1994 – 2014: Zwanzig Jahre Großoffensive gegen den Sozialstaat

1994 – 2014: Zwanzig Jahre Großoffensive gegen den Sozialstaat

Von Reiner August Dammann (neopresse)

Eine Steuerung der Weltpolitik durch interessierte Kreise nachzuweisen ist nicht schwer. Man braucht dazu keine geheimen Kenntnisse über gediegene Verschwörungen, keine Whistleblower, keine Bekenntnisse von Aussteigern – die Fähigkeit des Lesens und die Beherrschung von Grundrechenarten reichen dazu vollkommen aus. Es ist mir manchmal peinlich, zu erwähnen, dass ich schon Ende der neunziger Jahre vor Hartz IV gewarnt habe – zu einer Zeit, zu der noch nicht mal Peter Hartz selbst davon wusste: ich ich kann halt lesen und beherrsche die Grundrechenarten, kann also eins und eins zusammenzählen ohne einen Taschenrechner zu benutzen oder einen Experten zu Rate zu ziehen.

Ein Beispiel? Bitte schön – hier:

“Die Bereitwilligkeit der Arbeiter, eine schlecht bezahlte Beschäftigung anzunehmen, hängt zum Teil von der relativen Großzügigkeit der Arbeitslosenunterstützung ab … Es besteht in allen Ländern Anlass, die Dauer des Anrechts auf Unterstützung zu verkürzen, wenn sie zu lang ist, oder die Bedingungen für ihre Gewährung zu verschärfen”.

(Weltbank, World Development report, workers in an integreting world, Oxford Universitiy Press, 1995, gefunden bei Viviane Forrester, Der Terror der Ökonomie, Paul Zsolnay Verlag, Wien 1997, Seite 132).

Was ist danach geschehen? Das Erfolgsmodell soziale Marktwirtschaft wurde abgeschafft – gegen alle Widerstände und mit Methoden, die wir allenfalls in raffinierten Kriminalfilmen als Realität akzeptieren würden.

Hören wir zu dem Thema mal den Weltwährungsfonds:

“Die von den Auswirkungen der Politik auf die Verteilung der Einkommen hervorgerufenen Befürchtungen dürfen die europäischen Regierungen nicht davon abhalten, mutig eine grundlegende Reform des Arbeitsmarktes zu betreiben. Die Lockerung des Arbeitsmarktes erfolgt über die Umgestaltung der Arbeitslosenversicherung, des gesetzlichen Mindestlohnes und der Vorkehrungen zum Schutz der Arbeit”.

(Bulletin des Weltwährungsfonds, 23.5.1994, zitiert bei Forrester, a.a.O., Seite 133).

Das ist formuliert wie eine Dienstanweisung – und wurde auch durchgeführt wie eine Dienstanweisung. Das Ergebnis sehen wir 20 Jahre später: der europäische Niedriglohnsektor erlaubt international agierenden Konzernen enorme Gewinne, da sie Qualitätsarbeit zu Dumpinglöhnen produzieren können – der gesamte europäische Wirtschaftsraum wurde dadurch destabilisiert, die Eurokrise wurde geboren, noch bevor der Euro eingeführt wurde.

Man fordert die Politiker auf, “mutig” Reformen durchzuführen – ohne Rücksicht auf persönliche Konsequenzen. Die “Mutigen” aus Deutschland haben danach erstaunliche Entwicklungen durchlaufen.

Die Süddeutsche Zeitung beschreibt den erkennbaren Gezeitenwechsel wie folgt:

Ex-Regierungschef Schröder steht für einen neuen Politikertypus, der nach dem öffentlichen Amt großes Geld bei Konzernen macht. Einer, der die vielen schönen Kontakte kapitalisiert. Und so hat sich der SPD-Politiker weit entfernt von seinen Anfängen in ärmlichen Verhältnissen. Groß auch der Kontrast zur Einkommenswelt der Empfänger von Hartz IV – jener Forder-und-Förder-Konstruktion, die Schröder und seine rot-grüne Regierung einst geschaffen hat.

Ein neuer Politikertypus, der – wie der zitierte Artikel im Folgenden ausführt – auch schon mal 50000 Euro für nicht gehaltene Vorträge von der Deutschen Bank bekommt.

“Leistung soll sich wieder lohnen” – das hatte man ja gelernt … und scheint sich auch bei Nichtstun bezahlt zu machen. Lohnt sich auch sonst – wie die FAZ in einem Artikel berichtet, in dem es um die Zusammenarbeit von Gerhard Schröder mit der Rothschild-Bank geht.

Es ist inzwischen auch hierzulande nicht mehr ungewöhnlich, daß Banken das Netzwerk und die Expertise von Politikern anzapfen . Lothar Späth ist Deutschlandchef der Investmentbank Merrill Lynch, die Citigroup hat unlängst den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement als Berater verpflichtet, und die Deutsche Bank hat den vormaligen Finanzstaatssekretär Cajo Koch-Weser zum Vice Chairman bestellt.

