Syrien: Obama bombardiert die Schuldenobergrenze

von Henning Lindhoff (ef-magazin)

Todesurteil Inflation

Heute beginnt die G20-Konferenz in St. Petersburg. Für die brisante Lage im Nahen Osten könnte diese Konferenz eine entscheidende Zäsur bedeuten. Sehr wahrscheinlich erscheint, dass eine militärische Intervention bis zum morgigen Freitag abgesegnet und festgezurrt wird. Weniger wahrscheinlich erscheint angesichts der laut aufspielenden Kriegstrommeln, dass der Bericht der UN-Waffeninspektoren, deren Proben nach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“ derzeit im Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien und ABC-Schutz (WIS) der Bundeswehr in Munster (Niedersachsen) untersucht werden, noch irgendeinen Einfluss auf die Entscheidung einiger kriegslüsternen NATO-Staaten haben wird.

Kein Scherz. Barack Obama sagte noch während seines Besuches am gestrigen Mittwoch in Schweden, seine Pläne liefen den ihm zuerkannten Friedensnobelpreis nicht zuwider. „Ich als US-Präsident kann nicht umhin, solche Entscheidungen zu treffen“, antwortete er auf die Frage, wie er die Zwiespältigkeit erklären würde, dass ein Friedensnobelpreisträger einen Krieg gegen Syrien vorbereite. „Ich bin bemüht, Diplomatie und friedliche Beilegung von Konflikten durchzusetzen. Aber die Syrienfrage betrifft jetzt die gesamte internationale Gemeinschaft, nicht nur mich. Wir müssen Aktionen unterbinden, die die Ruhe uns aller gefährden.“ Manchmal muss ein Friedensengel eben tun, was ein Friedensengel tun muss. Das Leben im Weißen Haus ist kein Zuckerschlecken.

Sein Außenminister John Forbes Kerry, Yale-Absolvent und verheiratet mit der Ketchup-Erbin Teresa Heinz Kerry, hatte schon am Freitag vergangener Woche angeblich handfeste Beweise für die Schuld Assads vorgelegt.  Doch nicht ohne Panne. Während seiner Präsentation eines entsprechenden Geheimdienstberichtes wurde ein auf den ersten Blick adäquates Foto eingeblendet. Historisch passte das Bild aus den Archiven der BBC jedoch weniger in den Kontext. Statt ziviler Opfer des Giftgasangriffs vom 21. August 2013 zeigte es Tote aus dem Irak-Krieg 2003. Die neokonservativen Falken des Kongresses scheinen ihm ordentlich Beine gemacht zu haben in den vergangenen Wochen und Monaten. Kerry, catch up! Zufrieden sind sie mit ihm allemal. Das zeigte sich schon früh. Nachdem Obama den US-Senator John Kerry als Nachfolger von Hillary Clinton nominierte, prophezeite der republikanische Senator John McCain bei einer Anhörung, dass Kerry das Amt des US-Außenministers „mit Auszeichnung“ ausfüllen werde. Gegenüber dem Iran kündigte Kerry damals eine harte Linie an. Er werde alles dafür tun, um einen nuklear bewaffneten Iran zu verhindern. Bezüglich Syrien orakelte er kürzlich von „schrecklichen Konsequenzen“, sollte das Parlament einen Militärschlag ablehnen: „Dies ist nicht die Zeit, um Zaungast bei einem Massaker zu sein.“

Eine unmittelbare militärische Reaktion wurde zwar verhindert. Wie die „Washington Post“ berichtete, hatte eine massive Meuterei von Vier-Sterne-Generälen der Intervention Einhalt geboten, da diese angesichts der Einsätze im Irak und in Afghanistan eine klare Strategie des Präsidenten und realistische Erfolgsaussichten vermissen. Doch die Vorbereitungen laufen weiterhin auf Hochtouren. Nun brauchen Obama und Kerry verstärkten politischen Rückhalt. Während in den ersten Stellungnahmen Obamas von zwei- bis dreitägigen Militärschlägen zu lesen war, einigte sich der außenpolitische Ausschuss im US-Senat am gestrigen Mittwoch auf eine Resolution, die einen bis zu 60-tägigen Einsatz erlaubt. Obama dürfte sie nach einer Mitteilung an den Kongress dann nochmals um 30 weitere Tage verlängern. Bedingung soll sein, dass, mit Ausnahme einer „Rettungsmannschaft“ für Notfälle, keine Bodentruppen nach Syrien geschickt werden. Doch gerade dieser letzte Punkt erscheint nicht wirklich sicher. Im außenpolitischen Ausschuss sagte Kerry am Dienstag. „Sollte klar sein, dass es in unser aller Interesse liegt, zu verhindern, dass diese Massenvernichtungswaffen in die Hände der schlimmsten Gruppierungen fallen, will ich keine der Optionen ausschließen, die dem Präsidenten der Vereinigten Staaten möglicherweise zur Verfügung stehen, um unser Land zu schützen.“ Bodentruppen inklusive.


