EU kalkuliert Schäden und fürchtet um Gastransit

Andrei Fedjaschin (Stimme Russlands)

STIMME RUSSLANDS Das russische Nahrungsmittel-Embargo betrifft europäische Exporte im Gesamtwert von rund zwölf Milliarden Euro, kalkulierte die Statistikbehörde Eurostat. Am Donnerstag versammeln sich Agrarexperten in Brüssel. Sie wollen einen Weg finden, um den Markt zu stabilisieren.

Manche EU-Mitgliedstaaten, die sich besonders eifrig für antirussische Sanktionen eingesetzt haben, erwägen nun Klagen gegen Moskau bei der Welthandelsorganisation WTO. Doch, betont der russische Außenminister Sergej Lawrow, war es die EU-Spitze, die Russland zu diesen Gegenmaßnahmen faktisch gezwungen hat.

Die direkten Verluste europäischer Hersteller im Agrarbereich sind nur Teil des Problems. Zehntausende Agrarbetriebe, die mit dem Export nach Russland nicht direkt zu tun haben, müssen sich nach Angaben des britischen Magazins „Farmers Weekly” ebenfalls auf Verluste gefasst machen. Denn Obst und Gemüse, die nicht mehr nach Russland dürfen, sollen auf den EU-Markt kommen. Das kann einen Preissturz verursachen und die Hersteller dadurch benachteiligen. Andererseits prognostiziert der „Daily Telegaph“ eine Verteuerung von Weizen in Großbritannien, was sogar auf ein Brot-Defizit hinauslaufen könnte.

Der russische Finanzexperte Sergej Chestanow sagt, der „Krieg der Sanktionen“ werde dem russischen Lebensmittelmarkt zwar auch schaden – aber nur für eine relativ kurze Zeit:

„Weltweit gibt es keinen Mangel an Nahrungsmitteln. Eher mangelt es an Absatzmärkten. Viele Länder würden ihre Lebensmittel gerne an Russland liefern. Fleisch kann aus Lateinamerika kommen, Obst und Gemüse aus Serbien und der Türkei. Russland produziert beispielsweise zu viel Getreide für Futterzwecke und kann diesen Überschuss gegen etwas tauschen, was das Land im Moment braucht.“

Die EU sucht hektisch nach Methoden, um die negativen Folgen der russischen Gegensanktionen zu dämpfen. Der polnische Botschafter in den USA, Ryszard Schnepf, forderte, den amerikanischen Markt für polnische Äpfel zu öffnen. Washington ignorierte aber seine Argumente. Die Finnen beschlossen unterdessen, die für Russland produzierten Fleisch- und Milchwaren auf den finnischen Binnenmarkt zu bringen.

Die EU-Spitze versucht, Lateinamerika und Asien davon abzubringen, für Europa einzuspringen und Russland mit Agrarprodukten zu beliefern. Wie die „Financial Times“ berichtete, wurden die Botschafter der EU in Brasilien, Chile, Argentinien und Uruguay beauftragt, auf die dortigen Entscheidungsträger einzureden. Das Blatt kritisiert diese Bemühungen als nicht ganz fair und kaum wirksam.

Um den USA einen Gefallen zu tun, kündige auch die Regierung in Kiew ihre eigenen Sanktionen gegen Russland an. Der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk drohte, den Transit aller russischen Ressourcen über die Ukraine zu verbieten. Gemeint waren offensichtlich die Gaslieferungen. Diese Erklärung stieß in Europa allerdings kaum auf Begeisterung. Europäischen Zeitungsberichten zufolge wurde dem ukrainischen Regierungschef inoffiziell empfohlen, sich von der Transitpipeline fernzuhalten. Die deutschen Giganten RWE, E.ON und Wintershall sowie das slowenische Unternehmen SPP wollten die Drohung von Jazenjuk nicht einmal kommentieren.

Dmitri Danilow vom russischen Europa-Institut sagt, es gehe nicht bloß um einen Krieg der Sanktionen, sondern um eine geopolitische Umorientierung Russlands und der EU. Europa könne Russland als verlässlichen strategischen Partner verlieren:

„Russland muss erneut eine ‚Festung‘ bauen, um sich zu verteidigen. Es geht dabei nicht nur um Kampfjets um Atomwaffen, sondern auch um wirtschaftliche Methoden. Russland muss neue Partner suchen und finanziell stärker werden. Dieser Konflikt wird Europa nicht nur im Sinne seiner Beziehungen mit Russland schaden, sondern auch im Hinblick auf seine Positionen in der Welt.“

Zu Schaden kommen nicht nur EU-Mitglieder. Norwegen hat beispielsweise Nahrungsmittel im Wert von 1,2 Milliarden US-Dollar an Russland geliefert und muss nun darauf verzichten. Weitere Großlieferanten waren die USA (844 Millionen Dollar), Kanada (374 Millionen Dollar) und Australien (182 Millionen Dollar). Im Gegenzug drohte Australien übrigens, kein Uran an Russland zu liefern. Moskau reagierte erstaunt, denn die russischen Uran-Vorräte reichen für 250 Jahre aus.

 

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