Nach langem Hin und Her hat nun das EU-Parlament das nächste Gebäudeenergiegesetz verabschiedet. Es hat vieles gemein mit dem Habeckschen Produkt, es ist nur noch ein wenig schlimmer. Während der Klimaschutz hypothetisch ist, ist der Angriff auf die Lebensbedingungen der Mehrheit real.
Von Dagmar Henn (rtdeutsch)
Es gibt alte Witze, nach denen die Bürokratie so etwas wie eine Zweigniederlassung des Fegefeuers auf Erden ist, betrieben von strafversetzten Unterteufeln. Beim Thema Gebäudeenergie scheinen diese Unterteufel in einen europaweiten Wettbewerb eingetreten zu sein – das deutsche Gebäudeenergiegesetz, das schrecklich genug ist, wird von der neuesten EU-Prosa noch einmal in den Schatten gestellt.
Ich halte mich ja für vergleichsweise hart im Nehmen, was juristische Texte betrifft. Und im Laufe der Zeit habe ich auch einen Teil EU-Recht gelesen, das grundsätzlich in etwa so durchschaubar ist wie deutsches Steuerrecht, also so gut wie gar nicht. Die 193 Seiten der nun im EU-Parlament verabschiedeten Vorgaben zur Gebäudeenergie empfinde aber selbst ich als absolute Überforderung. Was auch an der sehr eigenartigen Kreativität des Textes liegt, die sich in Formulierungen wie „transparenten Gebäudekomponenten, die Teil der Gebäudehülle sind“ manifestiert. Der normale Sterbliche nennt so etwas Fenster.
Klar, die Bürokratie wird bestens bedient. Es wird ein „nationaler Gebäuderenovierungsplan“ erfunden, und ein „Renovierungspass“, den netterweise die Gutachter ausstellen dürfen, die schon für die Gebäudeenergieausweise zuständig sind. Das mit dem „Gebäuderenovierungsplan“ darf dann im nationalen Recht bis auf die Gemeinden heruntergebrochen werden, das bewegt eine ganze Menge Papier.
Vielleicht ist das auch deshalb so schrecklich, weil man bei allem, was von der EU kommt, erst entschlüsseln muss, was die wirkliche Absicht ist, die sich dahinter verbirgt. Weil etwas, das unter der Überschrift verbesserter Hygiene verkauft wird, letztlich die handwerkliche Produktion von Lebensmitteln gefährdet und im Grunde sogar sozial und kulturell so wichtige Orte wie traditionelle Märkte untersagt, weil unter freiem Himmel dargebotene Lebensmittel unhygienisch seien – die gehörten abgepackt in Kühlregale…
An dem Beispiel lässt sich schon erkennen, dass eine gewisse Lebensfeindlichkeit bei diesen Regelungen nicht unüblich ist. Alles ist wichtiger als menschliche Freude, als Genuss, als soziales Erleben. Vor allem die Interessen großer Konzerne, die sich immer einschleichen, gleich, unter welcher Überschrift. Und die Eigeninteressen der Brüsseler Bürokratie, versteht sich.
Der ganze Zirkus um die Gebäudeenergie wird selbstverständlich durch die Vorgaben des Pariser Abkommens begründet, so fragwürdig es auch ist, eine Vorgabe für eine maximale Temperaturerhöhung zu setzen, deren Ausgangspunkt eine kleine Eiszeit ist. Das Verblüffendste an diesem ganzen Werk, neben der geschraubten Ausdrucksweise, die das Gehirn in Watte verwandeln soll, ist, dass der eigentliche Sinn und Zweck von Wohngebäuden, nämlich Menschen zu behausen, keinerlei Rolle spielt. Ganz zu schweigen von dem Problem, dass diese Behausungen auch bezahlbar sein müssen.
Die deutsche Politik hat da wieder ihrer Bevölkerung ein Ei gelegt. Denn nicht nur die Werte, anhand derer Gebäude in unterschiedliche Gebäudeenergiekategorien eingestuft werden, unterscheiden sich innerhalb der EU erheblich, auch der reale Stand, was Isolierung von Wohngebäuden betrifft. Was zum Teil schlicht mit unterschiedlichen Baukulturen zu tun hat. Tatsache ist aber, dass in Deutschland die Kategorien um ein Vielfaches strenger sind als in anderen europäischen Ländern, und zugleich der Anteil der Wohngebäude, die bereits eine relativ gute Isolierung aufweisen, vergleichsweise hoch ist. Was dann, wenn eine Vorgabe gesetzt wird, den aktuellen Energieverbrauch noch einmal weiter zu verringern, ein echtes Problem wird.
