Was in Kiew verboten war, ist in Ferguson erlaubt

Andrei Fedjaschin (Stimme Russlands)

STIMME RUSSLANDS Erst zum Mittwochmorgen sind die Krawalle in Ferguson (Missouri) etwas zurückgegangen. Insgesamt in 35 US-Bundessaaten kam es unterdessen zu Protesten gegen den Freispruch für jenen Polizisten, der im August einen unbewaffneten 18-jährigen Afroamerikaner erschossen hatte. Die Geschworenen stuften das Vorgehen des Beamten als gerechtfertigt ein.

In Ferguson wurde der Ausnahmezustand ausgerufen, die Nationalgarde griff ein. Gepanzerte Fahrzeuge kamen gegen die Protestler zum Einsatz. Die Polizei setze Tränengas und Blendgranaten ein. Mehr als 60 Demonstranten wurden inzwischen festgenommen.

Zwar sind solche Krawalle für die US-Verhältnisse nicht so außerordentlich. Doch ihr derzeitiges Ausmaß, aber auch die Reaktion des Weißen Hauses ist wirklich überraschend.

Nach Angaben des FBI wurden im Jahr insgesamt 461 „gerechtfertigte Tötungen“ durch US-Polizisten verübt. Das ist ein Rekord: Noch die in der Geschichte des Landes hat die staatliche Gewalt so viele Opfer gefordert. Es geht dabei um Todesfälle, wenn Beamte verschiedener Sicherheitsbehörden im Einsatz zu Waffen greifen und ihr Vorgehen später als legitim und gerechtfertigt eingestuft wird. Dies macht rund drei Prozent aller Morde und Tötungen in den USA im Laufe des vergangenen Jahres aus.

Barack Obama appellierte an die Demonstranten in Ferguson. Wer in die Straßenschlachten, Brandanschläge und Plünderungen verwickelt ist, muss laut Obama zur Verantwortung gezogen werden. In seiner Ansprache sagte der Präsident im Hinblick auf die Entscheidung der Geschworenen im Fall Michael Brown, das die Krawalle verursacht hatte:

„Es war offensichtlich, dass das Urteil nicht nur in Ferguson, sondern auch in ganz Amerika für Aufregung sorgen wird. Deshalb will ich darauf hinweisen, dass unser Land auf der Herrschaft des Gesetzes basiert. Wir müssen zugeben, dass die Grand Jury der Geschworenen zu diesem Beschluss berechtigt war. Wer auf die Straße geht, um zu protestieren, muss das friedlich tun. Zwar gibt es nach wie vor Probleme in unserer Gesellschaft, doch sie lassen sich nicht durch ruinierte Schaufenster und verbrannte Autos lösen. Die Probleme werden dadurch nicht verschwinden. Das ist keine Rechtfertigung für den Vandalismus.“

Diese Ansprache steht allerdings im krassen Widerspruch zu den Äußerungen der US-Führung in Bezug auf die Pogrome in Kiew vor einigen Monaten. Ranghohe US-Politiker, unter ihnen Senatoren und Beamte des US-Außenministeriums, wiegelten damals die Aufständischen zu immer neuen Provokationen auf. Der Kiewer Polizei wurde dabei nicht einmal erlaubt, Tränengas einzusetzen. Die Polizisten durften keine Waffen tragen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow brandmarkte das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten in Ferguson als „anekelnd“ und inakzeptabel. Die US-Behörden seien „mit Bulldozern und Knüppeln gegen die demokratischen Rechte und die menschliche Würde“ vorgegangen, so Lawrow. Sergej Michailow, Analyst des Russischen Instituts für strategische Studien, kommentiert:

„Die Geschehnisse in Ferguson sind ein offensichtlicher Beleg für die Enttäuschung der afroamerikanischen Bevölkerung über die sozialen und politischen Vorgänge in den USA. Als Barack Obama zum ersten dunkelhäutigen Präsidenten wurde, rechneten die Afroamerikaner mit einer Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse und mit einer Festigung ihrer Rechte. Doch diese Hoffnungen entpuppten sich als Illusionen.“

Ferguson ist eigentlich eine Vorstadt von St. Louis, einer Großstadt in Missouri. Zwei Drittel der Bevölkerung in Ferguson sind Afroamerikaner. Im städtischen Revier arbeiten routinemäßig knapp 60 Polizisten – und nur drei von ihnen sind schwarz. Von welcher „Rassen-Harmonie“ kann die Rede sein?

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