch waren sie im Laufe der Geschichte jene Partei, die länger als jede andere Partei der BRD an Regierungen beteiligt war. Sie stellten Minister auf Bundesebene in den Jahren 1949 bis 1956, 1961 bis 1966, 1969 bis 1998 und von 2009 bis 2013. Mit der Bundestagswahl 2013 ist die FDP erstmalig in ihrer Geschichte und in der Geschichte der BRD nicht mehr im Bundestag vertreten. Dieser Vorgang ist einmalig!

Die FDP galt schon lange hauptsächlich als ‚Mehrheitsbeschaffer‘ von Bundesregierungen. Das war aber keine originär liberale Idee und wird es auch nie werden! Die eigentlichen liberalen Ideen wie die Förderung des Mittelstandes, sowie der Schutz des Rechtsstaates und der bürgerlichen Rechte waren Inhalte, die sich die FDP zwar auf die Fahnen schrieb, aber aufgrund der vielen Koalitionen immer weniger verwirklichen konnte. Jede Koalition ist mit Kompromissen verbunden und wenn man dann einmal mit den Konservativen Bündnisse eingeht und anschließend mit den Sozialdemokraten, leidet die Möglichkeit bei den Inhalten ein klares Profil zu zeigen.

Die FDP hatte lange Zeit das Glück, dass sie echte Persönlichkeiten in ihren Reihen hatte. Neben dem schon genannten Reinhold Maier sei der Bundespräsident Theodor Heuss genannt, der beliebte und berühmte Außenminister Hans-Dietrich Genscher, manchmal auch liebevoll ‚Genschman‘ genannt, der Bundespräsident Walter Scheel und zwei Persönlichkeiten mit ‚klarer Kante‘, nämlich Gerhard Baum, der sich vor allem durch die Verteidigung von bürgerlichen Freiheitsrechten einen Namen machte, sowie Jürgen W. Möllemann, der noch unabhängig von seiner Partei eine Stimme für den arabischen Raum war und mit dem Projekt 18 (Prozent) versuchte, seine Partei auf breitere Beine zu stellen.

Von diesen prominenten Charakteren ist bei der FDP seit der Regierung Merkel praktisch niemand mehr übrig geblieben. Und wer es dennoch versuchte, sich zu profilieren wurde sehr schnell von einer mittelmäßigen, aber tonangebenden Parteiführung zurück gepfiffen und ins hintere Glied gestellt. Bei rechtlichen Themen war die FDP mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger in puncto Wahrung der Bürgerrechte ein Totalausfall. Was hat diese Frau gegen die Abmahnindustrie im Internet gemacht? Nichts! Was hat sie gegen die Vorratsdatenspeicherung gemacht? Fast nichts! Was hat sie zu den Spionageaktivitäten der NSA und der anderen Geheimdienste zu sagen gehabt? Nichts! Sie war ja NUR Justizministerin. Da hat man ja nichts zu sagen und nichts zu melden. Und das schändliche Leistungsschutzrecht (LSR) war ja kein Gesetz, sondern nur eine Geldeinnahmequelle für gewisse Verlage und taugt nun dazu, Internet – Bloggern das zitieren von Mainstream-Medien zu erschweren. Daran sieht man: Unter Leutheusser-Schnarrenberger wurde alles liberaler… (Vorsicht Ironie!)

Natürlich kam das dreistufige Flat-Tax-Steuermodell von Paul Kirchhof, und der ist ja bekanntlich von der CDU. Eine Flat-Tax fordert die FDP zwar mittlerweile ebenfalls, aber keiner hat es bemerkt! Liberal ist etwas Anderes…


Der Schutz des Mittelstandes war einmal ein Anliegen der FDP. Nur hat die FDP bislang effektiv gegen die Überbesteuerung und die bürokratischen Hürden, die den Mittelstand seit Jahren bedrängen, NICHTS auf den Weg gebracht. Aber eine Sondersteuer fürs Hotelgewerbe war ihnen Anliegen – also Klientelpolitik…. Liberal ist immer noch etwas Anderes.

Eine tolle Idee der FDP war auch die Praxisgebühr. Tausende Arztpraxen in Deutschland wurden umfunktioniert zu Inkasso-Büros für die Krankenkassen. Die Bürokratie bei dieser Lösung nahm groteske Formen an und ärgerte Millionen von Kassenpatienten. Und deshalb wurde diese einmalige Leistung der FDP für die deutsche Bevölkerung klammheimlich wieder kassiert.

