König Bimbisara und das Eigentum

von Michael Obergfell (fortunanetz)

Das Parlament ist der Ort, an dem gewählte Vertreter über die Gesetze eines Landes entscheiden sollen. Regierung und Ministerien sind die Institutionen, die die beschlossenen Gesetze und Verträge im Rahmen dieser Gesetze umsetzen sollen. Gerichte wachen über die korrekte Ausführung dieser Gesetze und die Polizei und andere Organe des Staates sollen deren Umsetzung kontrollieren. So sind demokratische Staaten verfasst.

Zentral ist hierbei das Recht des Staates, Steuern und Abgaben zu erheben und so einen Teil des Eigentums seiner Bürger und Steuerzahler für allgemeine Zwecke zu verwenden, die aber den Bürgern zugute kommen sollen. Dabei ist der Staat zu Transparenz verpflichtet. Die Regierung erstellt einen Haushaltsplan und Haushaltsberichte, die es dem Parlament wiederum ermöglichen sollen, die korrekte Verwendung der Steuern und Abgaben zu überwachen. Es gilt seit gut 250 Jahren das von den USA formulierte Prinzip: „No taxation without representation.“ Ohne Kontrolle durch ein gewähltes Parlament darf ein Staat keine Steuern erheben und diese schon gar nicht willkürlich ausgeben.

Diese Rechtsordnung wurde aufgebaut, um die Wahrung des Eigentums der Bürger zu garantieren. Eigentum ist nicht nur geschützt vor dem Zugriff von Privatpersonen, sondern eben auch vor dem nicht verhältnismäßigen Zugriff durch den Staat. Es soll verhindert werden, dass die Menschen ihr schwer erarbeitetes Geld nicht wieder verlieren für staatliche Aktivitäten, die den Bürgern nicht nützen, wohl aber einzelnen Politikern oder Parteien. Die Gefahr, dass sich einzelne Gruppen an den Steuergeldern schamlos bereichern, bestand nämlich schon immer.

Selbst in den absolutistischen Staaten Europas, also noch vor der Einführung der Demokratie, wurde eine Trennung der Privatschatulle des Herrschers von der Staatsschatulle eingeführt, um genau solche Effekte zu verhindern. Allerdings war es angesichts der Machtfülle des absolutistischen Herrschers zumeist sehr schwer, sich gegen eine falsche oder gar korrupte Verwendung der Staatsgelder zu wehren. Und genau aus diesem Grund wurden die meisten Monarchien am Ende abgeschafft und durch parlamentarische Systeme ersetzt, da diese mehr Transparenz versprach.

Das funktionierte lange Zeit gut, wenn es auch immer wieder Fehler gab. Aber immerhin können wir für Deutschland sagen: Seit der Gründung am 23. Mai 1949 ist Deutschland damit gut gefahren und hatte Wohlstand und Sicherheit, sowie den Schutz des privaten Eigentums seiner Bürger sicher gestellt. Und für diese Werte war die BRD auch gegen Bedrohungen von Innen und Außen zeitweilig eine „wehrhafte Demokratie“.

Seit dem Jahr 2008 muss man aber feststellen, dass in Deutschland aufgrund der Staatsschulden- und Finanzkrise die „Herrschaft des Rechts“ in Frage steht, denn die Politik bricht die Gesetze und Verträge die sie selbst seit Bestehen der BRD propagierte und auch umsetzte. Die bekanntesten Beispiele dafür sind die Nichteinhaltung der Stabilitätskriterien von Maastricht durch praktisch alle Staaten der Eurozone über Jahre hinweg. Dazu gehört auch der Bruch der Nichtbeistands-Klausel, die im Paragraph 125 des AEU-Vertrages vereinbart wurde. Diese Klausel wurde eingeführt um zu verhindern, dass einzelne Staaten durch überbordende Schulden alle anderen Staaten permanent zur Kasse bitten und auf diese Art und Weise einen Zustand schaffen, bei dem die Schuldenmacher der Eurozone sich dauerhaft an den Überschüssen der erfolgreichen Länder bedienen. Mit diesem Vertragsteil sollte ein stabiler Euro sicher gestellt werden.

