von Heinz Sauren (freigeist)
Ein Tag wie jeder andere? Nein, – ein Feiertag. Politisch verordnet und zur Beweihräucherung der noch lebenden „Helden“ der Einheit zelebriert. In all dem Glanz der Selbstdarstellung der Protagonisten von einst, scheint es Kritik an der Wiedervereinigung nicht zu geben. Die wenigen, die ihre kritischen Stimmen erheben sind unerwünscht. Kritik vor dem Hintergrund dieser völkischen Großtat wird von den gesellschaftlichen Antreibern der Jubelfraktion als blasphemische Verunglimpfung der Volksseele empfunden.
Mehr als zwei Jahrzehnte konnten sich Politiker in dem Schein dieses geschichtsträchtigen Ereignisses sonnen, doch 23 Jahre danach ist der Blick bei vielen Bürgern nicht mehr emotional verklärt und die Sicht wird frei, auf eine etwas andere Einheit als die der Gedenk- und Festtagsreden.
Unbestritten gab es viele Menschen in diesem Land, die von der Deutschen Wiedervereinigung profitierten und das Leben vieler, wie sie es heute führen, wäre ohne die Einheit nicht denkbar. Ohne Zweifel hat die Einheit ein Regime stalinistischer Betonköpfe und deren verbohrte Ideologie, gepaart mit einem Polizeistaat in deutschester Gründlichkeit, hinweggefegt und viele von ihrer Unterdrückung befreit.
Zwei Dekaden danach darf aber auch festgestellt werden, dass jene, denen die Einheit im Grunde geschuldet ist, nicht jene waren, die sie wollten. Die berühmten Montagsdemonstrationen zu denen ein Volk seine Stimme erhob, die kurzfristig die Anarchie in der DDR brachten und die all ihre Teilnehmer nach geltendem Recht zu Terroristen machten, waren das eigentliche Wunder, die wirkliche geschichtliche Großtat. Der Ruf der Zeit war: „Wir sind das Volk.“
Es ist der Tag der Anarchisten, der Aufrührer und der Volksverhetzer. Das waren die Demonstranten damals im Sinne des geltenden DDR Rechts und als solche sollten sie geehrt werden, denn das sind die wahren Ehrentitel der Geschichte und ein wenig dieser Anarchie stünde dem deutschen Volk auch heute gut zu Gesicht.
Das Volk der DDR erhob sich gegen sein Regime, das es ersetzen wollte, aber es forderte nicht die Einheit. Der Gedanke der Einheit wurde in Bonn geboren. Herr Kohl als gelernter Historiker sah eine Hintertür aus seiner verkorksten Kanzlerschaft und tauschte die absehbar kommende Bundestags-Wahlniederlage gegen einen Eintrag ins Geschichtsbuch. Als die Mauer fiel, stürmten die Menschen ein Menschen verachtendes Bauwerk, welches sie einsperrte, als Beweis ihrer gewünschten Freiheit und man musste die Geschichtsbücher schon selber schreiben, um darin später darin lesen zu können, dass dies ein völkerrechtlicher Wiedervereinigungswille war.
Der Wille zur Einheit kam auf, als die Bundesregierung jeden DDR Bürger mit Begrüßungsgeld lockte und die DM für alle versprach. Dies mündete in einem zur Einheit angepriesenen völlig unrealistischen Umtauschkurs von Ost – zur West Mark. Die DM war der Antrieb zur Einheit. Die DDR wurde mit einem Blanko – Scheck gekauft. Völkerrechtlich lassen sich die Ereignisse von damals nicht als Wiedervereinigung beschreiben, sondern waren die bedingungslose Kapitulation der DDR vor der Wirtschaftsmacht der BRD. Es folgte auch kein Zusammenschluss zweier Staaten, wie das Wort Wiedervereinigung vermuten lassen würde und die eine verfassungsrechtliche Grundlage zu einem vereinten Deutschland hätte bilden können, sondern die Selbstauflösung der DDR mit anschließender völliger Assimilation durch die BRD.
Der zwingende Auftrag in unserem Grundgesetz, uns im Falle einer Wiedervereinigung eine neue Verfassung zu geben, wurde durch die Benennung als Beitritt und damit als Verneinung der Wiedervereinigung seitens der Bundesregierung rechtswidrig ignoriert und das deutsche Volk somit um eine freibestimmte Verfassung betrogen.
Weder das Völkerrecht noch der Wille eines Volkes führten zur Wiedervereinigung, da sich keine Staaten vereinigten, sondern ein Staat von einem anderen geschluckt wurde, mit der Folge, dass der eine verschwand, während der andere größer wurde. Vereinigung geht anders.
Heute, 23 Jahre und viele Billionen Euro Hilfszahlungen später ist es wieder das Geld, das die Gewinner und Verlierer der Einheit bestimmt. Viele erinnern sich noch an die große Einheitslüge des ebenso großen Einheitskanzlers, dass die Einheit niemanden auch nur einen Pfennig kosten und in wenigen Jahren zu blühenden Landschaften führen werde.