Schröders Vorgänger als Bundeskanzler Helmut Kohl war mehrere Jahre Beiratsmitglied der Credit Suisse. Wim Kok, der langjährige Regierungschef der Niederlande, sitzt in den Aufsichtsräten von ING Group, Royal Dutch Shell, TNT und KLM.

Natürlich möchte ich keinem der genannten Politiker vorwerfen, sie seien in irgendeiner Weise korrupt oder bestechlich. Ich wundere mich auch nicht über die denkwürdige Karriere eines einstigen grünen Steineschmeißers, der heute eine ganz besondere Firma sein eigen nennt, siehe Joschka Fischer & Company:

Die Joschka Fischer & Company GmbH wurde von Joschka Fischer und Dietmar Huber im Jahr 2009 gegründet und arbeitet im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit der Albright Stonebridge Group in Washington, D.C. zusammen.

Die Albright Stonebridge Group wird geleitet von der Ex-US-Außenministerin Madelaine Albright, die bekannt dafür ist, dass sie die 500 000 in Folge des Embargos gegen den Irak gestorbenen Kinder als “akzeptablen Preis” ansah (siehe Fembio). Wie Joschka Fischer hat sie einen Beratervertrag bei BMW (siehe Spiegel) und Siemens (siehe Spiegel).

Ebenso traf man beide bei dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Deutschlands gegen Jugoslawien, einem Bombenkrieg, der ebenfalls eine Zeitenwende darstellte – in vielerlei Hinsicht, siehe Wikipedia:

Es wurden etwa 650 Ortschaften beschädigt oder zerstört, darunter historisch wertvolle Bausubstanz.In der Bundesrepublik Jugoslawien wurde durch die massiven Luftangriffe der NATO neben der gezielten Bombardierung von Regierungsgebäuden, Industrieanlagen, Objekten der Transport-, Telekommunikations- und Energie-Infrastruktur sowie aller militärischen Installationen ebenfalls eine Vielzahl von Gebäuden zerstört, darunter historisch wertvolle.Die Gesamtzahl der Todesopfer durch die Bombardierung der Bundesrepublik Jugoslawien wird auf 3.500 Menschen geschätzt; etwa 10.000 Menschen sollen verletzt worden sein.

Die neue Qualität – ganz im Sinne einer Frau, die 500 000 tote Kinder für akzeptabel hält? Man führt gezielt Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Was geschieht, wenn man gezielt Chemiefabriken in Wohngebieten angreift, beschrieb das Greenpeace-Magazin:

Die Schwaden aus den brennenden Fabriken hüllten Pancevo in eine Giftwolke, die noch am nächsten Morgen die Sonne verdunkelte. Sie enthielt einen ätzenden Cocktail aus Salzsäure, VCM, Schwefeldioxid und dem Nervengas Phosgen. Schwangeren Frauen empfahlen Ärzte hinter vorgehaltener Hand die Abtreibung, weil sonst womöglich missgebildete Kinder drohten. Die übrigen sollten tunlichst zwei Jahre lang Schwangerschaften vermeiden.

So etwas hat jener neue Politikertypus zu verantworten, den die Süddeutsche ausgemacht hat.

Während der Bombennächte aber waren die Giftkonzentrationen teilweise derart hoch, dass Ursula Stephan von „chemischer Kriegsführung mit konventionellen Waffen“ spricht. „Die Gesundheitsschäden werden sich zum Teil erst in vielen Jahren zeigen.“ In der PVC-Fabrik von Pancevo trafen die Bomben Tanks mit hochgiftigem Chlorgas.

Man bedient sich auch wieder des klassischen Giftgases gegen die Zivilbevölkerung – ebenfalls eine Zeitenwende.

Aktuell meldet sich der schon erwähnte Gerhard Schröder im neuen Krimkrieg zu Wort, siehe Süddeutsche:

Er selbst habe als Kanzler beim Jugoslawienkonflikt ebenfalls gegen das Völkerrecht verstoßen. “Da haben wir unsere Flugzeuge nach Serbien geschickt, und die haben zusammen mit der Nato einen souveränen Staat gebombt – ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte.”

Man merkt es deutlich: Zeitenwende. So etwas kann man heute machen, wenn man zum untereinander bestens vernetzen Exekutivpersonal einer internationalen Reformbewegung gehört, einer Reformbewegung, die nun gerade die Ukraine vereinnahmt – nach einem Muster, das altbekannt scheint und schon mehrfach durchexerziert wurde.

