Zypern muß der Troika Widerstand leisten!

Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen „bail-in“: Zypern muß der Troika Widerstand leisten!

Die Anglo-Hellenische und Zypriotische Juristenvereinigung (Anglo-Hellenic and Cypriot Law Association) mit Sitz in London, deren Präsidentin die Anwältin Dr. Katherine Alexander-Theodotou ist, organisiert eine Sammelklage gegen die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds wegen der kriminellen Rettungsaktion in Zypern, bei der Bankguthaben in Zypern konfisziert wurden, um das bankrotte internationale Finanzsystem zu stützen.

In einer Erklärung vom 21. August 2013 machen die Kläger geltend, die „beispiellose“ Entscheidung der Troika im März, bei Einlagen der Laiki-Bank und der Bank of Cyprus einen „Schuldenschnitt“ vorzunehmen, habe für Bürger, die ihre Lebensersparnisse verloren, „unerträgliche Probleme verursacht“. Außerdem sei keine Erklärung dafür geliefert worden, was damit „zum ersten Mal in Zypern ahnungslosen und unschuldigen Sparern“ angetan wurde.

Die Organisation hat vor, die Klage vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bringen und beauftragte damit Sir Francis Jacobs, Professor für Europäisches Recht am King’s College und früherer Berichterstatter am EuGH, sowie den Londoner Anwalt Takis Tridimas, Experte für europäisches Recht, der als Berater für die EU und die EZB tätig war. Beide vertreten auch Klienten aus Griechenland, die gegen die Sparpolitik der Troika klagen.

Helga Zepp-LaRouche, die Gründerin des internationalen Schiller-Instituts, führte am 6. September das folgende Interview mit Dr. Katherine Alexander-Theodotou und ihrem Kollegen Neil Skinner, der mit ihr an der Klage gegen die Troika arbeitet.

Interview mit Dr. Katherine Alexander-Theodotou und Neil Skinner

Helga Zepp-LaRouche: Sie vertreten Zypern in einer Sammelklage vor dem Europäischen Gerichtshof. Können Sie uns sagen, warum Sie diese Klage eingereicht haben?

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Ich bin selbst aus Zypern. Ich habe dort einen Wohnsitz und ich bin seit langer Zeit mit allen Aspekten des Lebens auf Zypern vertraut.

Die heutige Lage war seit etwa zwei Jahren absehbar: Mit der Wirtschaft stimmte etwas nicht, und das begann, als Zypern der Europäischen Union beitrat. Die Einführung des Euro führte zu Preiserhöhungen und zu einem Abbau von Arbeitsplätzen; die Arbeitslosigkeit stieg. Verschiedene Agrarprodukte mußten wir zu Billigpreisen exportieren. Mir war seit dieser Zeit klar, daß der Euro keineswegs so vorteilhaft war, wie die Menschen dachten.

Ich beobachtete also die Lage sehr genau und half auch vielen Familien, die wegen der Einführung des Euros in die Armut abgerutscht waren. Das waren Arbeiterfamilien aus der Unterschicht und auch viele Rentner.

Nach und nach verschlimmerte sich die wirtschaftliche Lage immer weiter. Es kam soweit, daß die Marfin Laiki Bank in eine gefährliche Verschuldung geriet, und die Europäische Kommission forderte die Regierung auf, die Bank mit 3 Mrd. Euro zu retten. Aber die Laiki-Bank erholte sich nicht, weswegen die EU-Kommission die Laiki-Bank und die Bank of Cyprus aufforderte, griechische Staatsanleihen zu kaufen – die allerdings der deutschen Regierung gehörten – und sie gaben Milliarden Euro für den Ankauf wertloser griechischer Anleihen aus, und das führte zum Kollaps der Bank und zum Kollaps der Wirtschaft.

