Die Pleitegeier haben Hunger

Von Ulrich Schlüer, Chefredaktor «Schweizerzeit»

Mit dem Abgeltungssteuer-Abkommen hätte Deutschland von der Schweiz alljährlich hohe Milliardenbeträge erhalten: Steuern auf Anlagen von Deutschen bei Schweizer Banken. Deutschlands Länderkammer hat dieses Abkommen – gegen den Willen der Regierung – zu Makulatur erklärt.

Zu verantworten hat diesen Entscheid die Gefolgschaft dessen, der sich für den Posten des Steuerhöllen-Kommandanten in unserem nördlichen Nachbarland bewirbt, also der verhinderte Kavallerie-Oberst.

Unbegründete Forderungen

Kaum lag das vom deutschen Finanzminister bereits unterzeichnete Abkommen im Papierkorb, meldete sich aus Brüssel der «Kommissar mit der leeren Kasse», Algirdas Semeta, verantwortlich für die EU-Steuerpolitik: Die Schweiz müsse neue Milliarden in den EU-Kohäsionsfonds (Entwicklungshilfe an EU-Neumitglieder) leisten. Und mit dem Trittbrettfahren bezüglich Schuldentilgung im EU-Süden sei es auch vorbei, meint dieser Steuereintreiber der Euro-Pleitiers.

Aus Sicht der EU-Kommission ist sein Fordern nachvollziehbar, nachdem die EU mit dem sogenannten Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM) «eine Art Gewährträger-Haftung» (Prof. Hans-Werner Sinn, München), also eine faktisch unbeschränkte Haftung der noch leidlich intakten EU-Nordländer für all die gähnenden Schuldenlöcher nicht nur der faktisch bankrotten EU-Südländer, vielmehr auch für deren völlig ausgehöhlte Banken verordnet hat. Das daraus resultierende, gnadenlose Melken der Steuerzahler im EU-Norden wurde möglich, als sich das neuerdings sozialistisch regierte, ebenfalls dem Staatsbankrott entgegentaumelnde Frankreich auf die Seite des überschuldeten Südens schlug und die Zahler-Länder innerhalb der EU damit in die Minderheit versetzte. Die Pleitiers haben dort jetzt die Mehrheit, die noch Vermögenden haben nur noch zu bluten.

Die Schuldner haben die Mehrheit

Dass die Einrichtung dieses automatischen Melk-Mechanismus all jene EU-Verträge bricht, welche die Stabilität des Euro eigentlich zu garantieren hätten und die Schuldenabwälzung von Liederlichen auf Solide schlicht verbieten würden – darüber schauen alle Potentaten innerhalb der EU heute einfach hinweg. Geprellt sind schliesslich «bloss» die Steuerzahler. Das, was früher «Recht» war, ist auf EU-Ebene gestorben. Es regiert – um des elementaren Überlebens willen – die nackte Geldgier.

Dass all jene Banken, die an der Manipulation des Libor-Zinssatzes beteiligt waren, mit hohen Bussen belegt werden, ist gewiss angemessen. Dass aber die weltweit derzeit schlimmsten Zinsmanipulatoren straflos bleiben – jene, welche im Euro-Land heute zwecks Vermeidung von Staats- und Bankpleiten die «Zinsnullung» allein mit politischen Machtmitteln durchsetzen – das allerdings ist mehr als ein Skandal. Denn mit dieser skrupellosen Zinsmanipulation werden Aberdutzende Pensionskassen, Aberdutzende von in jeder Beziehung korrekt geschäftenden Lebensversicherungs-Gesellschaften, die beide existentiell auf das Funktionieren der Marktgesetze im Zinsgefüge angewiesen sind, in den Ruin getrieben. Mit desaströsen Folgen für Millionen von Pensions- und Rentenberechtigten.

Kapitulation vor reiner Willkür?

Angesichts solch vorsätzlicher Rechts-Aushöhlung durch den EU-Machtapparat sind Ergebenheitsbekundungen gegenüber Brüssel, wie sie derzeit wieder einmal Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz schlagzeilenträchtig verbreitet, nichts anderes als Rückenschüsse zum Schaden der Schweiz. Wer heute vor Pleitegeiern zur Kapitulation rät, erreicht nichts anderes als diejenigen erreicht haben, die früher – genauer: vor 220 Jahren – glaubten, mittels kritiklosem Anhimmeln von Napoleon dessen Gier auf den Staatschatz zu Bern besänftigen zu können.

Kopflose Kostenübernahme

Nicht minder einfältig verhält sich die Schweizer Landesregierung, wenn sie dem notorisch abmachungsbrüchigen Italien im Widerspruch zu dutzendfach getroffenen Vereinbarungen jetzt alle Zufahrtsstrecken zum Neat-Eisenbahntunnel bezahlen will. Leistet die Schweiz diese Zahlung, wird sie Italien mit Sicherheit auch die Züge bezahlen müssen, die dereinst auf diesen Zufahrtsstrecken fahren sollen. Und Italien wird so impertinent sein, von der Schweiz schliesslich auch noch die «Lieferung» von Passagieren für diese Züge zu verlangen – auf dass Bern schliesslich auch noch das aus den Zufahrtslinien resultierende Betriebsdefizit angehängt werden kann. Wer die Einhaltung getroffener Vereinbarungen, beidseitig unterzeichneter Verträge nicht einzufordern wagt, mutiert zum lächerlichen Zahl-Onkel – offenbar ein Ziel gegenwärtiger bundesrätlicher Europapolitik.

Die angemessene Antwort

Die Rückweisung des Abgeltungssteuer-Abkommens durch die deutsche Länderkammer lässt nur eine Antwort zu: Die Schweiz hat sachlich festzustellen, dass sie Deutschland mit diesem Vertrag sehr bedeutende jährliche Zahlungen zugesichert hat, dass die deutsche Regierung dieses Angebot akzeptiert und als ausgewogen anerkannt und den dazu gehörigen Vertrag unterschrieben hat. Wenn ihn Deutschland nachträglich verwirft, dann gilt nichts anderes als das heute geltende Recht, womit Deutschland auf die ihm angebotenen Milliarden Schweizer Franken eben verzichtet. Ein Grund, aus diesem mutwilligen Nein irgend etwas zu fordern, besteht weder von Seiten Berlins noch von Seiten Brüssels. Die Schweiz hat keinen geltenden Vertrag gebrochen. Sie hat im Gegenteil ein sehr grosszügig dotiertes Angebot unterbreitet, das Deutschland aber schliesslich verworfen hat. Wer glaubt, daraus erpresserische Forderungen ableiten zu können, dem gegenüber ist jegliche Subventionierung des Gütertransitverkehrs durch die Schweiz zu streichen.

Die Schweiz ist weder Bittsteller noch auspressbare Zitrone.

Ulrich Schlüer

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