von Heinz Sauren (freigeist)
Demokratie lebt von der Freiheit der individuellen Meinungen ihrer Teilnehmer, der Meinungsvielfalt. Jede facettenreicher die Meinungen innerhalb einer Demokratie vertreten sind, desto freiheitlicher ist sie als Gesellschaftsform aufgestellt.
Demokratie ist kein eigenes Wertesystem, sondern nur die Verwaltungsform zu einem solchen und ihre Widerstandskraft ist direkt von der Ideologie abhängig, der sie als Durchführungsverordnung dient. Ist die zu Grunde liegende Ideologie stark, ist auch die Widerstandskraft der Demokratie gegen extremistische Meinungen und Bestrebungen hoch. Ist aber die durch die Demokratie zu verwaltende Ideologie schwach, verstärkt sich die Neigung der Demokratie, mit nicht demokratischen Mitteln zu reagieren. Der Erfolg einer Demokratie basiert nicht auf ihr selbst, sondern ist zumindest in der westlichen Hemisphäre, an den Erfolg des Kapitalismus, als tragende Ideologie der Demokratie gebunden.
Das Zweckbündnis von Kapitalismus als Ideologie und Demokratie als Verwaltungsform, ist weder ideologisch noch systemisch zwingend, sondern ein direktes Ergebnis der Nachkriegsära und somit als politische Reaktion eines ideologischen Grabenkrieges zwischen einem kommunistischen und einem kapitalistischen Lager, zu verstehen. Demokratie ist auch unter anderen Ideologien denkbar und wurde bereits auch unter anderen Ideologin betrieben. Die Entstehungsform der Demokratie, basierte auf der hellenisch Aristokratie, ihr Durchbruch in der französischen Revolution war radikalsozialistisch und ihren historischen Höhepunkt fand sie im puritanisch-religiösen System der amerikanischen Apartheid des 18.ten Jahrhunderts. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtete bereits zur Zeitenwende von demokratischen Gepflogenheiten der germanischen Barbaren, bei der Wahl ihrer Anführer.
Die Toleranz gegenüber anderen Meinungen, ist der systemisch Grundsatz der Demokratie. Durch diese Toleranz schöpft sie ihre Kraft und doch liegt in ihr auch die größte Gefahr für sie verborgen. Je größer die Anzahl unterschiedlichster Meinungen, desto größer ist zwangsläufig der Anteil an Meinungen darunter, die etwas anderes wollen und nach anderem streben. Die Stärke einer Demokratie lässt sich daran bemessen, wie viele ihr entgegengesetzte Meinungen sie aushält, ohne in Muster zu verfallen, durch die sie den demokratischen Anspruch an sich selbst aufgibt.
Innerhalb demokratischer Gesellschaftsformen ist Extremismus der Teil der Meinungen und Bestrebungen einer Gruppe, der direkt auf die Abschaffung der Wesensmerkmale einer Demokratie gerichtet ist. Entscheidend dabei ist, das die Gruppe nicht systemrelevant ist, denn wäre sie es, würde sie als Mehrheit demokratisch legitimiert und bestimmend sein. Die fehlende Systemrelevanz nimmt den, die Demokratie ablehnenden Meinungen und Bestrebungen, die tatsächliche Möglichkeit der Veränderung. Was bleibt sind antidemokratischen Meinungen und nicht durchsetzbare Bestrebungen, die nicht selbst eine Gefahr für die Demokratie sind, jedoch diese dennoch in Gefahr bringen, da sie die demokratische Gesellschaft verleiten, die vom Extremismus ausgehende Gefahr zu überschätzen und somit in Art und Form so zu reagieren, das die Reaktion nicht mehr demokratisch zu begründen ist. Es ist keine direkte Gefahr die vom Extremismus für die Demokratie ausgeht, sondern eine indirekte, nämlich die an den eigenen Ansprüchen zu scheitern.
Bei der Betrachtung der Forderungen der extremistischen Randgruppen innerhalb Europas wird offenbar, das diese im Grunde inhaltlich nicht gegen die Demokratie, sondern gegen die ihr zu Grunde liegende Ideologie gerichtet ist, den Kapitalismus. Die extremen Forderungen richten sich vornehmlich gegen die wirtschaftlichen Interessen der Staaten und den sich daraus direkt oder indirekt ergebenden Folgen. Freie Wahlen und demokratische Strukturen werden weder von der linken, noch von der rechten Szene in Abrede gestellt. Die extremistische Linke fordert eine Schließung der Schere zwischen arm und reich und richtet sich damit direkt gegen die Folgen des Kapitalismus. Die extremistische Rechte fordert eigenstaatlich unter Verhinderung jeglicher Vermengung mit anderen Staaten und Völkern und richtet sich damit gegen die Forderungen und Folgen der Globalisierung als direkte Folge der Finanz- und Warenströme.