Ich habe viele Klienten, die ihr Geld auf Konten der Laiki-Bank haben, und alle meine Klienten, besonders diejenigen, die in England wohnen, verloren riesige Geldsummen. Die Laiki-Bank in London wurde geschlossen, ohne ihre Kunden wirklich über den Verbleib ihres Geldes zu informieren. Ich vertrete eine weitere Gruppe von 48 englischen Klienten, die Einlagen und Kredite bei der Laiki-Bank haben. Erst vor einer Woche wurde ihnen mitgeteilt, daß ihr Geld zur Bank of Cyprus transferiert wurde! Sie wissen nicht, ob ihre Kredite oder ihr Geld noch irgend etwas wert sind.

Die Lage ist völlig chaotisch. Unter diesen Umständen sprachen mich viele Leute an, die mich als Anwältin kannten, und fragten, ob es möglich sei, die Sache vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen. In der Zwischenzeit hatte ein anderer Anwalt in Zypern, der eine große Zahl von 3000 Klienten vertritt, einen Antrag an den Obersten Gerichtshof von Nikosia gerichtet, Maßnahmen gegen die Bestimmungen der Troika im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Niedergang zu ergreifen. Das Gericht lehnte den Antrag ab und verwies ihn statt dessen an das Bezirksgericht. Das ist nicht gut, denn das Bezirksgericht ist eine untere Instanz, und das bedeutet erhebliche Verzögerungen und es wird nirgendwo hinführen. Wenn man andererseits das Verhalten des Obersten Gerichtshofes untersucht, so hatte der Oberste Gerichtshof kein Recht, die Anträge abzulehnen.

Nach diesem Fiasko wollten die Leute wissen, wie es mit dem Europäischen Gerichtshof wäre. Ich traf mich deshalb in London mit Prof. Takis Tridimas und einem anderen Anwalt aus der Kanzlei von Sir Francis Jacobs. Prof. Tridimas und Sir Francis Jacobs waren beide am Europäischen Gerichtshof tätig, sie vertraten Klagen aus Athen gegen die Troika, und sind deshalb mit der Lage sehr gut vertraut. Der Rat dieser beiden hochspezialisierten Anwälte lautete, daß wir Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen müßten, weil die Fristen für die Auferlegung der Troika-Vorschriften in Zypern sehr wichtig seien.

Wir veröffentlichten dies in verschiedenen Flugblättern und Zeitungen, und es gibt inzwischen eine Vielzahl von Leuten, die Hilfe suchen, um vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. Das ist, möchte ich sagen, ein Zeichen des Widerstands einer Mehrheit des Volkes gegen diese wirklich unmenschlichen Maßnahmen, die die Troika gegen Zypern verhängt hat.

Helga Zepp-LaRouche: Die Menschen außerhalb von Zypern in ganz Europa sollten wissen, welche Folgen die Maßnahmen haben, die die Troika Zypern auferlegt hat. Wie sehen die heutigen Lebensbedingungen aus?

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Die Lebensbedingungen sind sehr schlecht. Die Lage sieht folgendermaßen aus. Die sehr Wohlhabenden, das ist eine Minderheit, können von ihren Ersparnissen leben, aber die meisten anderen, mindestens 75% der Bevölkerung, leben von der Hand in den Mund. Die Arbeitslosigkeit hat ungeheuer zugenommen, auf jede offene Arbeitsstelle kommen tausend Bewerber. Die jungen Leute sind gezwungen, das Land zu verlassen und hierher (nach London), in arabische Länder und sonstwohin zu gehen, um Arbeit zu suchen Das hat ganze Familien zerrissen.

Die Rentenzahlungen wurden eingestellt, was sehr schlecht ist, denn mehr als 35% der Bevölkerung sind Menschen im Rentenalter. Das öffentliche Gesundheitswesen leidet darunter, weil es sich durch die Behandlung dieser Menschen finanziert. Heute haben wir erfahren, daß die Genossenschaftsbanken, bei denen viele ihr Geld eingezahlt haben, jetzt auch unter die Sparmaßnahmen der Troika fallen. Gestern wurde darüber im Parlament abgestimmt und das Gesetz mit einer knappen Mehrheit verabschiedet.