Das alles geschieht ganz offen und unverdeckt – und ist schon sehr lange bekannt. Hören wir dazu den 1870 gestorbenen Revolutionär Alexander Herzen (aus: Thomas Hartmann, Unser ausgebrannter Planet, Riemann Verlag, 2000, Seite  64):

Sklaverei ist der erste Schritt zur Zivilisation. Um sie zu entwickeln, müssen die Lebensbedingungen für einen Teil der Menschheit wesenlich besser sein also für den Rest der Bevölkerung, damit sich dann diejenigen, denen es besser geht, auf Kosten der anderen entfalten können.

Das ist der Zweck der seit 1994 laufenden und von der Weltbank angekündigten Großoffensive der Nato: die Wiederbelebung moderner Formen der Sklaverei.

Ja – das ist das, was die “Reformen” beabsichtigen: immer mehr Arbeitsleistungen für immer weniger Geld einzufordern, letztlich sogar das ganze Leben zu vereinnahmen, ohne auch nur einen Cent dafür zurückzugeben: so macht man Rendite, so beglückt man “Märkte”.

Völkerrechte, Menschenrechte, Bürgerrechte, Menschenleben – alles egal.

Vielleicht hätten wir John Buchan besser zuhören sollen, eine illustrie Persönlichkeit mit viel Lebenserfahrung als Nachrichtenmann von Reuters, Geheimdienstmitarbeiter oder britischer Generalgouveneur von Kanada, der 1940 an den Folgen eines Schlaganfalls verstarb (hier zitiert bei Hartmann, a.a.O., Seite 49)

Die Zivilisation ist eine Verschwörung … Das moderne Leben ist eine stillschweigende Übereinkunft wohlhabender Menschen, den Schein zu wahren.

Und so langsam ist ihnen der Schein egal, so langsam ist ihre Machtfülle so groß, dass sie ohne zu zögern Giftgas gegen schutzlose Zivilisten einsetzen, 500 000 Kinder verrecken lassen oder ganz offen Völkerrecht durch Angriffskriege brechen. Langsam … hat sich die stillschweigende Übereinkunft der wohlhabenden Menschen geändert.

Und wir Bürger?

Echauffieren uns stets aufs Neue über seltsame Erscheinungsformen in der Politik, über einen CDU-gesteuerten Boxer, der in der Ukraine Stimmung macht, über Medien, die selbst für grobe Deppen erkennbar einseitig über den Krimkrieg informieren, über mutmaßlich externe Scharfschützen, die – wie einst auch im Kosovokonflikt – die Stimmung richtig anheizen … oder über scheinbar wunderbare Wendungen der ukranischen Opposition, siehe Süddeutsche Zeitung, die über die Einsetzung ukraninischer Oligarchen in Regierungsämter berichtet:

Die Einsetzung dieser Männer war eine Sensation. Die ukrainische Revolution nämlich hatte vor allem anderen unter der Parole „Gangster weg“ gestanden. Ihre Zähigkeit war von einem tiefsitzenden Hass der Menschen auf die „Oligarchen“ genährt worden, auf die Milliardäre dieses bitterarmen Landes, von denen hier mancher vermutet, dass sie ihre Vermögen durch Betrug, im schlimmsten Fall durch Mord und Totschlag an sich gerissen haben. Sie fortzufegen war ein Hauptziel des Protestes. Fast noch überraschender als der Brückenschlag der Revolution zu den Oligarchen selbst war, wie mucksmäuschenstill das revolutionäre Fußvolk diese Ernennungen hinnahm.

So mucksmäuschenstill, wie wir als Westbürger die laufende Großoffensive gegen sämtliche sozialen Errungenschaften der letzten hundertfünfzig Jahre hinnehmen, die teils noch durch kaiserlichen Willen in Kraft traten – wie sind da nicht besser als das Volk der Ukraine.

Genauso wie sie setzen wir Informationen nicht mehr zusammen, lesen wenig und fragen auch bei kleineren Rechenoperationen lieber Experten, anstatt unsere Vernunft zu gebrauchen.

Und wer bezahlt nochmal diese … “Experten”?

PS: es gibt keine Quelle mehr zum Einsatz internationaler Söldner zwecks Anheizung eines Angriffskrieges in Jugoslawien. Laut eines ZDF-Berichtes – dem ich vor über zehn Jahren in einem Hotelzimmer lauschen durfte – gab es einen spanischen Journalisten, der behauptete, über Beweise zu verfügen, dass intenationale Waffenhändler (wie z.B. jener, den Uwe Barschel vor seinem zweifelhaften “Selbstmord” besuchte)  Söldner nach Jugoslawien geschickte hatten, um dort einen Krieg anzuzetteln. Sie griffen als Serbern verkleidet Kroaten an – und umgekehrt, bis die Maschinerie richtig lief. Der Journalist verschwand während einer Bootstour im Mittelmeer.

 

(Visited 14 times, 1 visits today)
1994 – 2014: Zwanzig Jahre Großoffensive gegen den Sozialstaat
0 Stimmen, 0.00 durchschnittliche Bewertung (0% Ergebnis)

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*