Sowohl in der äußersten Ecke des linken als auch des rechten Lagers, entstehen krude und heillose, aber medienwirksame Gedankenkonstrukte, die dann als populistische Verallgemeinerungen für die gesamte Gruppe missbraucht wird. Ein durchschnittlicher Linker ist nicht aufgrund seiner Meinung extremistisch, sondern weil er mit den extremsten Forderungen seines Lagers etikettiert wird. Das gleiche gilt für den durchschnittlichen Rechten. Wohl nur die wenigsten Linken würden tatsächlich den Fabrikbesitzer enteignen und verjagen wollen, ebenso wenig würde das kaum ein Rechter mit Ausländern tun. Doch es gibt ein mediales Bild und in diesem kommt nicht zum tragen, das kaum ein Linker oder Rechter morden würde, wie die RAF und der NSU es taten. Das gezeichnete Bild der Medien ist ein Spiel mit der effekthaschenden Dummheit einer breiten Masse, in der vor dreißig Jahren jeder Langhaarige ein Bombenleger war und heute jeder Springerstiefelträger ein Killer ist.
Das tatsächlich Extremistische, ergibt sich jedoch nur selten aus den Gedanken und Handlungen der vermeintlichen Extremisten selber, sondern vornehmlich aus der Sicht auf sie und diese wird von den Medien geprägt, also aus der Mitte einer Gesellschaft, die sich eine gedankliche Verfilzung wirtschaftlicher und demokratisch Vorzüge, als sich bedingend und unauflösbar bestimmt hat. Nur unter der bedingungslosen Einnahme dieses Standpunktes ergibt sich Extremismus.
Der Umstand das staatliche Gewalt, Extremismus definieren kann und zugleich die Verfolgung bestimmt als auch legitimiert, ist die Außerkraftsetzung einer grundsätzlichen Voraussetzung für Demokratie, der Gewaltenteilung. Sie soll verhindern, das Ankläger, Richter und Henker in unkontrollierbarer Personalunion gegen die vorgehen, deren Meinung sie nicht ertragen. Demokratische Staaten die Extremismus bekämpfen, müssen zuvor bestimmt haben, welche Meinungen sie als demokratisch zulassen und welche zu bekämpfen sind. Innerhalb dieser Staaten herrscht Meinungsvielfalt nur innerhalb des inhaltlicher Widerspruchs erlaubter Grenzen und Meinungsfreiheit nur auf dem Papier. Gänzlich an ihrem eigenen demokratischen Ansprüchen gescheitert sind Staaten spätestens jedoch dann, wenn sie die selbstkonstruierte Definition dessen was es aus ihrer Sicht zu verfolgen gilt, mit einer massenphobischen Sehnsucht nach Sicherheit begründen. Dann geben sie sich das Recht, die Rechte aller zu beschneiden, um die wenigen, die in unliebsam sind zu verfolgen. Das daraus erwachsende Ergebnis dann noch eine Demokratie zu nennen bedarf der eigentümlichen Sichtweise, das Demokratie ausschließlich Marktwirtschaft sei und umgekehrt. Dennoch hat sich genau diese Sichtweise etabliert.
Die Demokratie dieses Landes ist die bewusst von den Siegermächten, nach dem zweiten Weltkrieg, gewählte Verwaltungsform des Kapitalismus zum Zwecke der Kompatibilität mit dem politischem und wirtschaftlichem, angloamerikanischen System. Die dieser Demokratie scheinbar inne wohnenden Freiheiten, ergeben sich aus der Freiheit der Märkte, mit denen der freien Konsum zur Maximierung seines Zieles der Gewinnoptimierung, gewährleistet wird. Die Annahme das freiheitliche Rechte das Ergebnis einer demokratischen Gesellschaftsentwicklung seien, ist schlicht unzutreffend. Dies zeigt sich in dem Umstand, dass freiheitliche Rechte nur abhängig eines marktwirtschaftlichen Nutzens etabliert werden können. Innerhalb des europäischen und amerikanischen Demokratiemodells ist der Kapitalismus nicht auflösbar.