Wobei, auch das ist bizarr: Die Erfahrungen, die man in Deutschland bereits mit den Energieeinsparverordnungen gemacht hat, werden völlig ignoriert. Weil sie mit dem ideologischen Zwang, immer höhere Standards zu setzen, nicht zusammenpassen. Im Gegenteil, sie dokumentieren ein völliges Scheitern dieser Strategie. Zumindest, wenn man noch im Blick behält, dass Wohngebäude dafür da sind, Menschen zu behausen.
Noch einmal zur Erinnerung: schon bei der EnEV 2009, also vor 15 Jahren, waren die in Deutschland geforderten Standards so hoch, dass sie weit mehr kosteten, als an Einsparung bei den Energiekosten überhaupt zu erzielen war; was bedeutete, jede Renovierung, die Vorgaben aus dieser Verordnung aktivierte, wie eine Fassadenerneuerung oder ein Austausch der Fenster, führte zwangsläufig zu weiteren Mietsteigerungen. Bereits damals war die Konsequenz, welche Wohnungsgenossenschaften daraus zogen, die zuvor üblichen regelmäßigen Renovierungen zu unterlassen und die Gebäude schlicht abzuwohnen, bis dann irgendwann ein Neubau an ihre Stelle tritt.
Das bedeutet, die Folge dieser Gesetzgebung war ab dem Augenblick, wo der Aufwand den Ertrag überstieg, mitnichten, dass weitere energetische Sanierungen stattfanden, sondern dass auch die gewöhnlichen Erhaltungsmaßnahmen entfielen, weil sie eben die enormen Kosten der jeweiligen energetischen Sanierungsstufe nach sich zogen.
Allerdings, an einem Punkt könnte man glauben, dass diese Erfahrungen doch irgendwie, auf eine sehr verquere Weise, in den EU-Beschluss eingeflossen sind. Es wird nämlich ein Schritt gemacht, der ausgesprochen verdächtig ist – es soll bei der Berechnung der Gebäudeenergie nicht nur der aktuelle Energieverbrauch einfließen, sondern außerdem noch die Energie, die für Abriss, Entsorgung und Bau benötigt wird. Nachdem Baumaterialien, gleich, ob Ziegel oder Beton und Stahl, mit hohem Energieaufwand hergestellt werden, könnte das dazu führen, dass der bisherige Ausweg, irgendwann den vernutzten Bau durch einen Neubau zu ersetzen, auch noch versperrt wird. Weil der Neubau zwar geringere Kosten verursacht als eine Sanierung im Bestand, aber dann wegen des höheren CO2-Bedarfs nicht zulässig sein könnte. Das heißt, die einzige Strategie, die eine weitere Explosion der Mieten verhindern konnte, wird untersagt. Das lässt sich anhand dieses Textes natürlich nicht eindeutig belegen, weil überhaupt noch keine genauen Daten vorliegen. Aber die bisherige Erfahrung legt genau dieses Resultat nahe.
Schließlich ist ja auch zusätzlicher Bodenverbrauch zu Wohnzwecken aus Klimagründen und wegen Umweltschutz böse und bäh, ganz anders als der Flächenverbrauch für Windräder, Solarplantagen oder Biomasse. Was erfolgreich dazu führt, aus einer Situation, in der die Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse aller Einwohner möglich wäre, eine des künstlichen Mangels zu machen. Der natürlich in den Bereichen die höchsten Gewinne verspricht, in denen der angepeilte Konsument den Konsum nicht verweigern kann. Wie bei Unterkunft und Nahrung.
Das eingestreute pathetische Gerede über die „schutzbedürftigen Haushalte“ oder die schamlose Referenz auf das Bauhaus und die wohnungspolitischen Erfolge der Arbeiterbewegung in der Einleitung ändern nichts am Gesamtergebnis – durch diese Regelung zur „Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ wird eine Lage, in der in vielen EU-Ländern bezahlbarer Wohnraum Mangelware ist, nur weiter verschärft. Zumindest in Deutschland sorgt die Kombination aus hohen Boden- und gestiegenen Baupreisen jetzt schon dafür, dass gerade dort, wo der Mangel am Größten ist, die Kosten für einen Neubau weit über dem liegen, was die Mehrheit als Miete überhaupt bezahlen könnte.
