Die Angst der Systemparteien wächst

Deutschland

Vor einer Woche ist in der Zeit ein Artikel erschienen, der zeigt, wie die Angst der transatlantischen Systemparteien wächst.

Quelle: anti-spiegel

Am 19. November hat die Zeit einen Artikel mit der Überschrift „Krieg in der Ukraine – Was, wenn Russland gewinnt?“ veröffentlicht, der von zwei transatlantischen Lobbyisten geschrieben wurde. Nico Lange ist bei der Münchner Sicherheitskonferenz für die von Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ verantwortlich und Carlo Masala ist Professor an der Universität der Bundeswehr. Es handelt sich bei den Autoren also um transatlantische Falken, was den Inhalt des Artikels vorhersehbar macht.

Allerdings wurde der Artikel von weiteren Veröffentlichungen transatlantischer deutscher Thinktanks begleitet, über die die Medien ebenfalls berichtet haben, was auf eine geplante Medienkampagne hindeutet. Der Grund für die Medienkampagne sind offenbar die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr, die am 9. November veröffentlicht wurden und wir erinnern uns, dass der deutsche Verteidigungsminister Pistorius danach medienwirksam forderte, nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die deutsche Gesellschaft sollten „verteidigungsfähig“ sein. Die deutsche Öffentlichkeit soll kriegsbereit gemacht werden, verlangt das Bundesverteidigungsministerium.

Diese Kampagne des Bundesverteidigungsministeriums wird von den deutschen Medien, die angeblich unabhängig von der Regierung sind, gehorsam unterstützt und der Artikel in der Zeit war nur einer von vielen, die im November zur Unterstützung der Kampagne erschienen sind.

Ein russischer Analyse hat sich das noch genauer angeschaut und seine Analyse wurde bei der russischen Nachrichtenagentur RIA veröffentlicht. Da ich sie sehr treffend und lesenswert finde, habe ich sie übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

„Was, wenn Russland gewinnt?“, fragt die deutsche Zeitung Zeit

Wenn Russland in der Ukraine gewinnt (und die Zeit-Autoren sprechen sogar von einem Sieg, wenn wir die Kontrolle über die neuen Gebiete behalten), wird dies „das Ende der liberalen Weltordnung und der Beginn der autoritären Weltordnung“ sein. Aber das sind allgemeine Worte, und Nico Lange (ein ehemaliger Beamter des Verteidigungsministeriums) und Carlo Masala (Professor an der Universität der Bundeswehr in München) wollen ihren Mitbürgern wirkliche Angst einjagen. Nicht nur, indem sie sagen, dass „das Leben in Deutschland unsicherer, ärmer und einsamer“ wird, sondern auch, indem sie beschreiben, was auf die Niederlage der Ukraine folgen wird. Nämlich eine „neue russische Aggression“:

„Die Sirenen heulen. Warnsignale ertönen tausendfach auf Handys. Luftalarm in München, Frankfurt und Berlin. Marschflugkörper und Schwärme von Drohnen dringen in den deutschen Luftraum ein. Seit Tagen löschen deutsche Soldaten Brände in den baltischen Staaten. Als Reaktion auf den russischen Angriff dort hat die NATO den Verteidigungsfall nach Artikel fünf eingeleitet. Russland antwortete mit Raketen. Einige Staaten treten aus der NATO und der EU aus, und der harte Kern im Norden und Osten leistet erbitterten Widerstand. Deutschland ist zerrissen. Hitzige Proteste in vielen deutschen Städten führen zu gewalttätigen Ausschreitungen und die Polizei muss entschlossen eingreifen. Extremistische und populistische Parteien profitieren enorm von dieser Situation, nicht zuletzt weil der Welthandel und die Wirtschaft einbrechen.“

Offenbar in der Befürchtung, dass solche Aussichten nicht alle Deutschen in Angst und Schrecken versetzen, wechseln die Autoren auf die globale Ebene:

„Im indopazifischen Raum greift China seit Wochen Taiwan an. Derweil entscheidet die UNO gegen Deutschland, da viele afrikanische, lateinamerikanische und asiatische Staaten in der Generalversammlung mit Russland und China stimmen.
Klingt das übertrieben? Nein! Wenn Wladimir Putin seinen Angriffskrieg gewinnt, ist dieses Szenario realistisch.“

2014 begann man, den den Europäern Angst vor einem russischen Angriff auf das Baltikum – und die osteuropäischen NATO-Länder insgesamt – zu machen. Seit letztem Jahr ist täglich von der „russischen Bedrohung für Europa“ die Rede. Manchmal wird sogar behauptet, Russland habe Europa bereits angegriffen, denn „die Ukraine ist Europa“, sie muss nur in die EU aufgenommen werden. Aber jetzt hat die „Zeit“ sicherlich einen neuen Höhepunkt der Angstmacherei bei den Deutschen erreicht. Außerdem ist dieser Artikel kein Zufall. Vor seinem Erscheinen wurden neue „verteidigungspolitische Richtlinien“ veröffentlicht, in denen von einer „unmittelbaren Bedrohung der Souveränität und territorialen Integrität Deutschlands“ die Rede ist, wobei der Schwerpunkt auf der Bedrohung der „Sicherheit durch die Russische Föderation“ liegt. Im Anschluss an den Zeit-Artikel wurde auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ein Bericht von zwei Experten des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung veröffentlicht, in dem es ausdrücklich heißt, dass „Deutschland und die NATO ihre Streitkräfte innerhalb von fünf bis neun Jahren in die Lage versetzen sollten, Russland abzuschrecken und notfalls zu bekämpfen“.

