Alternative für Deutschland: Gewollte Opposition?

von Henning Lindhoff

Die Unbeugsamkeit des politischen Mittels

In den vergangenen Tagen und Wochen erntete die „Alternative für Deutschland“ so einige Vorschusslorbeeren. Die Zahl ihrer Anhänger schoss nach oben, die Stadthalle von Oberursel platzte bei der Auftaktveranstaltung aus allen Nähten und der AfD-Button prangt mittlerweile auf den Profilbildern so einiger Facebook-Freunde. Das Volk hat anscheinend gedürstet nach einer neuen Partei, die EU und Einheitswährung kritisiert und dabei eine wirkliche Chance hat, bei den kommenden Bundestagswahlen über die Fünf-Prozent-Hürde zu hüpfen. Diesen Durst scheint die „Alternative“ stillen zu können. Durfte ihr Sprecher Bernd Lucke doch schon einige Male den Großkopferten im Staatsfunk gegenüber sitzen. Wacker geschlagen hat er sich auch, hat Stoiber, Trittin und ihre Schreiberlinge recht blass aussehen lassen.

Doch ist seine Partei wirklich die „Alternative“, für die sie sich so gerne ausgibt? Sind Hoffnungen ihrer Anhänger auf einen Systemwechsel berechtigt? Steht die „Alternative“ für politische Schritte in Richtung Freiheit?

Eine Prüfung der politischen Agenda der AfD kann dem noch unentschlossenen Wähler an diesem Punkt Aufklärung verschaffen. Butter bei die Fische! Richten wir einen eigentümlich freien Blick auf das Programm der AfD.

Auf der Internetseite der Partei liest der Interessierte u.a. folgendes:

„Wir fordern ein Europa souveräner Staaten mit einem gemeinsamen Binnenmarkt. Wir wollen in Freundschaft und guter Nachbarschaft zusammenleben. Wir fordern, das Budgetrecht den nationalen Parlamenten zu belassen. Eine Transferunion oder gar einen zentralisierten Europastaat lehnen wir entschieden ab. Wir fordern, Gesetzgebungskompetenzen zurück zu den nationalen Parlamenten zu verlagern. Über Glühbirnen und Gurkenkrümmungen kann der Bundestag alleine entscheiden. Wir fordern eine Reform der EU, um die Brüsseler Bürokratie abzubauen und Transparenz und Bürgernähe zu fördern. Wir fordern, die Bezüge der Brüsseler Beamten auf Normalmaß zurückzuführen. Es ist schändlich, dass Tausende Brüsseler Beamte mehr verdienen als die Bundeskanzlerin. Das europäische Parlament hat bei der Kontrolle Brüssels versagt. Wir unterstützen nachdrücklich die Positionen David Camerons, die EU durch mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung zu verschlanken.“

Die anscheinend gewollte Entmachtung der EU liest sich zunächst ansprechend. Doch „Reformen zwecks Transparenz und Bürgernähe“, und Bürokratensaläre auf „Normalmaß“ lassen den radikal Liberalen zusammenzucken. Ist die EU also nicht grundsätzlich von Übel? Muss das bürokratische Monster lediglich reformiert und optimiert werden? Müssen die Eurokraten nur gezähmt werden?

Das aufkeimende ungute Gefühl will auch bei der weiteren Lektüre nicht weichen.

„Wir fordern, die Schuldenbremse zu achten und die Schuldenberge abzubauen. Auch Deutschland hat viel mehr Schulden als zulässig. Wir fordern eine drastische Vereinfachung des Steuerrechts. Der Bürger muss verstehen können, warum er in welcher Höhe besteuert wird. Die Cleveren sollen nicht besser behandelt werden als die Ehrlichen. Wir fordern ein Steuersystem, in dem Reiche absolut und prozentual stärker belastet werden als Arme.“

Ein kleiner Schuldenberg ist also durchaus hinnehmbar? Wer bestimmt seine Höhe, seinen Durchmesser? Wenn wir nur den Grund für unsere Steuerlast verstehen, sind die Schutzgeldzahlungen an die Finanzämter legitim? Die „Reichen“ prozentual stärker zur Kasse bitten als die „Armen“? Hossa! Das geübte Auge erkennt hier feinste Klassenkampfrhetorik.

Und diese nimmt im weiteren Verlauf des Parteiprogramms durchaus Fahrt auf.

„Wir fordern, dass die Höhe der Renten langfristig garantiert wird. Die Schulden der Eurokrise dürfen nicht zu einer Rente nach Kassenlage führen. Wir fordern, eigene Kinder stärker bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen. Ein Durchschnittsverdiener mit zwei eigenen Kindern muss ohne zusätzliche betriebliche oder private Ersparnis eine ausreichende Rente erzielen können. Deutschland hat zu wenig Kinder. Renten- und Krankenversicherung stehen deshalb auf tönernen Füßen. Deutschland muss kinder- und mütterfreundlicher werden.“

Rentner und Mütter sollen schließlich nicht verschreckt werden. Auch Kinder kommen immer gut…

Und wer kann schon besser für das Paradies auf Erden sorgen als Papa Staat?

