Deutche Exportgeschäfte auf dem Weg zur Autonomie von den USA

German-Foreign-Policy.com (tlaxcala)

Aktuelle Medienberichte legen erstmals US-amerikanische Eingriffe in deutsche Geschäfte mit missliebigen Staaten detailliert offen. Demnach intervenieren US-Behörden direkt bei deutschen Unternehmen, die etwa Finanztransaktionen mit Iran durchführen; dabei hat Washington immer wieder durchgesetzt, dass – in Deutschland legale – Geschäfte eingestellt und zuständige Angestellte und Vorstände entlassen wurden.

Begründet wird dies damit, dass Firmen, die Standorte in den Vereinigten Staaten unterhalten, sich US-Recht zu unterwerfen hätten; dazu zählen auch bilaterale US-Sanktionen etwa gegen Iran. In der Tat gelingt es Washington damit, nationales US-Recht faktisch auf andere Staaten, darunter Deutschland, zu übertragen. Aktuellstes Beispiel sind Überlegungen in Washington, ein Veto gegen die Übernahme des deutschen Chipanlagenbauers Aixtron durch einen chinesischen Konzern einzulegen; darüber soll US-Präsident Barack Obama am heutigen Freitag entscheiden. Die Berichte über die US-Praktiken werden während einer Umbruchphase bekannt, in der Berlin mit Macht EU-Streitkräfte zu bilden sucht, um „strategische Autonomie“ zu erreichen und eine Weltmacht zu werden. Für die ersehnte „Supermacht Europa“ wären anmaßende US-Interventionen in die deutsch-europäische Wirtschaft ein nicht akzeptables Tabu.

Probleme im Iran-Geschäft

Aktueller Hintergrund der erwähnten Berichte ist, dass das deutsche Iran-Geschäft nach dem Abschluss des Nuklearabkommens mit Teheran vom 14. Juli 2015 noch immer nicht im erhofften Maße boomt. Eine wichtige Ursache dafür liegt darin, dass die führenden deutschen Banken sich weiterhin weigern, Handel und Investitionen in Iran zu finanzieren. Dies wäre nach geltender deutscher und internationaler Rechtslage nach dem Ende der Sanktionen zwar ohne weiteres möglich. Doch halten die Vereinigten Staaten an bilateralen Sanktionen fest. Firmen, die in den USA tätig sind, müssen sich danach richten; verstoßen sie gegen bilaterale US-Boykotte, haben sie Strafmaßnahmen aus Washington zu gewärtigen. So musste sich etwa die Commerzbank im März 2015 verpflichten, im Rahmen eines Vergleichs 1,45 Milliarden US-Dollar an die US-Behörden zu zahlen, weil sie mit der staatlichen iranischen Reederei IRISL (Islamic Republic of Iran Shipping Lines) von 2002 bis 2007 Geschäfte gemacht hatte; diese waren sowohl nach deutschem wie auch nach europäischem Recht legal, widersprachen jedoch US-Vorschriften. Faktisch gelingt es Washington mit Schritten wie diesem, das nationale US-Recht auf fremde Länder zu übertragen. Von deutschen Konzernen wurde diese Anmaßung meist zähneknirschend akzeptiert, da das US-Geschäft ihnen herausragende Profite versprach.[1]

Auf der Schwarzen Liste

Die konkreten Praktiken, die Washington dabei anwendet, legen nun Berichte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und des ARD-Magazins Panorama erstmals detailliert sowie unter Rückgriff auf einschlägige Beispiele offen. Eines davon betrifft einen ehemaligen Vorstand der Deutschen Forfait AG, die für Firmen aus Deutschland und anderen EU-Ländern die zuweilen aufwendige Zahlungsabwicklung mit ausländischen Kunden übernimmt. Der erwähnte Ex-Vorstand war bei dem Unternehmen für Iran-Transaktionen zuständig. Seine Tätigkeit wurde von der deutschen Bundesbank überprüft und durchweg als einwandfrei legal eingestuft. Das US-Finanzministerium setzte ihn hingegen auf eine Schwarze Liste von Personen, die der Terrorfinanzierung oder ähnlich gravierender Verbrechen verdächtigt werden. Belege für ihre schwerwiegende Beschuldigung, die der Deutschen Forfait AG Schäden in Höhe von 150 bis 200 Millionen Euro verursacht haben soll, lieferten die US-Behörden nicht. Das deutsche Unternehmen konnte erst wieder unbeeinträchtigt arbeiten, als es sich von seinem beleglos inkriminierten Vorstand getrennt hatte. Dieser ist seinerseits weiterhin Boykottmaßnahmen deutscher Konzerne ausgesetzt, die für ihn – das gilt für die Schenker AG – nicht einmal Transportdienstleistungen durchführen, weil er auf der Schwarzen Liste des US-Finanzministeriums verzeichnet ist.[2]