Warum der Hype? Werden die Deutschen wirklich auf einen Krieg mit Russland vorbereitet, glauben die transatlantischen Eliten (auch in Deutschland) also wirklich selbst ihre eigene Propaganda über die russische Bedrohung für Europa? Nein, die Schürung der Russophobie hat zwei konkrete Ziele.

Erstens: Obwohl die atlantische Solidarität jetzt zunimmt, sind die europäischen Transatlantiker sogar unsicher über die nahe Zukunft. Wenn Trump in einem Jahr in den USA gewinnt und der Westen auch den Kampf um die Ukraine verliert, beginnt die NATO wirklich zu wanken. Unter diesen Bedingungen werden die Transatlantiker die Hauptlast der Unterstützung der Ukraine auf Europa verlagern müssen – und Deutschland ist hier das entscheidende Glied. Die Deutschen können nicht viele Waffen und Munition liefern (sie haben sie einfach nicht), aber die Bedeutung ihrer finanziellen und politischen Unterstützung wird angesichts des Gewichts Deutschlands in der EU stark zunehmen. Deshalb muss der Grad der Beunruhigung in der deutschen öffentlichen Meinung erhöht werden.

Das zweite Ziel ist es, den wachsenden Einfluss von nicht-systemischen Oppositionskräften zu stoppen, die nicht nur die herrschenden Eliten anprangern, sondern auch den Konflikt mit Russland ablehnen und die „transatlantische Solidarität“, also die Unterordnung deutscher Interessen unter angelsächsische Interessen, kritisieren, nämlich die „Alternative für Deutschland“ und die neue „Sarah Wagenknecht Verbindung“. Aber kann es mit Hilfe der „russischen Bedrohung“ gelingen, die Deutschen dazu zu bringen, sich um die Systemparteien zu scharen?

Nein, denn der Prozess der Zerstörung des derzeitigen Parteiensystems ist bereits sehr weit fortgeschritten. Im Januar wird die Wagenknecht-Partei offiziell gegründet und der deutsche parteipolitische Apparat wird nicht mehr in der Lage sein, zwei starken nicht-systemischen Parteien standzuhalten. Die Umfragewerte der Regierungskoalition sinken weiter: Die drei Parteien zusammen haben bereits nur noch 35 Prozent, also etwas mehr als ein Drittel (die oppositionelle CDU hat 31 Prozent).

Besonders die Freien Demokraten sind abgestürzt – sie balancieren am Rande der Fünf-Prozent-Hürde, was bedeutet, dass sie möglicherweise nicht in den nächsten Bundestag einziehen werden. Vor diesem Hintergrund werden in der FDP die Stimmen immer lauter, die einen Austritt aus der Regierungskoalition fordern, um die Partei zu retten. Auch die Bildung einer großen Koalition aus SPD und CDU ist im Gespräch, aber diese Option wird man sich als letzten Ausweg aufheben. Vorgezogene Bundestagswahlen sind nicht ausgeschlossen, auch wenn nur die AfD sie fordert, die mit 22 Prozent zweitstärkste Partei im Land bleibt. Die Zufriedenheit mit der Arbeit von Bundeskanzler Scholz ist übrigens etwas größer: nur 24 Prozent, also jeder Vierte, ist mit ihm zufrieden. Und wenn die Politiker auf einer Skala von minus fünf bis plus fünf bewertet werden, liegt Scholz bei minus 0,4. Alle wichtigen Minister – von Baerbock bis Linder – und der CDU-Oppositionsführer Merz liegen ebenfalls im negativen Bereich. Von den Systempolitikern liegen nur Verteidigungsminister Boris Pistorius (der wichtigste Star der SPD) und der bayerische Ministerpräsident Söder im Plus. Wenn das keine Vertrauenskrise der Systempolitiker ist, was ist es dann?

Dabei sind die nächsten Bundestagswahlen noch zwei Jahre entfernt. Aber die Chancen, dass die Regierungskoalition bis dahin überlebt, werden immer geringer. Und der außenpolitische Kurs der Regierung Scholz in verschiedenen Bereichen – von der Ukraine bis zum Nahen Osten – untergräbt die Position der Koalition zusätzlich. Eine einfache Ablösung des Kanzlers oder eine Änderung der Koalition wird die Situation nicht verbessern und in etwas mehr als sechs Monaten stehen die Wahlen zum Europäischen Parlament an, die einen weiteren Schlag für das deutsche Parteiensystem bedeuten werden. Sein Hauptproblem ist der Vertrauensverlust bei den Wählern. Und das lässt sich nicht dadurch lösen, dass man versucht, sie mit den katastrophalen Folgen eines russischen Sieges in der Ukraine zu erschrecken, denn die Deutschen machen sich zunehmend Sorgen über eine Niederlage Deutschlands. Und zwar gar nicht wegen Putin, sondern wegen der mangelnden Unabhängigkeit der eigenen Eliten.

Ende der Übersetzung

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