Wir wissen heute, dass die „Rettung“ des Euro darin besteht, nicht nur die Nichtbeistands-Klausel zu brechen (also aktiven Vertrags- und Gesetzesbruch zu begehen), sonder dass die Transfer- und zusätzlich eine Haftungsunion der zentrale Bestandteil dieser Politik sind. Wir müssen also feststellen, dass die Verträge der EU nicht eingehalten werden, dass mit dem ESM sowie direkten Hilfen an einzelne Länder zur Rettung der Staaten, durch eine indirekte Finanzierung von Staaten durch die EZB und die schrittweise Etablierung einer regelrechten Haftungsunion genau das Gegenteil dessen praktiziert wird, was ursprünglich vereinbart war. Die Politik „rettet“ absprachen-widrig Staaten und Banken. Eine solche Politik endet in der Willkür, weil nur noch die Politik bestimmt, wer oder was gerettet wird. Überlegungen über die Stabilität einer Währung, die Sinnhaftigkeit eines Staatshaushaltes oder die Wirtschaftlichkeit einer Bank stehen nicht mehr an erster Stelle, sondern letztlich nur noch politische Kriterien. Das ist die eigentliche Bedeutung des Begriffes „systemrelevant“. Was das System ist, entscheidet die Politik. Wer dazu gehört und wer nicht ebenfalls. Transparente Kriterien zu diesen Entscheidungsprozessen gibt es nicht. Die Eurorettung ist Politik nach Gutsherrenart, verkauft als „Dienst an der Allgemeinheit“.

Schon Prof. Joachim Starbatty stellte dazu fest, dass es sich hier um die Etablierung eines sozialistischen Systems handelt, das sich gerade darin äußert, dass es eine Haftungsunion ist. Jeder haftet für Andere mit seinem Vermögen. (J. Starbatty, Tatort Euro, Wien – Berlin – München 2013, S. 24). Und das geschieht weitgehend ohne demokratische Grundlage. Es wird einfach beschlossen. Der Bürger wird zu seiner Enteignung nicht gefragt. Die Entscheidung darüber nach welchen Kriterien zur „Rettung“ die vertragswidrig verteilten Gelder verwendet werden, bleibt zudem willkürlich. Und die Demokratie bleibt damit ebenfalls auf lange Sicht auf der Strecke.

Doch das eigentliche Problem geht tiefer und es wird von den Rettern gänzlich ignoriert, bzw. die eigentliche Katastrophe die auf diese Politik folgen muss wird sozusagen billigend in Kauf genommen. Nicht nur die Demokratie und die Marktwirtschaft bleiben auf der Strecke, nicht nur Recht und Ordnung bleiben auf der Strecke. Es ist eine Politik von der man seit Bestehen der Menschheit immer wieder leidvoll erfahren musste, dass sie in den wirtschaftlichen und kulturellen Untergang führt. Man kann diese Erkenntnis nicht oft genug wiederholen.

Vor über 2500 Jahren lebte in Indien ein Mann, der aus einem kleinen Fürstentum kam und den Namen Siddharta trug. Er ist noch heute bekannt als „Buddha“, was man mit „der Erleuchtete“ übersetzen kann. Er ist der Begründer einer Religionsgemeinschaft, die es mittlerweile auf allen Kontinenten der Erde gibt.

Zur selben Zeit lebte in Nordindien ein König mit Namen Bimbisara, der von Buddha gehört hatte und der sich für seine Lehre interessierte. Er wollte prüfen, ob die Lehre Buddhas auf seine Regierung anwendbar ist und lud ihn ein, sein Gast zu sein. In einem öffentlichen Gespräch mit ihm wollte König Bimbisara wissen, welchen Teil seiner Lehre er zum Wohl seines Landes und seiner Bürger einsetzen könnte.

