Freunde?

Betrüge alle und jeden — ein Beispiel für gelebte Spieltheorie nach RAND und Co.


In den 1940er Jahren arbeitete das Pentagon an einer speziellen Spieltheorie: Dort entwickelte man mathematische Modelle, nach denen das Verhalten von Kontrahenten während einer spielerischen Auseinandersetzung analysiert werden sollte. Dabei ging man von der Grundannahme aus, dass die Spieler stets taktisch oder strategisch agierten und in jedem Falle auf den eigenen Vorteil bedacht wären. Der entscheidende Faktor in diesen Modellen war, dass eine vermutete Entscheidung des Anderen in die eigene Entscheidung einkalkuliert wurde und so diese überhaupt erst möglich machte.


von Peter Frey (peds-ansichten)

Bald wurde RAND, eine Denkfabrik die vom Rüstungskonzern Douglas Aircraft gegründet worden war, zum offiziellen Berater der US-Militärs und übernahm auch die Forschungen zur (auf Konkurrenz basierenden) Spieltheorie. Einer der führenden Wissenschaftler in diesem Projekt war der Mathematiker John Nash. Bezeichnenderweise hieß eines seiner Spielmodelle „F..k you, Buddy“. Das muss wohl nicht ins Deutsche übersetzt werden. Der Sinn und Zweck des Spieles bestand einzig darin, um des eigenen Vorteils Willen jeden seiner Mitspieler nach Strich und Faden zu betrügen (1, 2).

Das Spiel modellierte sozusagen pathologisches Denken, egoistisches wie skrupelloses Verhalten. So gesehen war das Spiel natürlich nicht neu. Das britische Empire verdankte seine Macht eben solchen Strategien, dem intriganten Ausspielen von Gegensätzen bei Jenen, die man zu beherrschen und zu schröpfen gedachte. In dem man die Objekte über unempathisch benutzte psychologische Methoden zu gewünschten Handlungen zwang, machte man sie erst zum Opfer.

Heute ist das britische Weltreich Geschichte. Aber als europäischer Flugzeuträger Washingtons lebt seine Tradition in der Politik der „einzigartigen Nation“ fort. Wie läuft das Spiel der Täuschung? Man gibt dem „Freund“, dem „Spielpartner“, der in Wirklichkeit als Konkurrent angesehen wird, erst einmal das Spielfeld vor. Man stellt ihn vor ein Dilemma, das es jedoch tatsächlich erst dann wird, wenn es vom „Freund“ auch als solches akzeptiert wird.

Boris Johnoson, in jenen Tagen noch Premierminister der Briten, sprach am 14. November 2021 auf einer Rede vor Repräsentanten der City of London bemerkenswerte Sätze und achten wir darauf, wie er das Spielfeld bestimmte:

„We hope that our friends may recognise that a choice is shortly coming between mainlining ever more Russian hydrocarbons in giant new pipelines and sticking up for Ukraine and championing the cause of peace and stability, let me put it that way.“ (3)

zu deutsch (Hervorhebung durch Autor):

„Wir hoffen, dass unsere Freunde [in Europa] erkennen, dass sie in Kürze vor der Wahl stehen, entweder immer mehr russische Kohlenwasserstoffe durch riesige neue Pipelines zu beziehen oder sich für die Ukraine und die Sache des Friedens und der Stabilität einzusetzen, wenn ich das so sagen darf.“ (a1)

Johnson erweckte den Eindruck, dass die gesellschaftlichen Umstände unter anderem Deutschland vor eine schicksalhafte Wahl gestellt hätten, bei der es sich für entweder russisches Gas oder die Ukraine entscheiden müsste. Das stimmt aber nicht. Johnson (und damit natürlich jene die hinter ihm stehen) breiteten dieses Szenario erst aus. Es war ihre Idee, ihre Spielidee. Und es zeigt auf, dass Deutschland kein Freund sondern ein Konkurrent ist, mindestens für die Spielgestalter in Washington und London.

Wie gesagt: Diese Worte fielen vier Monate vor dem offenen Ausbruch des NATO-Stellvertreterkrieges auf ukrainischem Boden. Boris Johnson wünschte sich also ein Handeln seiner (unter anderem) deutschen „Freunde“, das sowohl Jenen als auch dessen russischen Partnern zum Schaden gereichen würde. Vom Empire zum Arm Washingtons geschrumpft, vertritt man dessen Interessen, aber keinesfalls jene der „Freunde“ in Europa.

„Glücklicherweise“, zumindest für den britischen Premier, hat sich ein Irgendjemand, den man sich scheut, zu ermitteln, darum gekümmert, dass „wir“ in Europa die „richtige“ Entscheidung getroffen haben. Nun ist das preiswerte wie verbindende russische Gas weg und Europa mit samt der Ukraine trägt die Kosten für den erneut angehenden Sieger von „F..k you, Buddy“ (siehe weiter oben).

Bitte bleiben Sie schön aufmerksam, liebe Leser.


Anmerkungen und Quellen

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(a1) Übersetzung unter Zuhilfenahme von DeepL.com.

(1) 2007; IMDb; F***K You, Buddy; https://www.imdb.com/title/tt4048840/

(2) https://en.wikipedia.org/wiki/So_Long_Sucker; abgerufen: 17.08.2023

(3) 15.11.2021; Independent; Jon Stone; Stop guzzling Russian gas, Boris Johnson tells Europe; https://www.independent.co.uk/news/uk/politics/boris-johnson-russia-gas-nordstream-2-b1958075.html

(Titelbild) Poker, Karten, Trick, Betrug; Autor: MasterTux (Pixabay); 14.10.2019; https://pixabay.com/de/illustrations/poker-karten-gl%c3%bccksspiel-casino-4545937/; Lizenz: Pixabay License

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