Brüderle und Rösler glänzten bei der wichtigen und richtungweisenden Abstimmung zum ESM durch inhaltslose Reden. Bei Brüderle wusste man noch nicht einmal, ob er in dieser Rede nicht gerade auf einer pfälzischen Weinveranstaltung war, die er mit seinem ’sonnigen Gemüt‘ so gerne besuchte. Immerhin wirkte seine Rede in dieser Debatte stimmungsfördernd…. was ja auch eine Leistung ist, die Herrn Brüderle so schnell keiner nach macht.

Und um das bizarre Bild noch abzurunden, sehe ich immer im Hintergrund Frank Schäffler, wie er mit beiden Armen gegen diesen Vertrag und gegen die Transferunion argumentierte. Er war eines der wenigen FDP – Mitglieder, der den Ernst der Lage erkannte und mit großem Sachverstand und viel Kraft jedes mal seine berechtigten Einwände vortrug. Seltsam nur, dass bei Brüderle, Niebel, Westerwelle und Rösler bei solchen brillant vorgetragenen Sachargumenten jeweils beide Ohren verschlossen waren. Schäffler versuchte der FDP eine Steilvorlage zu liefern, um die Abwanderung der Wähler zur AfD zu verhindern. Aber es nützte einfach nichts. Es war egal was er sagte, diese FDP wollte sich nicht helfen lassen!

Und nun ist der Scherbenhaufen da, nachdem die Generation nach Genscher und Möllemann nichts Besseres zu tun hatte, als praktisch alle liberalen Inhalte um des Machterhaltes willen zu opfern. Selbst helfende Hände wurden von Brüderle und Co. einfach ausgeschlagen. Da geschieht es ihnen Recht, dass diese Wahl ein Misserfolg wurde.

Doch leider ist das Trauerspiel noch nicht zu Ende. Der aktuelle Vorschlag ist nun, dass Christian Lindner den Karren aus dem Dreck ziehen soll, den Rösler und Brüderle so kunstvoll und eigentlich ohne große Not dort hin bugsiert haben. Und die Begründung dafür, weshalb es Lindner nun schaffen soll ist, dass er ’sozialliberal‘ sei. Da staunt man dann nicht schlecht bei solchen Argumenten. Diese Partei sitzt in der Katastrophe und es fällt deren Mitgliedern nichts anderes ein, als sich in die Jahre der Koalition mit der SPD zurück zu träumen. Und dann soll alles besser werden?

Liebe FDP! Einmal genau hinschauen, wo das Desaster her kommt, sollte schon drin sein. Frank Schaeffler hatte erkannt wo das Problem liegt, nämlich bei der euroskeptischen Gegenwehr der AfD gegen den Eurorettungskurs Merkels. Und deshalb sind ja die Wähler und auch die Mitglieder der FDP in Scharen zur AfD gelaufen. Hier wurde die entscheidende Chance der FDP, sich gegenüber den Blockparteien zu profilieren, vertan. Und nun will diese Partei als sozialliberale Mitte erneut punkten. Das wird lediglich dazu führen, dass Zeit verstreicht und am Ende alle liberalen Inhalte bei der AfD landen. Diese Tendenz hat die AfD ohnehin schon, wenn man bedenkt dass sie sich für ein Steuermodell a la Kirchhof stark macht. Andere Inhalte der ehemaligen Liberalen werden sicher auch noch bei der AfD aufgenommen werden…. Und dann? Dann fragt sich der Wähler am Ende noch: warum soll ich eine Blockpartei wählen, wenn ich eine neue Alternative bekommen kann, die mir das ebenfalls liefert (und noch deutlich mehr dazu…), was die FDP seit fast 70 Jahren verspricht und dann nicht hält?

Der Sinkflug der FDP hat schon zu einer Bruchlandung geführt. Leider sind die Insassen dieses Flugzeugs wild entschlossen, nach der notdürftigen Reparatur des Fliegers ohne Benzin weiter zu fliegen. Wenn sich die FDP nicht bald ebenfalls gegen die Transfer- und Bankenunion der Blockparteien stellt, hat sie keine Chance, jemals wieder abzuheben,

meint
fortunato

 

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