Buddha antwortete darauf sinngemäß:

„Die zweite Richtlinie ist, nicht zu stehlen. Niemand hat das Recht, den Besitz, den sich ein anderer durch seine Arbeit geschaffen hat, wegzunehmen. Versucht man, sich das Gut eines anderen anzueignen, so verletzt man diese Richtlinie. Betrügt andere nicht und nutzt euren Einfluss, eure Macht nicht, um andere ihrer Güter zu berauben! Vom Schweiß und von der Arbeit anderer zu profitieren, verletzt diese Regel ebenfalls. Beachten die Bürger diese Regel, dann wird soziale Gleichheit herrschen und Diebstahl und Mord werden seltene Vergehen sein.“ (Thich Nhat Hanh, Der Buddha, Berlin 2002, S. 61)

Die deutlichen Worte Buddhas waren eine Ansprache an den König und schließen ihn nicht aus. Es war die unverblümte Aufforderung auch an den Herrscher, vor allem das Eigentum der Menschen zu achten, die sich dieses Eigentum mit eigener harter Arbeit erworben haben. Wer diesen Anspruch auf Eigentum nicht achtet, zerstört jeglichen Antrieb zu wirtschaften und führt das Land in den sicheren Ruin. Dabei ist es egal ob der Dieb eine Privatperson ist oder ein Politiker oder Beamter. Das spielt keine Rolle. In jedem Fall wird der Antrieb zu Arbeit und Leistung dauerhaft zerstört.

Es spielt auch keine Rolle, ob das in einem marktwirtschaftlichen, sozialistischen oder sonstigen „System“ stattfindet. Die ökonomische und gesellschaftliche Ordnung ist nicht relevant für die hier zitierte Grundregel, denn das Indien des König Bimbisara war sicher weder sozialistisch noch marktwirtschaftlich organisiert, sondern folgte eher den Regeln einer ständischen Gesellschaft. Dennoch war schon vor 2500 Jahren den Menschen bewusst, welch zerstörerische Wirkung der Diebstahl allgemein entfaltet und dass der Schutz des Besitzes eine der zentralen Grundlagen für sogenannte „blühende Landschaften“ war und ist. Nur den Euro“rettern“ mit all ihren Ideen wie Haftungsunion, Transferunion, Sparbuchenteignung, Kapitalverkehrskontrollen, Niedrigzinspolitik, negativen Leitzinsen, etc. ist diese Wahrheit aus bekannten Gründen nicht „bekannt“. Sie nehmen das Geld der kleinen Leute, setzen es als „Haftungskapital“ ein und nehmen damit der Basis der Volkswirtschaft in dem Fall, dass sie dann tatsächlich haften müssen, jeglichen weiteren Antrieb zu wirtschaften und Leistung zu erbringen. Jemandem das Geld ungefragt zu nehmen um es dazu zu verwenden, anderswo die staatliche Ordnung aufrecht zu erhalten ist schlicht und ergreifend Diebstahl, denn derjenige, der das Vermögen besitzt, hat letztlich nichts davon, wenn eine völlig andere Person „gerettet“ wird. Wenn ich eine Fensterscheibe einschlage, haften SIE, lieber Leser, für den Schaden. Da kann ich ihnen doch gleich den Geldbeutel wegnehmen, denn der Vorgang ist in seinem Verlauf exakt derselbe: Ich verwende IHR Geld um meine Kosten zu begleichen.

Die „Retter“ stehen mit dieser Politik außerhalb jeglicher Wirtschaftsordnung, egal wie sie heißen mag, sie stehen auch außerhalb jeder Religion, denn nicht nur der Buddhismus verbietet den Diebstahl am selbst erarbeiteten Besitz, praktisch alle anderen großen Religionsgemeinschaften tun dies ebenfalls. Diese sogenannten „Retter“ stehen in überhaupt jenseits jeglicher Kultur. Es ist ihnen egal ob unser aller Wohlstand, unser Recht, unsere Demokratie vor die Hunde gehen. Wichtig ist für sie nur, dass sie alles gerettet haben was angeblich „systemrelevant“ ist.

Schlimm nur, dass es kaum einen Aufschrei gibt von den religiösen Führern dieser Welt, auch nicht von denjenigen die sich selbst als „vernünftig“ oder gar als „aufgeklärt“ begreifen! Die „Retter“ gehörten schon lange geteert und gefedert und aus dem Land gejagt und das in unser aller Namen, weil sie unsere Kultur, unseren Wohlstand, unser Recht und unsere Zukunft einsetzen, einfach nur um ihre Macht zu erhalten. Den Phöniziern wurde vorgeworfen, dass sie dem Moloch opferten. Die „Retter“ opfern nicht nur unsere Zukunft, sie opfern – wenn es sein muss – alles, und das ungefragt,

meint

Michael Obergfell

 

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