Das zeigt, daß die Regierung nicht genug tut, um der Troika Widerstand zu leisten. Die vorherige Regierung unterzeichnete das Abkommen [mit der Troika], und die jetzige Regierung führt weiter, was ihre Vorgängerin tat. Sie fühlten sich nie der Bevölkerung verpflichtet, etwa, indem man mit einem Referendum feststellt, ob sich die Menschen ihr Geld von einigen Leuten aus Europa wegnehmen lassen wollen – faktisch ist es ein Diebstahl – und ob sie sich und ihre Länder ruinieren lassen wollen.

Helga Zepp-LaRouche: In Deutschland und anderswo wird die Propaganda verbreitet, es seien nur russische Spekulanten enteignet worden. Aber Sie sagen, das ist nicht richtig, in Wirklichkeit trifft es die Bevölkerung.

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Nein, die armen Menschen zahlen die Zeche. Die Armen! Die Deutschen haben behauptet, daß es Anleger aus dem Ausland, insbesondere Russen, gewesen seien, die ihre Milliarden hier hergebracht haben. Aber die einfachen Leute sind betroffen! Denn alle diese Superreichen haben ihr Geld in Offshore-Gesellschaften angelegt; sie wußten, daß es der Wirtschaft im Land schlecht ging. Jemand mit einem sehr großen Unternehmen, etwa ein Russe, der Milliardär oder Multimillionär ist, weiß genau, was los ist, und würde sein Geld nicht in der Laiki-Bank, der Bank of Cyprus oder einer Genossenschaftsbank belassen.

Es ist somit eine glatte Lüge, zu behaupten, die reichen Bosse und die Leute mit allen Möglichkeiten seien die Verlierer. Es sind die einfachen Zyprioten, deren Familien kaputt gehen.


Neil Skinner: Es ist wahrscheinlich wichtig, noch hinzuzufügen, daß für die normalen Leute ein Guthaben von 100.000 Euro zwar [vor dem Bail-in] geschützt ist, aber die Kreditkontrollen bedeuten, daß man nur 300 Euro am Tag von seinem Konto abheben kann. Und die meisten Geschäfte akzeptieren derzeit nur Bargeld, keine Kreditkarten oder Schecks. Das soll zwar nur eine vorübergehende Maßnahme sein, aber die gleichen Maßnahmen wurden auch in Island während des Finanzkrachs eingeführt und sind dort fünf Jahre danach immer noch gültig.

Helga Zepp-LaRouche: Nachdem in Zypern diese Maßnahmen durchgesetzt wurden, hat Herr Dijsselbloem, der neue Chef der Eurogruppe, erklärt, dies sei die „Blaupause“ für jedes andere Land; inzwischen wird genau das gleiche auch in Detroit praktiziert. Angesichts der Tatsache, daß die EU-Kommission jetzt letzte Hand an das „Bail-in“-Gesetz legt, das in ganz Europa gelten soll, und daß dieses Verfahren in den Vereinigten Staaten bereits in Form des Dodd-Frank-Gesetzes existiert, was würden Sie den anderen raten? Denn es gibt keinerlei öffentliche Debatte darüber.

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Sehr wahr, es gibt keine Debatte. Die Regierungen – ich kann dabei für Zypern und Griechenland sprechen – haben keine öffentliche Debatte angeregt. Die Menschen in Europa sollten gegen diese Maßnahmen Widerstand leisten. Sie sollten sich dagegen wehren, daß eine kleine Gruppe sich zu Diktatoren aufschwingt und das Leben der Menschen in Europa, ihre Kultur und ihre Familien ruiniert, denn von nichts anderem sprechen wir hier. Sie sollten Widerstand leisten! Die Regierungen, so sie demokratisch sind, sollten dem Volk die Möglichkeit geben, über diese Maßnahmen abzustimmen. Hätte zum Beispiel die Bevölkerung Zyperns darüber abstimmen dürfen, dann wären die Troika-Maßnahmen abgeschmettert worden. Das gleiche gilt für Griechenland.