Die Einheit führte zur Treuhand, dem wohl fatalsten Wirtschaftskonstrukt, welches in diesem Lande je erdacht wurde. Eine gesamte Volkswirtschaft wurde nach einer Art Auktionsregelwerk meistbietend verhökert. Frei nach dem Motto: “Alles muss raus.” Leider hatte dieser scheinbar geniale Entwurf der staatlichen Ausbeutung nach den Regeln des Raubtierkapitalismus niemanden erdacht, der die Treuhand kontrollieren konnte oder auch nur wollte. Während die Filetstücke der ehemals “Volkseigenen Betriebe” und Immobilien innerhalb eines handverlesenen Kreises in AG`s umgewandelte wurden, zu Kursen und Bedingungen, die auch dem gierigsten Erzkapitalisten die Schamesröte ins Gesicht trieb, wurde der größte Teil nach westlichem Standards für Ramsch befunden und mit Bausch und Bogen abgewickelt.
Unzählige Existenzen wurden, ohne mit der Wimper zu zucken, vernichtet und ein ganzes Volk für dumm und rückständig erklärt. Wenn der politische Wille dies nicht aktiv verhindert hätte, hätte es in den 90er Jahren eine gewaltige Flut von zivil- und strafrechtlichen Klagen gegeben. Die Einheit war auch, dass die Bundesrepublik, angeführt von ihrer Regierung, in Goldgräberstimmung nach Gottkönig – Manier durch den “wilden Osten” zog und jegliches rechtliche oder wirtschaftliche Fehlverhalten mit Legislativen Korrekturen legitimierte. Es war die mittelalterliche Plünderung des Besiegten mit modernen Methoden unter einem Namen, der zum Synonym für Existenzen vernichtendes Missmanagement wurde. Die Treuhand als Betriebsleiterin der wirtschaftlichen Umsetzung der Einheit.
Die Einheit war der Grund für den ersten großen Sozialabbau in diesem Land. Sie kostete Billionen Euro, eine Summe die sich weiterhin erhöht, da voraussichtlich noch bis 2019 Monat für Monat Milliarden in die neuen Bundesländer transferiert werden. Sie war auch der Grund für die Zwangseinführung des Euro. Ohne das Versprechen seiner Einführung hätten Großbritannien und Frankreich ihre damals als Siegermächte notwendige Zustimmung verweigert. Eine Folge der Einheit ist auch noch heute, dass verarmte westdeutsche Kommunen Kredite aufnehmen müssen, dessen Zinsen sie nicht zahlen können, um schuldenfreien und wohlhabenden ostdeutschen Kommunen das Geld zu überweisen. Ergebnis der Einheit ist auch, dass ostdeutsche Kleingemeinden über Infrastrukturen verfügen, die manche westdeutsche Großstadt bräuchte, aber nicht hat, da sie aufgrund des Geldmangels zusammengebrochen ist.
Politiker kritisieren gerne die immer noch in den Köpfen der Menschen vorhandene Teilung, in Ost und West. Ein Umstand, der gerade durch die Politik aufrechterhalten wird, da in den neuen Bundesländern auch heute noch nicht, und das per Gesetz genehmigt, gleiche Löhne oder gleiche Renten wie in den Westlichen Bundesländern gezahlt werden. Die Neuen Bundesländer sind heute das Armenhaus der Republik und werden von den westlichen Bundesländern alimentiert.
Die Dämagogisierung alles „sozalistischen“ durch die Bundesregierung zur und nach der Einheit ist eine von der politischer Seite gewünschte Erblast der Wende, die gerade heute nach der Bundestagswahl immer noch verhindert, dass den politisch „linken” Fraktionen der Einfluss gewährt wird, der ihnen als stärkstes politisches Lager in Deutschland zustehen würde. Die Politik manifestierte ein Feindbild, anstatt sich mit ihm inhaltlich auseinander zu setzen. Dieses Land hatte die Chance neutral zu werden und mit Schweden und der Schweiz eine neutrale Achse in Europa zu bilden, die sicher um vieles Friedenserhaltender gewesen wäre als das Bekenntnis zu einem Bündnis, dessen Zwang zur Solidarität heute deutsche Soldaten in Afghanistan sterben lässt. Auch diese vergebene Chance ist kein Ruhmesblatt im Blick auf die Einheit.
Die Einheit begann in einem bewundernswerten Aufstand der Bürger der DDR und wurde von westdeutschen Politikern zum Zwecke der Mehrung von Macht und Ruhm instrumentalisiert, auf Kosten eines ganzen Volkes und insbesondere derer, die sie einst ermöglichten. Die Wiedervereinigung war nicht der Wille des deutschen Volkes, wurde es aber durch Täuschung, List und Lüge. Die Einheit war kein Ruhmesblatt und wird es auch wohl nicht werden, solange sie Teil einer Selbstbeweihräucherung der Vita machtpolitischer Größen ist.
Der Tag der Deutschen Einheit ist ein Feiertag, aber er ist kein Tag zum Feiern. Er sollte ein Tag des Gedenkens an die vielen Chancen sein, die unsere Wiedervereinigung mitsichbrachte und die in bemerkenswerter politischer Kurzsichtigkeit ungenutzt verstrichen.
Ich verbleibe in diesem Sinne
Heinz Sauren
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