„Mit dem lieber nicht“

Frappierende Ähnlichkeiten weist ein zweites Beispiel auf. Bei dem Betroffenen handelt es sich um einen ehemaligen Angestellten der Commerzbank, der für die Abwicklung der erwähnten Geschäfte mit der iranischen Reederei IRISL zuständig war. Auch seine Aktivitäten werden als völlig legal eingestuft; Verstöße gegen das Recht der involvierten Staaten sind nie nachgewiesen worden. Dennoch erhielt er im März 2015, als die Commerzbank sich wegen ihrer IRISL-Deals zur Zahlung von 1,45 Milliarden US-Dollar an die Washingtoner Behörden verpflichten musste, die Kündigung. Gegen sie ist er gerichtlich vorgegangen und hat bisher zweimal Recht bekommen; die Richter bestätigten, er sei „wegen des Drucks durch einen Dritten“ gesetzwidrig entlassen worden. Aktuell liegt sein Fall in der Revision beim Bundesarbeitsgericht in Kassel. Seine berufliche Karriere scheint ruiniert. „Potentielle Arbeitgeber … fürchten, dass sie Schwierigkeiten mit den Amerikanern bekommen, wenn mein Name auftaucht“, erläutert der ehemalige Commerzbank-Angestellte: „Da sagen sie sich: ‚Mit dem lieber nicht.'“[3]

Veto aus Washington

Gravierende US-Eingriffe in deutsche Geschäfte erfolgen nicht nur im Fall Irans. Für den heutigen Freitag wird eine Entscheidung über die angestrebte Übernahme des deutschen Chipanlagenbauers Aixtron durch die chinesische Fujian Grand Chip Investment (FGC) erwartet – allerdings nicht in Berlin, sondern in Washington. Dort hat, wie kürzlich bekannt wurde, das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) Einspruch gegen die Transaktion erhoben.[4] Das CFIUS erklärt sich für zuständig, da die deutsche Aixtron in den USA einen Entwicklungsstandort unterhält. Das Gremium wird von US-Regierungsvertretern gebildet, darunter der Nationale Sicherheitsberater; US-Geheimdienste sind mit beratender Funktion vertreten. Wie das CFIUS nun behauptet, müsse die Übernahme abgewehrt werden, da sie die Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährde – die von Aixtron produzierten Anlagen könnten auch zu militärischen Zwecken genutzt werden. Auf Intervention aus Washington hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel seine bereits erteilte Genehmigung für die Übernahme zurückgezogen. Für den heutigen Freitag ist eine Entscheidung des US-Präsidenten angekündigt, ob er auf seinem faktischen Veto beharrt.

Supermacht Europa

Die aktuellen Berichte über die US-Eingriffe fallen in eine umbruchsreiche Zeit. Als vor rund elf Jahren die weltweite Verschleppung und Folter Verdächtiger durch die CIA sowie die Beteiligung staatlicher deutscher Stellen daran bekannt wurden, blieben Konsequenzen weitestgehend aus; Berlin deckte Washington – auch, um seine eigenen Praktiken zu verschleiern.[5] Als vor mehr als drei Jahren die skandalösen NSA-Abhörmethoden ans Licht der Öffentlichkeit gerieten, da suchte Berlin die deutsche Beteiligung zu vertuschen, distanzierte sich jedoch erstmals von Washington („Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“) und ging daran, seine eigenen Geheimdienste systematisch aufzurüsten – mit dem Ziel, langfristig unabhängig von den Vereinigten Staaten zu werden (german-foreign-policy.com berichtete [6]). Aktuell steht die Bundesrepublik inmitten einer Kampagne, die darauf zielt, die EU mit schlagkräftigen Streitkräften auszustatten, die „strategische Autonomie“ und damit erstmals echte Eigenständigkeit gegenüber den USA erlangen sollen.[7] Einer solchen Eigenständigkeit stehen US-Eingriffe in die deutsche Wirtschaft freilich diametral entgegen. Die Bundesregierung hat sich bislang noch nicht zu den Medienberichten über die US-Interventionen bei der Deutschen Forfait AG sowie der Commerzbank geäußert. Der Gedanke, sich auf dem Weg zur „Supermacht Europa“ (Federica Mogherini) [8] derartige Einmischungen offiziell oder doch zumindest über diplomatische Kanäle zu verbitten, da sie nun schon öffentlich thematisiert werden, liegt nicht fern.

Noten

[1] S. dazu Westgeschäfte.
[2], [3] Stefan Buchen, Rainer Hermann: Die Falle schnappt zu. Frankfurter Allgemeine Zeitung 01.12.2016. Stefan Buchen: Imperiales Gehabe: der lange Arm der US-Gesetze. daserste.ndr.de 01.12.2016.
[4] Obama soll über Aixtron-Übernahme entscheiden. Frankfurter Allgemeine Zeitung 21.11.2016.
[5] S. dazu
Die Folterer, Transatlantische Verbrechensausbeute und Abgleiten in die Barbarei (II).
[6] S. dazu
Befreundete Dienste (I), Noch nicht auf Augenhöhe (II) und Vorbild NSA (II).
[7] S. dazu
Die Europäische Kriegsunion, Make Europe great again und Der Schock als Chance.
[8] S. dazu
Die Supermacht Europa.

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