Und wir wollen die Europäische Union verlassen. Wir wollen zu unserer Wirtschaft zurückkehren, wie sie vorher war. Denn man hat uns nach Europa [in die Eurozone] geholt, um uns zu benutzen! Darum geht es eigentlich. Man hat uns nach Europa geholt, um kleinere Länder wie Zypern, Griechenland usw. zu mißbrauchen.

Ich habe gestern mit einigen Spaniern gesprochen; die Lage in Spanien verschlechtert sich mit jedem Tag! Die Arbeitslosigkeit ist schon auf 56% gestiegen, trotzdem setzt die Troika die Sparmaßnahmen fort, und die meisten Menschen haben kein Geld mehr – überhaupt kein Geld!

Sie sind auch damit einverstanden, das Land aufzuteilen; verschiedene Gebiete wollen sich bereits abspalten und unabhängige Regierungen haben. Darüber wird viel in den Provinzversammlungen diskutiert. Das würde den Zerfall der spanischen Nation heraufbeschwören! Und genau das passiert jetzt.

Helga Zepp-LaRouche: Sie sagen also im Grunde, daß diese Linie „der Euro eint Europa und sichert ewigen Frieden“ mit der Realität nichts zu tun hat? Jedenfalls sehe ich heute soviel Spannungen zwischen den europäischen Ländern, wie es sie seit 1945 nicht mehr gab.

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Das stimmt. Es gibt viele Spannungen zwischen den verschiedenen europäischen Ländern. Und ich sage Ihnen noch eines: In einer halben Stunde erwarte ich in meinem Büro eine Gruppe Kroaten, die die Europäische Union verlassen wollen. Kroatien ist erst am 26. Januar dieses Jahres der EU beigetreten und sie wissen schon jetzt, was läuft, und wollen Gegenmaßnahmen ergreifen – sie wollen wieder raus.

Polen und andere Länder, die zum Beitritt zur Europäischen Union genötigt werden, wehren sich stark und leidenschaftlich. Sie wollen nicht in dieses Europa, denn sie fürchten, genau zerstört und benutzt zu werden wie wir auch. [Die Troika] will aus Zypern einen Modellfall für die ganze EU machen – eine kleine Insel, die ein politisches Problem hat, eine kleine Insel, die einmal recht wohlhabend war, wo die Bevölkerung gut lebte, bevor sich diese Leute einmischten. Sie haben uns um unser Geld und um unsere Freiheit gebracht. Denn wenn man sich nicht äußern kann und wenn die gewählte Regierung nichts zu sagen hat, dann gibt es keine Freiheit!

Sie kaufen uns auf. Für 10 Mrd. Euro wurde das zypriotische Volk verkauft – genauso wie schon einmal unter türkischer Herrschaft, als die Türken die Zyprioten für 75 Pfund Sterling an die Briten verkauften. Jetzt werden wir für 10 Mrd. Euro verkauft, um der Troika zu gehören. Das ist keine Freiheit! Wenn die Menschen ihre Freiheit wollen, sollten sie ihre Stimme erheben und sich wehren. Bei uns gibt es heute eine innere Diktatur der EU. Das hat nichts mit der Freiheit der Völker zu tun.

Es gibt keine Regeln, welche die Völker zusammenbinden. Auch die Kultur der Völker wird zerstört, weil sie wollen, daß alle gleich werden.

Helga Zepp-LaRouche: Es wird sogar ein „Demokratiedefizit“ in der Europäischen Union offen zugegeben. Ich würde aber sagen, daß zumindest in Deutschland völlige Ahnungslosigkeit über das bevorstehende Bail-in-Gesetz herrscht. Die Bevölkerung kennt es einfach nicht, in den Medien wird es nicht erwähnt. Können Sie etwas dazu sagen?

