Am Scheideweg – Verständigungslösung oder Weltkrieg

Christian Hamann (frieden-freiheit-fairness)

Als der Journalist Tucker Carlson sein am 06. Februar 2024 mit Vladimir Putin geführtes Interview präsentierte, stieß ihm seitens der etablierten Medien eine Welle der Kritik und Herabsetzung entgegen.

Man kann inhaltlich selbstverständlich anderer Ansicht sein, aber es geht hier um ein vom amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King (1929-1968) als überlebenswichtig erkanntes Prinzip – dass man seine Feinde verstehen muss – was selbstverständlich nicht bedeutet, deren Taten gutzuheißen.

Gegen diese Grundregel wird namentlich im Ukrainekrieg systematisch verstoßen. Tucker Carson hat mit dem Interview einen Schritt in die richtige Richtung getan – unabhängig von einer Bewertung des Gesprächs. Vertreter der Mainstreammedien haben ihn dafür u.a. als „nützlichen Idioten Putins“ titulieret.

Dabei haben sie Anlass, selbst in den Siegel zu schauen, der ihnen ihre mangelnde demokratische Wachsamkeit zeigen würde. So haben sie jahrzehntelang die von den wenigen großen Nachrichtenagenturen vorgefilterten Meldungen in redaktionell gestalteter Form an das Publikum weitergegeben – viel zu oft im vorgefundenen unkritischen Tenor .

Dass sie die Menschen mit diesem Kritikmangel zum Akzeptieren auch inakzeptabler Politik verleitetet haben, kommt nun erst im Nachhinein ans Licht. Im Ambiete gedämpfter Kritik konnten definitive Dauertragödien über die Bühne gehen – beispielsweise die jeweils rund eine Billion Dollar (amer. one trillion $) teuren Militärabenteuer in Afghanistan (1979 bis 1989 und 2001-2021) sowie im Irak (2003-2011). Die Folgen dieser „Investitionen in die Sicherheit“ sind destruktiv: Die angekündigte Befreiung wurde von den Bewohnern als brutale Eroberung wahrgenommen und die Demokratisierung als unsensibles Aufzwingen korrupter Marionettenregierungen – eine Rufschändung der USA und vor allem der freihen Demokratie.

Tucker Carlson konnte zum beliebtesten Journalisten der USA werden, weil er den Idealismus aufgebracht hat, sich nicht der „politisch korrekten“ Duldung fragwürdiger Entscheidungen zu beugen. Sein Arbeitgeber Fox News, hat ihn im April 2023 entlassen. Das Beispiel und viele Parallelfälle zeigen den dringenden Bedarf an Hilfsfonds, aus denen Journalisten entschädigt werden, die aufgrund ihrer politischen Positionen die Arbeit verloren haben. Diese Kassen wären von den Medien zu befüllen.

Im Ambiente begrenzter Kritikbereitschaft sind die Fehler vergangener Militärabenteuer und -berichterstattung nicht hinreichend aufgearbeitet worden. So hat der Westen in den seit 2011 tobenden syrischen Bürgerkrieg eingegriffen, auch in diesem Fall ohne Errichtung einer abschließenden stabilen Ordnung und ohne dass kritischer Journalismus dieses erneute Dauerversagen hinreichend energisch angeprangert hätte. Dort und anderswo wird eklatant gegen die von Niccolo Machiavelli erkannte Regel verstoßen, dass unvermeidbare Militärschläge und andere Strafaktionen binnen kürzester Zeit und mit dauerhaftem Erfolg abzuschließen sind. Dabei hatte der 6-Tage-Krieg Israels von 1967 ein mustergültiges Beispiel geliefert, wenn dieser auch u. a. infolge der Parteilichkeit der UNO ohne abschließende Friedensregelung geblieben ist.

Im Ukrainekrieg sind es andere Fehler, aus denen nicht gelernt wurde.

  1. Bereits Anfang März 2022 waren unter Vermittlung des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett die Eckpunkte eines Waffenstillstandes ausgehandelt. Doch haben die amerikanische und die britische Regierung die ukrainische Seite von dieser Einigung abgebracht. Referenz https://www.berliner-zeitung.de/open-source/naftali-bennett-wollte-den-frieden-zwischen-ukraine-und-russland-wer-hat-blockiert-li.314871. Dieser Zusammenhang ist medienseitig weitgehend im Nebel gehalten worden.
  2. Am 17. Mai 2022 sind die Verhandlungen von der ukrainischen Regierung auf Dauer abgebrochen worden. In den Medien des Mainstream wird dagegen impliziert, dass man „Putin an den Verhandlungstisch zwingen“ müsste.
  3. Seit über einem halben Jahr wird Streumunition in die Ukraine geschickt, die von der Mehrheit der Staaten wegen der schrecklichen Verletzungen und

wegen der vielen zurückbleibenden Blindgänger geächtet werden. Das Ergebnis der Lieferungen besteht allein in einer Brutalisierung der Gefechte, während der militärische Nutzen deshalb ausbleibt, weil auch Russland solche Waffen im Arsenal hat und entsprechend kontern kann – was vorher bekannt war.