Die bestimmende Ideologie der vorliegenden Demokratie, ist der Kapitalismus und seine Marktwirtschaft. Das was heute Demokratie genannt wird basiert auf einem Relikt des 19.ten Jahrhunderts. Es ist eine Ideologie der Besitzvermehrung und Machterhaltung, aus einer Zeit der Kolonialisierung und der Industrialisierung. Zeitlich begründet und geprägt im Feudalismus und vor der allgemeinen Akzeptanz der Menschenrechte. Die Basis dieses Modells war der scheinbar unbegrenzte Ressourcenreichtum einer noch zu erobernden Welt. Doch die Denkweisen des 19.ten Jahrhunderts bieten keine Antworten, auf die ökonomischen, ökologischen und soziologischen Sachzwänge der Gegenwart. Der Profit einer Wirtschaftselite und ihrer Klientel kann keine Begründung mehr dafür sein, dieses anachronistische Regelwerk entgegen besseren Wissens fortzusetzen und somit auch keine Begründung liefern, warum die Demokratie nicht mit der Verwaltung einer anderen , einer neuen Ideologie beauftragt werden sollte.
Den Kapitalismus weiterhin mit der Wahrung demokratischer Rechte zu begründen ist nicht nur die Verunglimpfung aller demokratischen Bestrebungen außerhalb wirtschaftlicher Interessen, sondern Anbetracht der katastrophalen Folgen des marktwirtschaftlichen Treibens der Gesellschaften auch eine hole Phrase. Es sind wirtschaftliche Interessen, die die ideologische Bindung der ungezügelten Märkte an freiheitliche Rechte konstruieren.
Aktuell ist eine unheilvolle Allianz von Politik und den Medien zu beobachten, die einen Ersatz der Wirtschaftsideologie als zu verwaltende Gesellschaftsform für die Demokratie noch nicht durchsetzbar erscheinen lässt. Die vorherrschende Sichtweise wird von den Medien bestimmt und vermeintlich nicht demokratische Meinungen mehr oder minder offen, von der Politik als extremistisch verfolgt. Medien sind Wirtschaftsunternehmen und es wäre daher naiv zu glauben, sie würden sich an ihrer eigenen Infragestellung als Wirtschaftsunternehmen, mit Einfluss auf die Meinung der Massen, beteiligen und die oberste Prämisse der Politik war schon immer der eigene Machterhalt. Das sind durchaus legitime Interessen, aber sie sind nicht demokratisch begründet.
Trotz der bestehenden Situation es ist nicht illusorisch anzunehmen, das die inflationär ausufernden Exzesse des Kapitalismus, zunehmend die verbindenden Kräfte innerhalb der Gesellschaft schwächen werden und sich sich somit als zukünftige gesellschaftstragende Ideologie selbst diskreditieren, als auch den Glauben an die Demokratie zerstören werden.
Was gerne als Ende der Zivilisation, jeder vernünftigen Diskussion entzogen wird, ist der nächste große Schritt der Demokratie, auf dem Weg in eine freiere Welt, wenn und genau das wird versucht zu verhindern, es dann Menschen gibt, die Willens sind sich mit alternativen Gedankenmodellen auseinander zu setzen, die heute als extremistisch gelten und sich daran erinnern, das es Demokratie schon vor dem Kapitalismus gab und ihre Werte und Regeln keine wirtschaftliche Begründung brauchen.
Die Demokratie kann den Kapitalismus überleben, wenn sie sich rechtzeitig von ihm löst, doch sie wird mit ihm vergehen, wenn sie sich an ihn bindet. Gerade der Umstand nicht selbst eine Gesellschaftsideologie sein zu müssen und auch nicht sein zu können, ermöglicht ihren Fortbestand auch über die Halbwertzeit gesellschaftlicher Ideologien hinaus. Die Demokratie zu achten und zu schützen, bedeutet daher immer eine ausreichende Distanz zu der Ideologie zu wahren, die sie aktuell verwaltet. Die Freiheit der Menschen zu fordern und bewahren zu wollen, bedeutet immer demokratische Rechte als eigenständig zu betrachten und gegen jedes ideologische und gesellschaftliche Interesse zu schützen. So kann sich die Menschheit durch den beständigen Austausch veralteter als unbrauchbar erwiesener Ideologien weiterentwickeln, ohne immer wieder ihre errungenen Freiheiten opfern zu müssen.
Demokratie ist die Möglichkeit der freien und gleichen Teilnahme an einer Gesellschaft. Demokratie bedingt die Möglichkeit, eine Gesellschaft verändern zu wollen und zu können. Demokratie ist keine Verpflichtung einen gesellschaftlichen Status Quo aufrecht zu erhalten und auch kein Zwangsbündnis mit einer wie auch immer geartete Ideologie. Dafür würde eine Diktatur reichen.
Ich verbleibe in diesem Sinne
Heinz Sauren
Hinterlasse jetzt einen Kommentar