„Wir fordern bundesweit einheitliche Bildungsstandards orientiert an den besten Schulsystemen Deutschlands. Wir fordern, Bildung als Kernaufgabe der Familie zu fördern. Kitas und Schulen müssen dies sinnvoll ergänzen. Nichts ist für unsere Zukunft wichtiger als die Bildung unserer Kinder. Wir fordern ein Familiensplitting, damit die Familien auch die Mittel behalten, ihre Kinder optimal zu betreuen und auszubilden.“

Er setzt „Standards“, belässt, wohltätig wie eh und je, die zur Bildung und Erziehung der Kinderschar notwendigen finanziellen Mittel bei den Eltern. Danke Papa!

Und auch die gute, alte Demokratie darf nicht fehlen.

„Wir fordern eine Stärkung der Demokratie und der demokratischen Bürgerrechte. Parteien sollen am politischen System mitwirken, es aber nicht beherrschen. Wir fordern mehr direkte Demokratie auch in den Parteien. Das Volk soll den Willen der Parteien bestimmen, nicht umgekehrt. Wir fordern, alle bezahlten Nebentätigkeiten für Bundestagsabgeordnete zu verbieten. Für mehr als 10.000 Euro Einkünfte kann man erwarten, dass die Abgeordneten ihre volle Arbeitskraft dem Parlament widmen. Wir fordern, Volksabstimmungen über grundlegende gesellschaftliche Fragen zuzulassen. Eklatante Fehlentscheidungen unserer Volksvertreter müssen korrigiert werden können. Das gilt insbesondere für die Abtretung wichtiger Befugnisse an die EU.“

Ein bisschen mehr Volkswille, ein bisschen weniger Großmannssucht. Mit einer ordentlichen Prise direkter Demokratie sollte dies doch machbar sein. Oder?

Auch in Sachen Energiepolitik sucht man im Programm der AfD vergebens nach liberaler Kreativität:

„Wir fordern ein nachhaltiges Energiekonzept für bezahlbare Energie. Es ist unzumutbar, dass die Bevölkerung mit drastisch steigenden Preisen für die kopf- und konzeptionslose Politik der Bundesregierung büßen muss. Wir fordern eine Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Es ist unsozial, Subventionen für Sonnen- und Windenergie durch die Strompreise zu finanzieren. Wir fordern, dass Subventionen für erneuerbare Energien statt dessen aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden. Es muss offengelegt werden, welche Energieart wie stark subventioniert wird.“

Ist das schon naiv? EEG abschaffen. Subventionen aus dem Steuertopf zahlen. Mehr Transparenz… Aber dann bitte nicht meckern, wenn, schwuppdiwupp, die Mehrwertsteuer um ein paar Prozentpünktchen nach oben geschraubt wird!

War früher nicht alles besser? Das letzte, das protektionistische Puzzlestück fehlt noch. Vorhang auf:

„Wir fordern eine Neuordnung des Einwanderungsrechts. Deutschland braucht qualifizierte und integrationswillige Zuwanderung. Eine ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme muss unbedingt unterbunden werden. Wir fordern verpflichtende Deutsch- und Staatsbürgerschaftskurse für Zuwanderer.“

Vom eigentlichen, dem systemimmanenten Problem der Sozialsysteme, davon, dass sie stets zerstörerische Anreize bieten, liest der Interessierte im „alternativen“ Programm nichts.

Radikal Liberale können sich bei der Lektüre des AfD-Programms nicht dagegen wehren. Trotz allen guten Willens zu Anfang der Lektüre bleibt am Ende nur Bitterkeit übrig. Das Programm der neuen Partei stellt keinen Schritt gen Freiheit dar. Es ist ein Zurück zum Alten, in dem keineswegs alles Gold war, was im heutigen Zwielicht der Einheitswährung so verheißungsvoll glänzt. Die AfD bietet keinen Systemwechsel an. Mehr Freiheit wird mit ihr nicht zu machen sein.

Und genau hier liegt auch der Grund für ihren derzeitigen Erfolg. Eine wirkliche Alternative hätte niemals diese mediale Präsenz erhalten. Bernd Lucke durfte womöglich nur deshalb im Staatsfunk auftreten, weil er und seine Kameraden keine Gefahr für das Establishment darstellen. Anne Will und Maybrit Illner haben keine Angst vor den „Euro-Rebellen“. Bernd Lucke und seine AfD sind lediglich die Türsteher an der Ausgangspforte des sozialdemokratischen Systems. „Du darfst hier nicht raus“ lautet die unmissverständliche Botschaft, wenn sie süß von Euro-Austritt und EU-Reformen säuseln.

Quelle: ef-magazin

 

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