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Nichts, überhaupt nichts! Es gibt keine Diskussion in den Medien. Es ist wie mit dem schrecklichen Beispiel Zyperns. Die Regierung wurde erpreßt: Wenn sie das zum Thema macht, wenn darüber öffentlich diskutiert wird, dann bekommt sie die 10 Mrd. Euro nicht. Und sie stießen auf einige Leute, die das mitmachten. Meiner Meinung nach liegen der jetzige Präsident wie auch der frühere Präsident falsch. Die Diskussion in den Medien ist in einer Demokratie ein Muß.

Daß die Menschen sich wehren und aufstehen sollten, war zum erstenmal in den Artikeln zu lesen, die wir selbst in griechischen Zeitungen unterbrachten. Nirgendwo sonst! Wir erhielten zahlreiche Anrufe von Leuten, die sagten: „Bitte unternehmt doch etwas!“

Aus diesem Grund organisieren wir am 17. Oktober eine Kundgebung in Nikosia, denn jemand muß den Mund aufmachen! Die Menschen dort wurden alle unterdrückt. Und ich glaube auch, daß es hinter der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes – denn er wäre eigentlich zuständig – einen Einfluß von höherer Stelle gab, der ihn mundtot macht.

Helga Zepp-LaRouche: In gewisser Weise ähnelt es sehr der Depression in den 30er Jahren, als Reichskanzler Brüning seine rücksichtlosen Sparprogramme durchsetzte. Und danach kamen Hjalmar Schacht und dann bekanntlich Hitler…

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Das stimmt genau.

Helga Zepp-LaRouche: Man sollte meinen, daß die Menschen etwas aus der Geschichte gelernt haben – daß es zum Faschismus führt, wenn man in einer Depression und einer Weltfinanzkrise eine derartige brutale Austerität verhängt.

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Sie haben vollkommen recht, denn wie sieht es aus? Wir haben es mit einer anderen Art Hitler zu tun. Viele Menschen, besonders die Alten, sterben, weil sie die Heizung nicht mehr bezahlen können und weil sie nicht mehr die richtigen Medikamente bekommen. Ich weiß ganz sicher, daß sie nicht die richtigen Medikamente erhalten. Einige von ihnen haben auch keine Unterkunft mehr, weil viele Altenheime schließen. Ich weiß nicht, wo sie bleiben – wahrscheinlich leben sie irgendwo draußen in Zelten. Die jungen Familien haben kein Geld mehr, um sich ein Haus zu kaufen, weil die Banken ihnen kein Geld geben, und sie werden obdachlos!

Viele in Nikosia leben von den Suppenküchen der Kirchengemeinden. Die Priester gehen herum und sammeln Geld, um Nahrungsmittel zu kaufen, und die Leute kommen, um sich ihre tägliche Mahlzeit zu holen. Was gibt es zu essen? Ein Teller Suppe mit etwas Kartoffeln, und wenn sie Glück haben, gibt es einmal in der Woche Fleisch.

Neil Skinner: Nicht nur die Kirche hilft. Neulich gab es ein Konzert, bei dem man als Eintritt etwas Eßbares spenden mußte, das dann an die Armen verteilt wurde. Die Lage ist ziemlich verzweifelt geworden.

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Wenn es so ist, wird die Troika das Land bald endgültig zugrundegerichtet haben. Das einzige Mal, wo ich so etwas gesehen habe, war während der türkischen Invasion [1974], als alles am Boden lag. Die Menschen lebten in Zelten und alle, die im Ausland lebten, mußten hinfahren, um Kleidung und alles andere Notwendige hinzubringen. Das gleiche geschieht heute wieder. Wo ist der Schutz durch Europa? Statt dessen schickt man uns ein paar Diktatoren nach Zypern, die das Land umbringen. Es gibt keine Freiheit, und ohne Freiheit gibt es kein Land!

Deshalb sollten die Zyprioten aufstehen und Widerstand leisten. Sie sollten ihre Klagen beim Europäischen Gerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einreichen und verlangen, daß die Regierung mit der Troika bricht.