  1. Waffenlieferungen machen die Lieferländer nicht nur faktisch, sondern auch völkerrechtlich dann zur Kriegspartei, wenn an diesen Waffen ausgebildet wird. Diese rote Linie ist bereits überschritten worden, ohne dass dies angemessene Proteste ausgelöst hätte.
  2. Laut vollmundiger Verkündigung werden in der Ukraine die demokratischen Grundwerte unserer freiheitlichen Zivilisation verteidigt – ausgerechnet in dem europäischen Land mit der verbreitetsten Korruption. Referenz https://consortiumnews.com/2022/07/22/servant-of-the-corrupt/
  3. Auch die Tatsache, dass bereits längst vor dem russischen Einmarsch mehrere Oppositionsparteien verboten und kritische Fernsehsender abgeschaltet worden sind, disqualifizieren die Narrative von der Demokratieverteidigung. Referenz ebenda.

 

Das jüngste Warnsignal hat die Ablösung der ukrainischen Militärführung geliefert, die mit einem noch geheimen Strategiewechsel einhergehen soll. Das Geheimnis scheint aber schon gelüftet, seit der deutsche Abgeordnete Roderich Kiesewetter (CDU) in einem Interview bei seinem jüngsten Kiewbesuch das Motto verkündet hat – „den Krieg nach Russland (zu) tragen“.

Wirklich geheim ist dagegen, was Selenskyj mit „führenden Journalisten“ in geschlossener Runde zu besprechen hatte. In kontrollierten Medien wird man „führend“, indem man auch für inakzeptable Politik der Regierung die Akzeptanz der Bürger sicherstellt. –  Den Krieg nach Russland tragen zu wollen, bedarf besonders zugkräftiger Narrative, welche die wahnwitzige Eskaltion in den großen Krieg als alternativlos erscheinen lassen. Die westlichen Bürger erwartet daher eine beispiellose Propagandawelle. Gegen solche Meinungsmanipulation hatte Noam Chomsky „courses of intellectual self defence“ – Kurse in intellektueller Selbstverteidigung empfohlen. Auch Information über die 125jährige Geschichte der „modernen“ Kriegspropaganda helfen. Referenz https://www.frieden-freiheit-fairness.com/blog/124-thesen-fuer-nachhaltigen-frieden-freiheit-und-fairness.

Vielleicht liefert die Münchener Sicherheitskonfernz (16.02. bis 18.02.2024) dafür bereits erste Vorboten. Denn es bestehen Zweifel daran, dass es dort tatsächlich um rationale Konzepte für die Sicherheit der Bürger Europas und der Menschen in den umkämpften Gebieten geht. Im 20-seitigen Programm findet sich unter den vielen Veranstaltungen keine einzige, welche die Gedanken der Charta der Vereinten Nationen aufgreift, also desjenigen Friedenskonzepts, das wenige Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verabschiedet worden war, um einem solchen Irrsinn zukünftig vorzeubeugen. Stattdessen findet sich eine Veranstaltung mit dem Titel „Fighting Fatigue: Whatever It Takes for Ukraine’s Victory“ – Kriegsmüdigkeit: Was immer der Sieg der Ukraine erfordert – die Einstimmung darauf, den Krieg jetzt nach Russland zu tragen. Referenz https://securityconference.org/en/msc-2024/agenda/ Download: file:///F:/NEUESTES%20Material/240215_MSC2024_Agenda.pdf

Bereits im Vorfeld wurde gegen die o. g. Regel Martin Luther Kings verstoßen, seine Feinde verstehen zu müssen, indem Putin ausdrücklich nicht eigeladen wurde. So wenig Verständnis für die psychologische Seite des Krieges läßt befürchten, dass es sich um nicht mehr als nur ein Militaristentreffen handelt, bei dem sich die Teilnehmer gegenseitig auf den Hardcore-Kurs des MIC einstimmen.