Auch wenn die unmittelbare, auf einzelne Gebäude bezogene Verpflichtung zur energetischen Sanierung vom Tisch ist – die Gesamtwirkung ist vielleicht etwas verzögert, aber sie bleibt verheerend. In den Ländern, in denen Wohneigentum die vorherrschende Form ist, wird sie dazu führen, dass massenhaft Menschen dieses Eigentum verlieren, und in den Ländern, in denen die meisten Mieter sind, werden die Mieten weiter nach oben getrieben und viele ihre Wohnungen verlieren; selbst wenn diese neue Regelung Räumungen zum Zwecke der Sanierung für unzulässig erklärt.
Das Entscheidende ist nicht die Wirkung auf den einzelnen Fall, sondern die Wirkung in der Breite. Wobei die Förderung der Migration auch ein Teil dieses Spiels ist. Der Bevölkerungsrückgang, der immer als der demografische Teufel an die Wand gemalt wird, hätte nämlich dazu geführt, dass die Mieten in den Ballungsräumen (also dort, wo sich auch das Großeigentum an Mietwohnungen konzentriert) gefallen wären, als schlichte Folge einer sinkenden Nachfrage. Das wurde durch Vergrößerung der Bevölkerung unter gleichzeitigem Unterlassen der nötigen Bautätigkeit erfolgreich verhindert.
Wie die EnEV wird dieses EU-Gesetz samt seiner nationalen Umsetzungen nicht wirklich dazu führen, dass die angeblich so bedeutende energetische Sanierung tatsächlich stattfindet. Was aber auf jeden Fall geschehen wird, ist, dass die Anforderungen an Neubauten so weit nach oben getrieben werden, dass kaum neu gebaut werden wird. Was die Mieten im Bestand dauerhaft hoch hält, zum Wohle der großen Immobilienbesitzer und der Banken.
Leider ist die Erschaffung derartiger bürokratischer Monstrositäten wie diesem EU-Gebäudeenergierecht ein durchaus wirkungsvolles Mittel. Weil allein Sprache und Struktur verhindern, dass sich allzu viele Menschen damit auseinandersetzen, was ihnen blüht. Weil drumherum diese Verpackung aus Gutem, Wahrem und Schönem ist (sofern man die Klimaerzählung glaubt), und sich die wahre gesellschaftliche Wirkung zudem nur erschließt, wenn man abschätzen kann, wie dann die realen Wirkungen aussehen.
Die Dienstleistungsfreiheit in der EU stieß beispielsweise lange auf Widerstand der Gewerkschaften, und die entsprechende Richtlinie konnte erst im dritten Anlauf durchgesetzt werden, weil vielfach ausbuchstabiert wurde, was die Folgen sein würden. Inzwischen sind die Folgen tagtäglich unter anderem auf deutschen Straßen zu besichtigen – ukrainische LKW-Fahrer, die für polnische Tochterfirmen deutscher Speditionen für polnische Löhne fahren.
Die Klimaerzählung bietet da ganz andere Möglichkeiten, nachdem es inzwischen (zumindest in Deutschland) gelungen ist, die großen Gewerkschaften darauf einzuschwören. Es ist schlicht niemand mehr übrig, der laut genug erklären würde, dass die ganze Gesetzgebung, die Klimaschutz bei Wohngebäuden verordnet, schlicht den Lebensstandard des arbeitenden Bevölkerungsteils weiter absenkt, indem der zur Ware gemachte Wohnraum künstlich verknappt und verteuert wird. Ob nun Auslöser dieses Bestrebens der Wunsch nach besserer Kapitalverzinsung bei Wohnimmobilien ist, oder es schlicht darum geht, dass Menschen, die nicht nur um ihr Einkommen, sondern auch um das Dach über ihrem Kopf fürchten müssen, leichter einzuschüchtern sind, kann man dahingestellt lassen.
Wenn man sich durch derartige Texte quält und ihre akribischen Definitionen völlig imaginärer Zustände, sehnt man sich nach einer Politik, die sich mit den wirklich wichtigen Dingen befasst. Den für Menschen wirklich wichtigen Dingen. Ausreichende Einkommen, eine bezahlbare Wohnung, eine sichere Gesundheitsversorgung und eine anständige Bildung für die Kinder. Und Frieden, versteht sich.
Die EU ist, das bestätigt auch dieser Beschluss wieder, von all dem das Gegenteil.
Mehr zum Thema – Deutschland setzt die Waffe des Klimawandels gegen die eigene Bevölkerung ein
Und wie verhält sich der „Bestandsschutz“ zum Gebäudeenergiegesetz?
Im Baurecht bedeutet das, dass Eigentümer Immobilien unverändert lassen dürfen, obwohl diese nicht den aktuellen Vorschriften entsprechen. Voraussetzung dafür ist, dass das Gebäude seinerzeit mit einer Baugenehmigung errichtet wurde.