Zypern hat eine sehr lange Geschichte. Wir haben viele Katastrophen erlebt. Wir sind ein kleines Land; wir wurden viele Male besetzt, aber wir haben es immer überlebt. Dieses Mal ist die Gefahr viel größer als bei der türkischen Invasion oder der Invasion des Assyrerreiches oder anderer. Sie ist deshalb viel größer, weil die Menschen auch noch gehirngewaschen werden, und die Regierung gezwungen wird, das Gegenteil der Wahrheit zu sagen. So verbreitet die Regierung Erklärungen, in denen es heißt, wir müßten diese Sparmaßnahmen, diese Austerität, von der wir sprachen, akzeptieren – das sei zu unserem besten und die Wirtschaft werde wieder genauso sein wie zuvor.

Neil Skinner: Vor kurzem wurde Präsident Nicos Anastasiades vor einen Untersuchungsausschuß geladen, wo er sagte, man habe ihm wegen dieser Politik praktisch eine Pistole an den Kopf gehalten. Es gibt das „Demokratiedefizit“, daß das Volk nicht gefragt wird, aber auch auf der nächsten Stufe haben die Volksvertreter keine Wahl; sie werden durch die Wirtschaftslage praktisch als Geisel gehalten.

Helga Zepp-LaRouche: Der frühere sozialistische Präsidentschaftskandidat in Portugal, Manuel Alegre, sagte kürzlich, Europa sei ein Konzentrationslager geworden, und wer bisher noch nicht betroffen sei, der solle sich nicht in Sicherheit wiegen, denn es sei nur eine Frage der Zeit, bis auch er an die Reihe käme. Welchen Rat können Sie den Deutschen und den Amerikanern geben?

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Der wichtigste Rat ist, die Freiheit der Menschen zu respektieren. Denn in der Geschichte ist die Freiheit der Demokratie immer das Wertvollste im Leben des einzelnen gewesen. Wir dürfen nicht zulassen, daß eine kleine Gruppe von Leuten vom Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank über unser Leben bestimmt – auf dem Weg dorthin sind wir.

Mein Ratschlag an die Deutschen und Amerikaner ist, wenn sie wirklich den Menschen in Europa helfen wollen, dann sollten sie neue, vernünftige Gesetze erlassen, wie das Glass-Steagall-Gesetz, für das Sie sich derzeit in den USA einsetzen, um die Interessen der Menschen zu schützen. Wenn das nicht geschieht und wir keine vernünftigen Gesetze bekommen, dann vergiß es, dann laufen wir in die Katastrophe. Wir versuchen, Widerstand zu leisten, so gut wir können, indem wir die Menschen auffordern, aufzustehen und gegen diese Diktatur zu kämpfen. Das versuchen wir in Nikosia. Wahrscheinlich werden sich auch die Kroaten anschließen.

Neil Skinner: Sie erwähnten, was auch die anderen Länder erwartet und ob sie sich darauf einstellen sollen, daß das gleiche auch ihnen wiederfährt. Sie erwähnten ausdrücklich Dodd-Frank und Detroit. Nun ist auch die Schweiz ein wichtiger Finanzplatz, und selbst dort wird überlegt, das Bail-in einzuführen, obwohl das Land gar nicht zur Europäischen Union gehört. Das Land fühlt sich dazu genötigt, obgleich es gar nicht direkt unter dem Einfluß der Troika steht.

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Richtig. Denn wenn der Rest Europas den Weg Detroits geht, werden sie ebenfalls die gleiche Behandlung erfahren.

Helga Zepp-LaRouche: Ich weiß, daß heute in Detroit der Kongreßabgeordnete John Conyers eine Anhörung veranstaltet, die sehr interessant werden kann, denn in Detroit gibt es erheblichen Widerstand. Immerhin wurde den städtischen Pensionären 95% ihrer Pensionen enteignet!