Und auch in deutschen Gefilden wird weiter heftig für den Krieg getrommelt. Auf politischem wie auch auf militärischem Parkett. Bundeskanzlerin Merkel fordert schon seit den ersten Vorwürfen gen Assad strenge Konsequenzen. Und auch die vermeintliche Opposition spielt mit.  „Die Weltgemeinschaft darf nicht länger zusehen, wie bei diesem Bürgerkrieg, der längst zu einem Stellvertreterkrieg geworden ist, massenhaft Menschen getötet und vertrieben werden und wie durch die größte Flüchtlingskatastrophe des noch jungen Jahrhunderts alle Nachbarländer und eine ganze Region ins Wanken geraten“, sagte zum Beispiel die grüne Roth am gestrigen Mittwoch in Berlin. Halbherzig jedoch ihre Stellungnahme zum bevorstehenden Militäreinsatz: „Es gibt keine Zwangsläufigkeit für ein militärisches Eingreifen in Syrien, wie es derzeit die amerikanische und auch die französische Regierung darstellen. Die diplomatischen Bemühungen stehen erst am Anfang.“ Was danach kommt, sollte man abwarten? Ein entschiedenes Veto gegen den Krieg hört sich anders ein. Und auch altgediente Militaristen wollen anscheinend wieder Krieg spielen. Gegenüber der „Welt“ betonte der General a. D. des Heeres der Bundeswehr, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Dieter Naumann, ein „Umdenken Deutschlands“ bezüglich der Frage von militärischen Interventionen ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates sei notwendig. Er persönlich sei der Auffassung, man solle der „Schutzverantwortung mehr Gewicht“ geben  als dem „sich selbst blockierenden Sicherheitsrat“. Er selbst sei zwar „nie ein Freund“ von raschen militärischen Interventionen gewesen, doch diese seien „manchmal unvermeidlich“. Sollten sich die Deutschen „nicht zu dieser Einsicht aufraffen“, würde Europa nie eine sicherheitspolitische Rolle spielen können.

Sein Genosse aus der Atlantik-Brücke, der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg stieß vor wenigen Tagen ins gleiche Horn. In einem Beitrag in der „New York Times“ warf er Deutschland eine fatale „Kultur des Widerwillens“ gegen militärische Interventionen in Krisenstaaten wie Libyen oder Syrien vor. Unter dem Titel „Syrien testet die Kultur der deutschen Zurückhaltung“ schrieb er, deutsche Politiker setzten parteiübergreifend darauf, „dass die wirtschaftliche Macht des Landes seine Unfähigkeit ausgleiche, sich als fähiges und verantwortliches Mitglied des Atlantischen Bündnisses und der internationalen Gemeinschaft“ zu etablieren.

Anfang des Jahres 2008 warteten Klaus Dieter Naumann und vier weitere ehemals hochrangige NATO-Generäle mit der Studie „Towards a Grand Strategy for an Uncertain World“ auf, in der sie abschließend unter anderem atomare Präventivschläge, Drohungen gegen rohstoffreiche Länder und Interventionen ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates forderten.

Die Zeichen stehen schon längst auf Sturm. Und mit Blick auf den innen- und außenpolitischen Zeitplan kann es dem herzhaften Friedensliebhaber schon etwas mulmig werden. Am morgigen Freitag wird die G20-Konferenz beendet. Am kommenden Wochenende wird sich US-Außenminister John Kerry mit europäischen Diplomaten in Vilnius und Vertretern der Arabischen Liga in Rom treffen. Am Montag wird der US-Kongress aus der parlamentarischen Sommerpause zurückkehren. Die Abstimmung zum Syrien-Einsatz steht an. Und ein  denkwürdiger Tag in der amerikanischen Geschichte. Am Mittwoch jähren sich die Anschläge vom 11. September zum zwölften Mal. Ist angesichts dieses traurigen Jubiläums mit einem Veto des Kongresses gegen Obamas Kriegsmaschine ernsthaft zu rechnen? Für den 17. September wird mit dem Abschlussbericht der UN-Waffeninspektoren zum Giftgasangriff gerechnet. Am 22. September die deutsche Bundestagswahl und am 24. September läutet Barack Obama die diesjährige Generaldebatte der UN-Vollversammlung ein. Und für Mitte Oktober rechnet US-Finanzminister Jack Lew gar mit dem Schlimmsten. „Irreparabler Schaden für die amerikanische Wirtschaft“ drohe, „wenn der Kongress nicht handelt“, warnte er vor wenigen Tagen in seinem Brief an die Abgeordneten. Sollte bis dahin nicht die bis dato auf 16,7 Billionen Dollar taxierte Schuldenobergrenze deutlich heraufgesetzt worden sein, sei mit der Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung zu rechnen. Bislang zieren sich die oppositionellen Republikaner noch. Die Debatte beginnt nach der Sommerpause. Welches Argument käme dem Demokraten Obama dabei besser gelegen als ein angeblich menschenrechtlich notwendiger Krieg und die dafür nötigen Geldmassen?

 

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