Ein Hoffnungsschimmer besteht darin, dass sich viele noch an die Münchener Rede von Selensky vor zwei Jahren erinnern werden. Am 19.02.2022 hatte dieser zugesichert, dass ein Zurückholen der Krim in den ukrainischen Staat von seiner Regierung aus allein mit friedlichen Mitteln angestrebt würde. Damit hat er eine Verhandlungslösung mit international beaufsichtigtem Referendum impliziert, nicht aber Angriffe auf die Krimbrücke, die Halbinsel oder gar auf Russland selbst.

Die westliche Wertegemeinschaft steht am Scheideweg. Wird es noch rechtzeitig gelingen, die Politiker auf die im März 2022 bereits zum  Greifen nahe Verhandlungslösung einzustimmen, oder werden die Menschen der nun anrollenden Propagandawelle erliegen und sich auf den selbstmörderischen Weg führen lassen, den Krieg nach Russland zu tragen?

Ein Mittel, der friedlichen Lösung zum Durchbruch zu verhelfen, besteht im Wachrufen des historischen Bewusstseins. Aus diesem ist die NATO-Russland-Grundakte von 1997 so gut wie ausgetilgt. In diesem Dokument heißt es: „ Die NATO und Russland betrachten einander nicht als Gegner. Sie verfolgen gemeinsam das Ziel, die Spuren der früheren Konfrontation und Konkurrenz zu beseitigen und das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit zu stärken.“

Schon zwei Jahre nach dieser konstruktiven Vereinbarung begann die Osterweiterung der NATO, die den Russen aber als nicht gegen sie gerichtet präsentiert wurde. Es ist jetzt die allerletzte und zugleich allerbeste Gelegenheit, den kooperativen Geist der noch gültigen NATO-Russland-Grundakte wiederzubeleben. Das kann mit einem einseitigen Bekenntnis einer der beiden Seiten beginnen oder, indem man sich endlich wieder an einen Tisch setzt.

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Am Scheideweg – Verständigungslösung oder Weltkrieg
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3 Kommentare

  1. Die Frage ist nicht ob der WK kommt, sondern wann?
    Für mich war spätestens klar, das es dazu kommen muss, als sich die westlichen Polit Lumpen von den Amis dazu nötigen ließen, die NATO nach Osten aus zu dehnen.
    Dazu kam noch die völlige Dummheit der Deutschen Merkel zu wählen und sie hat dann ihre Heimtücke bewiesen, als sie Offenbarte die Verträge 2014 gar nicht einhalten zu wollen.
    Nach dieser Aussage hätte Putin schon Berlin einen Denkzettel, in Form eines kleinen Pilzes, senden sollen. Und das es zum Krieg kommt, zeigen auch die Aussagen der Berliner Gurkentruppe und die Aufmärsche der Folgegeneration der ehemaligen NAZI Schwadronierer und Kriegsbefürworter.

    • Ja, die Anzeichen, dass es in die falsche Richtung läuft, waren ‚eigentich‘ nicht zu übersehen. Die allerspätesten und da schon überdeutlichen Alarmsignale kamen „pünktlich“ nach dem Amtsantritt von Biden. Dass war erstens der Hamas-Raketenangriff auf Israel im Mai 2021 und zweitens der chaotische amerikanische Rückzug aus Afghanistan im August 2021. Den Angriff auf Israel konnte man zu diesem Zeitpunkt schon als Steigerung zu frühren ähnlichen Attacken erkennen. Stets ging es im Wege einer psychologischen Kriegsführung darum, die Palästinenser trotz ihrer definitiven Angreiferrolle als hoffnungslos unterlegene Opfer zu präsentieren, die den (allzu berechtigten) israelischen Gegenschlägen nicht viel entgegenzusetzen haben. Das war die Generalprobe für das Massaker vom 07. Oktober 2023 und für den so bewusst herbeiprovozierten Gegenschlag. Bei dem werden Zivilisten noch gezielter als Opfer positioniert, indem die Hamas ihre Gefechtsstände in Schulen und Krankenhäusern einrichtet. Die Hilfe der tränenbesoffenen westlichen Medienkonsumenten ist dabei fest einkalkuliert.
      Der US-Rückzug aus Afghanistan unter demütigenden Bedingungen hat den Taliban „zufällig“ Waffen im Wert von über 80 Milliarden Dollar zurückgelassen. Die Militärplaner müssen wohl als Verräter angesehen werden, denn so viel Dummheit gibt es doch eigentlich nicht. Oder die natürliche Intelligenz wird schon jetzt heruntergefahren, denn es kommt ja die künstliche.

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