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Das wird auch in Zypern passieren. Ich habe mit einem Vertreter der zypriotischen Rentnervereinigung hier in London gesprochen, und er sagte mir, daß man den Rentnern nahezu 99% ihrer Bezüge genommen hat. Ihnen bleibt also nur, vom Geld ihrer nächsten Angehörigen oder ihrer Kinder zu leben. Falls die Kinder überhaupt Geld haben. Am meisten werden die leiden, die auf dem Lande wohnen.

Helga Zepp-LaRouche: Ich denke, die Maßnahmen der Troika haben einen lebensverkürzenden Effekt. Die Frage ist nur, ob dies bewußt geschieht oder nur von Inkompetenz zeugt.

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Ich glaube, das ist denen völlig egal. Das sind völlig gefühllose Menschen. Denn wenn sie sich etwas aus der Menschheit machten, würden sie nicht zu solchen Maßnahmen greifen, um anderen Ländern ihren Willen aufzuzwingen. Sie sollten den Menschen gestatten, sich Gedanken über ihre Lage zu machen. Sie sind nicht bloß inkompetent, sie sind gefühllos. Es interessiert sie nicht.

Ich sehe, wie sie in Zypern und wie sie in Griechenland auftreten: Sie verhalten sich, als wären sie eine Art olympische Götter. Die Not oder die Empfindungen der Menschen berühren sie nicht. Die Interessen der Menschheit interessieren sie nicht. Ihr einziges Interesse gilt der Bürokratie, um ein Herrschaftsimperium über die Völker Europas zu errichten. Nur das ist ihr Interesse. Und die ganze Freiheit der Menschen wird nach so vielen Jahren Kampf einfach verschleudert.

Mir ist meine Zeit für die zu schade. Ich bin gegen all das. Und viele Leute sind für uns oder gegen die Troika. Je mehr wir miteinander sprechen und je mehr wir uns mit allen anderen Menschen in Europa verbinden, desto besser werden wir zusammen Widerstand leisten können.

Soweit ich weiß, herrscht in 14 europäischen Ländern große Verdrossenheit mit der EU. Wir werden heute abend mit verschiedenen Vertretern sprechen, denn wir brauchen einen Slogan, um eine gemeinsame Kampagne zu starten und uns gegenseitig zu unterstützen. Denn heute ist Zypern an der Reihe und morgen wird ein anderes Land dran sein. Dann werden wir einer nach dem anderen zu Sklaven gemacht.

Wo ist der Unterschied zwischen einem Sklavenstaat Roms und einem Sklavenstaat unter dem Imperium Europa? Ich kann keinen großen Unterschied sehen, denn Geld ist dabei alles. Wer im alten Rom kein Geld hatte, der war ein Sklave. Heute ist ein Land, das kein Geld hat, ein Sklave Europas. Man erlaubt uns noch nicht einmal, in unserem eigenen Parlament darüber abzustimmen; man läßt das Volk nicht darüber entscheiden. Sie wollen für uns entscheiden – und das ist Sklaverei. Wir sind Sklaven, und wir wollen uns befreien.

Helga Zepp-LaRouche: Ich möchte mit einem optimistischen Ausblick enden. Friedrich Schiller, der deutsche Dichter der Freiheit, hat in seinem Abfall der Niederlande von den Habsburgern geschrieben: wenn sich ein Volk für eine gute Sache zusammenschließt und einen guten Plan hat, dann kann es selbst den brutalsten Despoten zu Fall bringen. In diesem Geiste sollten wir dafür sorgen, daß das Bail-in-Gesetz abgelehnt wird.

Möchten Sie abschließend unseren Lesern und Zuhörern noch etwas mitteilen?

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Alle Imperien kommen und gehen. Und auch dieses Imperium wird zerfallen. Wie Schiller sagt, es wird untergehen, weil sich die Menschen zusammenschließen und Widerstand leisten. Stimmen Sie mir zu?

Neil Skinner: Ich stimme vollkommen zu. Der britische Politiker Edmund Burke hat ja einmal gesagt: „Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun!“

Dr. Katherine Alexander-Theodotou: Ja!

Helga Zepp-LaRouche: Ich danke Ihnen sehr.

Quelle: bueso

 

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